Ein Jahr später ziehen wir Bilanz mit Andreas Weber, dem zuständigen Förster für Schwerte.
Was haben Sie gemacht am 19. Januar 2018, also am Tag nach dem Sturm Friederike?
Andreas Weber: Wir haben erst einmal die Wege freischneiden lassen. In Schwerte waren hauptsächlich Waldwege betroffen. Um die Straßen hatte sich die Feuerwehr direkt an den ersten Tagen gekümmert. Die waren schnell wieder frei.Dann galt es, den Schaden zu sichten. Was hängt wo und wie viel ist es? Dann gab es unterschiedliche Ansätze: Manche Waldbesitzer haben selbst geguckt, wie viel könnte auf der Fläche gestanden haben. Dann hatten sie eine Einschätzung: Wie viel muss ich dann für den Verkauf an den Markt bereitstellen? Wie lange könnte das Aufarbeiten dauern?
Wie viel hat der Sturm denn umgeknickt?
In Bäumen kann man das nur ganz schwer sagen, aber es war das 3- bis 4-Fache von dem, was man sonst jährlich einschlägt. Auf einmal.
Schwertes Förster Andeas Weber.
© Bernd Paulitschke
Konnte man direkt mit dem Aufräumen beginnen?
Das hing vor allem davon ab, ob Maschinen zu bekommen waren. An vielen Stellen mussten Unternehmen mit dem Harvester ran. Und die hatten volle Terminkalender, weil überall Bäume lagen und weg sollten.Die Aufarbeitung hat also oft erst im Juni, Juli, August stattgefunden - und das in großer Hitze und Trockenheit. Die Arbeiter haben oft schon früh morgens angefangen, um 4 oder 5 Uhr.
Und auch Ihr eigener Förster-Plan für 2018 war am 18. Januar über den Haufen geworfen, oder?
Ja, so ein Sturm sorgt dafür, dass man das ganze Jahr über getrieben ist. Ich habe mich fast das ganze Jahr nur über den Windwurf und über die Käferkalamitäten kümmern können.
Braun statt grün: Durch die Trockenheit wurden die verbliebenen Bäume leichte Beute für den Käfer.
© Bernd Paulitschke
Das heißt: Nach dem Sturm kam der Käfer.
Ab August war es so: Freitags war in vielen Reihen in Ergste und unten an der Autobahn noch alles grün, und montags war der halbe Bestand braun.Die Borkenkäfer fliegen zu den Fichten und versuchen, sich einzunisten. Wenn nur wenige Käfer da sind, klappt das nicht. Die Bäume wehren sich mit Harz. Die Käfer verkleben und sterben, und der Baum ist geschützt. Aber 2018 waren die Bäume geschwächt wegen der Trockenheit. Die Käfer fressen unter der Rinde die Leitungsbahnen auf, und dann stirbt der Baum ab mit der Zeit.
Macht man die Rinde ab, findet man die Käferlarven.
© Bernd Paulitschke
Haben Sie schon Flächen wieder aufgeforstet?
Die erste Pflanzzeit wäre im Herbst gewesen. Aber da war es so trocken, dass ich den Waldbesitzern beraten habe, lieber noch nicht zu pflanzen.Wir haben zurzeit immer noch zu wenig Regen, der Boden ist untendrunter noch zu trocken. Deshalb rate ich dazu: Lieber etwas länger warten mit dem Aufforsten, aber dann lieber ordentlich.Das Problem: Auf manchen Flächen kommt die Brombeere, die sich durch das Licht jetzt gut ausbreiten kann. Aber je eher ich den jungen Baum in den Boden reinstecke, umso eher ist er aus der Brombeere heraus und kann besser wachsen.
Muss der Waldbesitzer überhaupt neue Bäume pflanzen?
Ja, die Waldflächen müssen bleiben. Innerhalb einer gewissen Zeit muss wieder aufgeforstet werden, normalerweise nach zwei Jahren spätestens. Man darf nicht sagen: ‚Ach, es ist eh umgefallen. Jetzt mache ich Wiese daraus.‘ Wenn man eine Fläche umwandeln will, muss man das Doppelte der Fläche wieder aufforsten. Und das ist bei den aktuellen Bodenpreisen eine gewagte Überlegung.
So sahen die Sturmschäden im Januar 2018 aus, hier bei Gut Halstenberg in Ergste.
© Bernd Paulitschke
Was ist mit den ganzen Stämmen? Sie haben mal gesagt: Nadelhölzer werden vor allem im Sauerland gesägt und dort weiterverarbeitet.
Ja, schon. Die heimischen Säger arbeiten auch unter Hochdruck. Aber sie können nicht das ganze Holz aufnehmen. Da ging dann viel in Container für den Export nach Asien. Damit man zumindest etwas für das Holz bekommt. Denn insgesamt ist der Preis bei der Fichte um die Hälfte gesunken.
Stichwort Klimawandel: Wird der Wald von morgen anders aussehen?
Im Zuge des Klimawandels stehen wir vor Veränderungen. Eine Baumart wie die Fichte wird sich irgendwann verabschieden, wenn das so weitergeht, wenn es bis Ende des Jahrhunderts zwei Grad wärmer wird. Dann muss man natürlich gegensteuern und andere Baumarten pflanzen, die klimatoleranter sind. Dann kann man sich angucken: In welchen Regionen ist es jetzt schon zwei Grad wärmer als hier und welche Bäume stehen da? Und dann muss man gucken, ob die Bäume hierher passen.
Dann kann ich die Pinie pflanzen...
...ja, vielleicht. Aber da muss ich mir auch noch meine Gedanken machen, ob man weiter auf heimische Baumarten setzt oder auf klimatolerantere. Schlussendlich entscheidet sowieso der Waldbesitzer, ich kann nur beraten. Und ich würde frühestens im Pensionsalter sehen, ob die Entscheidung von damals die richtige war oder nicht. Und auch dann sind die Bäume noch nicht erntereif. Dann sieht man erst, ob‘s geklappt hat. Das werden dann nachfolgende Generationen beantworten müssen, ob ich Mist gebaut hab oder nicht.
Welches Wetter wünschen Sie sich denn für 2019?
Das sehe ich wahrscheinlich anders als viele anderen: Ich wünsche mir einen richtig nassen Winter mit konstantem Landregen, denn die Böden sind weiter unten einfach noch trocken. Es fehlt nach wie vor noch sehr viel Wasser, damit die Bäume zumindest nicht geschwächt ins Frühjahr gehen. Dass sie also wieder Saft ziehen können und ihre Abwehrkräfte durch Wasser stärken können.
Und für den Sommer?
Ja, eigentlich auch einen nassen Sommer, dass die Bäume, die 2018 gepflanzt worden sind, weiter gut anwachsen und wachsen. Und dass die Bäume einen normalen Sommer erleben können und nicht so einen Stress-Sommer wie letztes Jahr. Oder es darf nachts regnen und tagsüber ist es trocken, das ginge auch noch.
Hatte der trockene Sommer 2018 denn gar keinen Vorteil?
Höchstens für uns zur Aufarbeitung. Wir konnten mit den schweren Maschinen gut arbeiten. Der Boden war sowieso hart und wir haben ihn nicht weiter eingedrückt. Und auch die Wege blieben sauber. Wir hatten keinen Schlamm, nur Staub. Und wir hatten Glück, dass keine Brände aufkamen.