Zu früh gefreut? Der beste Architekten-Entwurf war ausgewählt. Sogar die Finanzierung stand für den Neubau des katholischen Gemeindezentrums St. Monika in Ergste, das seinen schon lange leerstehenden maroden Vorgänger ersetzen sollte. Doch plötzlich kam von der übergeordneten Mariengemeinde die enttäuschende Nachricht: „Es ist alles erstmal auf Eis gelegt“, sagt der Vorsitzende Kirchbau- und Gemeindeförderwerks, Ulrich Passavanti. Der neue Pfarrer Guido Bartels, der vor einem Jahr die Nachfolge des pensionierten Peter Iwan angetreten hat, wolle erst einmal das künftige Immobilienkonzept des Erzbistums Paderborn abwarten.
Alle Baumaßnahmen gestoppt
Die drastisch sinkenden Kirchenmitgliederzahlen – so begründet Pfarrer Bartels auf Nachfrage – würden den Erhalt sämtlicher Gebäude nicht mehr rechtfertigen. Deshalb bereite sich die Mariengemeinde auf die Erstellung des Immobilienkonzepts vor, das vom Erzbistum vorgeschrieben sei: „Solange dieser Prozess mit vorläufig noch völlig offenem Ausgang nicht abgeschlossen ist, ist nicht abzusehen, in welche Gebäude noch investiert werden kann und in welche nicht.“ Am 3. August habe der Kirchenvorstand einen Grundsatzbeschluss gefasst, sämtliche Baumaßnahmen an allen Gebäuden der Pfarrei auszusetzen. Ausgenommen seien lediglich laufende Projekte wie die Fassadensanierung an der Marienkirche und Maßnahmen gegen akute Gefahren.
Entscheidung wohl Anfang 2025
Den Startschuss für den Immobilienprozess, der von einem Team des Erzbistums begleitet wird, erhofft sich Pfarrer Bartels für Anfang 2024. Bis zu klaren Entscheidungen dürfte es dann noch einmal ein Jahr dauern. Neben den Betriebskosten spielt dabei die wichtigste Rolle die Perspektive, wie die Pfarrei ihren Auftrag unter den veränderten Bedingungen künftig ausgestalten wolle: „Das traditionelle pastorale Denken, das sich gegenwärtig in den vorhandenen Gebäuden manifestiert, führt die Glaubensweitergabe nicht in die Zukunft. Das kann man schlicht an den Zahlen ablesen.“ Um Perspektiven zu entwickeln, kommen Kirchenvorstand, Pfarrgemeinderat und Pastoralteam am 21./22. Oktober zu einer Klausur zusammen.

„Die Gemeinde ist hier auf 180“, gibt Ulrich Passavanti die Stimmungslage unter den Ergster Katholiken wieder. Denn die Neubaupläne seien doch längst mit der Bischofsverwaltung abgestimmt gewesen. Um deren Genehmigung zu erhalten, hatte man das Gebäude kräftig geschrumpft: Mit 300 Quadratmetern sollte nicht einmal halb so groß werden wie sein Vorgänger aus 1970er-Jahren. Vom Erzbistum wurde ein Zuschuss von 30 bis 40 Prozent zu den Projektkosten erwartet, die auf 850.000 bis 900.000 Euro geschätzt wurden. Das Gros der Bausumme hatte das überaus aktive Kirchbauförderwerk durch viele Aktivitäten und Mitgliedsbeiträge schon selbst angesammelt: „Die Eigenleistung steht.“
Erster Spatenstich abgesagt
„Wir hätten im Februar den ersten Spatenstich machen können“, erklärt Ulrich Passavanti. Doch bisher gibt es nichts als ein kleines Handmodell des ersehnten Gebäudes, mit dem die DEEN Architekten aus Münster im Juli 2022 den vorgeschalteten Architektenwettbewerb gewonnen hatten. Dieser war auf Vorschlag des Erzbistums Paderborn und nach einem Beschluss des Kirchenvorstands der Mariengemeinde durchgeführt worden.
„Das Gemeindeleben leidet“
Wann das Projekt umgesetzt werden kann oder ob es gar komplett gefährdet ist, das scheint derzeit völlig offen. Weil das alte Pfarrheim unbenutzbar ist, haben die Ergster Katholiken keinen Treffpunkt mehr. „Es liegt alles brach“, beschreibt Ulrich Passavanti: „Das Gemeindeleben leidet darunter.“ Sogar das Gemeindefest habe wegen fehlender Räumlichkeiten abgesagt werden müssen. Auch das beliebte „Kino in Ergste“, die Haupteinnahmequelle des Kirchbauförderwerks, gibt es seit drei Jahren nicht mehr. Als man nach der Corona-Zwangspause im vergangenen Winter wieder durchstarten wollte, verordnete die Mariengemeinde allen Pfarrheimen mit dem Hinweis auf Energiespargründe die Schließung.

Als notdürftigen Ersatz haben die Ergster Katholiken nun sogar einen Teil ihrer St.-Monika-Kirche geopfert. „Wir haben die kleine Kapelle abgetrennt als Gruppenraum“, berichtet Ulrich Passavanti. Auch der Messdienerraum sei umfunktioniert worden. Ministranten gebe es in Ergste ohnehin nicht mehr – auch eine Folge des eingeschlafenen Gemeindelebens. „Wenn man nichts anbietet, kommt auch keiner“, weiß der Vorsitzende des Kirchbauförderwerks, das ebenfalls schrumpft. Für gestorbene Mitglieder wachsen keine neuen mehr nach: „Es gibt schon Zuzüge von jungen Leuten nach Ergste, aber die können wir nicht begeistern.“ Die gemeinschaftlichen Veranstaltungen fehlen.
Messe nur noch einmal im Monat
Die Situation wirkt derzeit wie der traurige Schatten jener lebendigen Gemeinde, die in den vergangenen Jahrzehnten mit großem Engagement aus dem Nichts heraus das Gemeindehaus und die moderne Kirche Am Kleinenberg geschaffen hatte. Doch selbst das Gotteshaus ist meistens verwaist. „Wir haben nur noch alle vier Wochen eine Sonntagsmesse“, berichtet Ulrich Passavanti. An den Wochenenden dazwischen werden mit eigenen Aktiven wenigstens sogenannte Wort-Gottes-Feiern angeboten.

Wehmütig musste der Kirchbauwerk-Vorsitzende im Urlaub in Schonach im Schwarzwald ganz andere Verhältnisse kennenlernen. Dort habe ein Pfarrer in vier Gemeinden jeden Samstag und Sonntag Gottesdienste gehalten. Es seien nicht die großen Skandale allein, die die Leute über einen Kirchenaustritt nachdenken ließen.