Experte zu Silvester-Gewalt „Hubert Hüppe hat Recht, aber...“

Von Kevin Kohues
Experte zu Silvester-Krawallen: „Hubert Hüppe hat Recht, aber...“
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Klaus Koppenberg (65), Sprecher des Runden Tisches gegen Gewalt und Rassismus in Unna, steht eigentlich nicht im Verdacht, der CDU nahe zu stehen. Der Sozialwissenschaftler ist Mitglied der Grünen und sitzt für sie sogar im Unnaer Stadtrat. Die Reaktionen von Unions-Politikern wie dem heimischen Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe (66) und Parteichef Friedrich Merz (67) auf die erschreckenden Szenen der Silvesternacht in Berlin findet Koppenberg aber verständlich.

Hüppe hatte in einem Facebook-Post die sofortige Abschiebung der Täter gefordert, von denen viele einen Migrationshintergrund haben. CDU-Parteichef Merz hatte in einem Interview mit Markus Lanz im ZDF die Söhne von Migranten als „kleine Paschas“ bezeichnet und dafür viel Kritik auch von Schulleiterinnen und Schulleitern aus dem Kreis Unna auf sich gezogen.

Klaus Koppenberg plädiert für Schulfach „Soziales Lernen“

Klaus Koppenberg betrachtet die Debatte freilich etwas differenzierter und sagt: „Das ist ein sehr wichtiges Thema und ich kann die Reaktionen verstehen, zum Beispiel die Forderung von Herrn Hüppe, dass man schnell und eindeutig reagiert auf diesen Regelbruch. Aber wir müssen das Ganze systemisch betrachten.“

Was er damit meint? „Wir gehen als moderne Gesellschaft davon aus, als hätten wir das Thema Gewalt hinter uns gelassen“, führt Koppenberg aus. „Und das sorgt dafür, dass uns ein paar Instrumente fehlen damit umzugehen.“

Wobei Koppenberg damit nicht auf Abschiebungen, sondern auf Integration abzielt. Er verneint nicht das Problem, findet aber die Problembeschreibung von Friedrich Merz falsch. „Er drückt das den ,Paschas‘ aufs Auge.“ Dabei stecke hinter diesem Verhalten doch, dass Menschen nach Deutschland kommen, die nicht die gleiche kulturelle Prägungsphase durchlaufen hätten wie die Einheimischen.

Klaus Koppenberg plädiert deshalb für die Einführung eines Unterrichtsfaches „Soziales Lernen“. „Wir müssen Schulpädagogik und Sozialarbeit miteinander vernetzen“, schlägt Koppenberg vor. Die Schulen dürften damit aber nicht überfordert werden, es sei ein gesamtgesellschaftliches Thema.

Hubert Hüppe (CDU) fordert nach den Gewalttaten der Silvesternacht: „Wir müssen diese Täter abschieben statt immer nur zu reden!“
Hubert Hüppe (CDU) fordert nach den Gewalttaten der Silvesternacht: „Wir müssen diese Täter abschieben statt immer nur zu reden!“ © Stefan Milk/Archiv

„Wir haben nach wie vor gewaltgeprägte Verhaltensweisen“

„Wir haben“, so Koppenberg weiter, „nach wie vor gewaltgeprägte Verhaltensweisen, es geht dabei um Dominanz und Selbstbehauptung.“ Sein Plädoyer: „Wir müssen bereit sein, uns das Thema Gewalt gesellschaftlich nochmal genau anzugucken. Wenn etwas passiert, wollen wir immer schnell einen Schuldigen und eine Lösung. Wir gehen von unserem System als Selbstverständlichkeit aus und die, die dazu kommen, sind das Problem. Aber wir sollten uns dabei nicht zerstreiten. Wenn jetzt alle auf Friedrich Merz einhauen, fehlt die systemische Betrachtung.“

Es müsse viel stärker darum gehen, Konfliktlösungsstrategien jenseits von Gewalt zu vermitteln.

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