Rücksichtslose Fahrmanöver vor Schulen Schulleiter über Elterntaxis: „Wird zum Unglück kommen“

Rücksichtlose Fahrmanöver vor Schulen: „Es wird zum Unglück kommen“
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Morgens um 7.30 Uhr ist es am Mittwoch (4.9.) noch ruhig in den Straßen rund um Friedrich-Bährens-Gymnasium (FBG) und Albert-Schweitzer-Schule (ASS). Doch das ändert sich wenige Minuten später: Zwischen 7.40 und 7.45 Uhr ist dort verkehrstechnisch die Hölle los.

Denn am FBG beginnt der Unterricht um 7.50 Uhr. Neben Schülern, die sich in Scharen zu Fuß, radelnd oder auf Rollern dem Schulgebäude nähern, nehmen Elterntaxis aus allen Himmelsrichtungen Kurs auf die Schule. Viele von ihnen biegen von der Ostberger Straße auf die Straße Am Ostentor ab, die auch zum Stadtbad führt.

Meist wird weiter unten gedreht, dann kommen die Wagen die Straße wieder hoch, fahren dort, wo Platz ist, rechts auf den Gehweg, halten und lassen ihre Kinder aussteigen. Besonders beliebt ist dabei offenbar die erste Position direkt an der Ecke Ostberger Straße/Ostentor. Die Szenerie gleicht einer Taxi-Reihe. Der einzige Unterschied: auf den Autos leuchten keine gelben Schilder.

Auf der Wittekindstraße vor der Albert-Schweitzer-Schule in Schwerte fahren Autos dicht an den Schulbussen vorbei.
Auf der Wittekindstraße in Schwerte ist kurz vor dem Schulbeginn an der Albert-Schweitzer-Schule so viel los, dass Schulbusse kaum durchkommen. © Susanne Hoffmann

Kurzsprint notwendig

Sobald sich der Nachwuchs von dannen macht, fährt das Elterntaxi ab. Was gar nicht so leicht ist. Denn wer rechts oder links auf die Ostberger Straße abbiegen will, muss erstmal eine Lücke finden. Der Verkehrsfluss reißt selten ab und macht auch den Schülern das Queren der Straße schwer. Sie müssen aber nicht nur eine Gelegenheit zum Übergang finden, sondern sich mitunter mit einem Kurzsprint vor einem schnell abbiegenden Elterntaxi in Sicherheit bringen.

So nah wie möglich

Ein Beispiel: Ein Junge steht mit seinem Rad an der Kreuzung Ostberger Straße/Am Ostentor und will hinüber. Als sich ein schwarzer SUV nähert und das Tempo verringert, scheint es, als wolle er dem Jungen den Vortritt lassen. Doch Fehlanzeige: Der Fahrer dieses Elterntaxis hatte abgebremst, um kurz nach der Kreuzungseinmündung (direkt vor der Schule) zu halten und seinen Passagier hinauszulassen. Im absoluten Halteverbot.

Szenen wie diese kennt Schulleiter Heiko Klanke leider zur Genüge. Dabei werde an die Eltern, die ihre Kinder zur Schule bringen, appelliert. Sie sollen für das Bringen und Abholen Stellen weiter entfernt von der Schule nutzen, erklärt der Schulleiter. Im Umfeld des Stadtbades zum Beispiel.

Tatsächlich nutzen viele Väter und Mütter am Elterntaxisteuer ruhigere Seitenstraßen, um den Nachwuchs aussteigen zu lassen. Doch viele andere bevorzugen offenbar das Absetzen in nächster Nähe des Schuleingangs.

Wittekindstraße Schwerte
Auf der Wittekindstraße staut sich zu Schulbeginn der Verkehr. Fahrzeuge, die aus der Ostberger Straße kommen, stehen dann teilweise quer auf der Fahrbahn. © Susanne Hoffmann

„Katastrophal“

Davon kann auch Dirk Schnitzler, Schulleiter der benachbarten Albert-Schweitzer-Grundschule, ein Lied singen. Die Eltern würden scheinbar in die Schule fahren wollen. Das führe zu „katastrophalen“ Zuständen vor und nach der Schule.

Appelle, die Kinder nicht mit dem Auto zu bringen, würden verpuffen. Auch das Verhängen von Bußgeldern sei im Kampf gegen die Elterntaxis nicht zielführend. „Es sind einfach zu viele“, sagt Dirk Schnitzler. Ihn ärgert die Unbelehrbarkeit vieler Eltern. Sogar Lehrerinnen würden angegangen, wenn sie Fahrer auf ein Fehlverhalten hinweisen würden. Einmal habe dies sogar schon zu einer Anzeige geführt.

Am besagten Mittwochmorgen findet das Verkehrschaos gegen 7.50 Uhr, zehn Minuten vor dem Schulstart der ASS, seinen Höhepunkt. Die Schulbusse kommen kaum durch. Autos biegen von der Wittekindstraße auf die Röntgenstraße direkt neben den Schulgebäuden ab, um den Nachwuchs abzusetzen. Danach wird der Rückwärtsgang eingelegt. Es folgen Fahrmanöver, die einem angesichts der vielen Kinder, die dort unterwegs sind, den Blutdruck hochtreiben.

Ostberger Straße in Schwerte
Trotz eindeutiger Beschilderung halten Elterntaxis an der Ostberger Straße gegenüber des Friedrich-Bährens-Gymnasiums in Schwerte. © Susanne Hoffmann

„Das war knapp“

„Manche Autos halten auf dem Gehweg oder sogar auf der Kreuzung, um ihre Kinder abzusetzen“, sagt ein Mann, der namentlich nicht genannt werden möchte. Er hat gerade selbst zwei Kinder zu Fuß zur Schule begleitet. Eigentlich könnten diese den Schulweg alleine schaffen, doch angesichts der Elterntaxis und anderer Autofahrer sei ihm das einfach zu gefährlich.

Das habe wenige Minuten zuvor eine Situation an der Kreuzung Wittekindstraße/Bethunestraße gezeigt. Ein Linksabbieger, der noch schnell vor geradeaus laufenden Fußgängern die Kreuzung passieren wollte, habe nur mit einer Vollbremsung verhindern können, in eine Gruppe Kinder und Erwachsen zu fahren. „Das war wirklich knapp“, war der Mann immer noch schockiert.

Dass brenzlige Situationen mit Elterntaxis vor seiner Schule irgendwann böse enden, das fürchtet Dirk Schnitzler nicht nur, sondern er sagt: „Es wird zum Unglück kommen!“ Es sei reine Glückssache, dass noch nichts passiert ist.

Lösungsansätze

Perspektivisch werde sich an der ASS das Verkehrschaos hoffentlich mit dem Neubau und der dann eingerichteten „Kiss and Ride“-Zone legen, wobei es an dieser auch schon Kritik gegeben hatte. Für die Zwischenzeit würde sich Dirk Schnitzler eine temporäre Straßenschließung wünschen.

Damit künftig mehr Elterntaxis stehen bleiben, setzt Heiko Klanke weiterhin auf Aufklärung und die Zusammenarbeit von Elternschaft und Schülervertretung. Und er würde sich mehr Platz für Fahrradstellplätze wünschen. „Wir sind schon jetzt die Schule mit den meisten Radfahrern. Das könnte noch mehr werden, wenn wir die entsprechenden Stellplätze hätten.“

Der FBG-Schulleiter hofft offenbar darauf, dass radfahrende Vorbilder andere dazu motivieren könnten, es ihnen gleichzutun. Und er schöpft Hoffnung aus Geschichten wie dieser: Der Vater eines Fünftklässlers habe sich extra Zeit genommen, um gemeinsam mit seinem Sohn den Schulweg mit dem Bus zu üben - den Hinweg wie den Rückweg.