Es klingt paradox. Aber doch hilft der Klimawandel dank milderer Winter irgendwie mit, sich selbst zu bekämpfen. Während Dächer früher für eine Schneelast von 75 Kilogramm pro Quadratmetern gebaut wurden, rechne man heute nur noch mit 50 Kilogramm, berichtet Jens Ewald von der Technopark- und Wirtschaftsförderung Schwerte (TWS).
Dieser frei gewordene Belastungsunterschied ermögliche es, viele Gebäude älterer Baujahre für die Installation einer Photovoltaikanlage zu nutzen. So wie bei den TWS-eigenen Karstadthallen an der Konrad-Zuse-Straße, wo die Energie-Genossenschaft Schwerte am Donnerstag (19.12.) ihre erste Photovoltaikanlage übernehmen konnte. Es ist die bislang größte, die auf einem Dach in der Ruhrstadt errichtet wurde. Mit einer Jahresleistung von rund 860.000 Kilowattstunden kann sie den Bedarf von rund 300 Haushalten abdecken.

780.000 Euro investiert
Von unten nahezu komplett den Blicken verborgen, wirkt es schon gigantisch, welche Unmengen von Paneelen die Monteure in den vergangenen Wochen im leichten Winkel auf das Flachdach gelegt haben – allein mit Gewichten befestigt, ohne die Dachhaut mit Schrauben zu durchlöchern.
Aus nächster Nähe konnten Vertreter der Genossenschaft, der Stadtwerke und Bürgermeister Dimitrios Axourgos die Anlage bewundern, nachdem Jens Ewald ausnahmsweise die Tür zu dem schlichten Treppenhaus geöffnet hatte, in dem Eisengitterstufen auf das Dach der Karstadthallen hinaufführen. Über allem schwebte leise surrend eine Kameradrohne, mit der Stadtentwässerungs-Mitarbeiter Timo Wiegandt das Ereignis aus der Luft festhielt.

„Wir sind am Ziel“, sagte Michael Grüll, Vorstandsmitglied der Energie-Genossenschaft. Gerade einmal zehn Monate nach der Gründung haben sich bereits 408 Schwerterinnen und Schwerter zusammengefunden, um den Ausbau erneuerbarer Energieerzeugung in Schwerte voranzutreiben.
Da manche mehr als einen 500-Euro-Anteil gezeichnet haben, hat sich das Genossenschaftskapital zum 1. Januar auf 596.000 Euro summiert. Ergänzt durch einen Kredit, kann damit die 780.000 Euro teure Photovoltaikanlage auf den Karstadthallen samt Pacht an die TWS bezahlt werden. Die Einnahmen sind 20 Jahre lang durch eine festgelegte Einspeisevergütung abgesichert, sodass mit einer Rendite von jährlich drei bis vier Prozent gerechnet werden kann.
Bis Ende Januar ans Netz
„Ohne die Stadtwerke hätten wir es nicht hinbekommen“, dankte Michael Grüll mit Blick auf Stadtwerke-Geschäftsführer Sebastian Kirchmann. Der heimische Versorger zieht jetzt noch die Anschlusskabel vom Gebäude in Richtung Straße, damit die Anlage bis Ende Januar 2025 ans Netz gehen kann.
Im Idealfall könnte der von ihr erzeugte Strom sogar direkt von einem neuen Mieter der Karstadthallen genutzt werden, der derzeit nach dem Auszug der Deutschen Post gesucht wird.

Weitere Genossen willkommen
„Sehr froh“ über das Gelingen des Projekts zeigte sich Bürgermeister Dimitrios Axourgos, der verriet, als Privatmann auch Mitglied der Energie-Genossenschaft zu sein: „Das zeigt, wie gut Schwerte funktioniert.“ Denn man habe nach einem Weg gesucht, wie man die Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende beteiligen könne. Ziel sei es, bis zum Jahre 2030 rund 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen.
„Nicht jeder hat die Möglichkeit, etwas zu tun“, sagte Michael Grüll unter anderem mit Blick auf Mieter, die keinen Zugriff auf Dachflächen hätten. Als Alternative biete sich für sie deshalb die Energie-Genossenschaft an, die sich über den Beitritt weiterer Mitglieder freuen würde. Egal, wie viele 500-Euro-Anteile sie zeichneten, sie hätten alle nur eine Stimme, betonte der stellvertretende Vorsitzende Kurt Ehrke den Gleichheitsgrundsatz.
Nach dem gelungenen ersten Schritt schmieden die Genossen schon die nächsten Pläne. Neben der Sonne soll auch die Windkraft genutzt werden. Ins Visier genommen sind dabei Windkraftanlagen, die der Projektentwickler Abo Energy an der Stadtgrenze zu Iserlohn bauen will.