Mannshoch ist die Betonröhre, durch die seit fast 100 Jahren das Abwasser aus Schwerte zur Kläranlage wabert. Derzeit wird sie repariert. Wir zeigen, wie es unter der Stadt aussieht.
Der Geruch auf den Fluren im Altenheim kann die Nase weitaus stärker strapazieren. Vor allem, wenn sich gerade eine Tür zum Fäkalienraum öffnet. Erstaunlich frisch dagegen ist die Luft in der mannshohen Betonröhre, durch die seit fast 100 Jahren das Abwasser aus halb Schwerte dem Klärwerk entgegenwabert. Um die von Säuren angegriffenen Wände des sogenannten Hauptsammlers zu sanieren, ist er derzeit auf einer Strecke von 280 Metern trockengelegt.
Pfützen sind lediglich Grundwasser
Die matschigen Pfützen auf der Sohle, durch die die Stiefel patschen, seinen lediglich Grundwasser, sagen die Arbeiter beruhigend. Ein dicker gelber Schlauch pustet ihnen zudem von oben ständig Frischluft in den Schacht, den lediglich ein paar Halogenstrahler erleuchten.
Das rote provisorische Plastikrohr daneben fängt das Wasser auf, das aus den Duschen, Spülbecken und Toiletten der Häuser herabfällt, die direkt über diesem Kanalabschnitt gebaut sind.
Staudamm stoppt das Abwasser
Alles andere Abwasser, das von der Heide, von Schwerte-Nord und aus Richtung Ostentor heranwabert, wird an der Baugrube an der Hagener Straße – gegenüber der Einfahrt zum Hammer-Einrichtungsmarkt – abgefangen. Mit einer Art Staudamm wird es in dem sieben Meter tiefen Loch gestoppt, an dessen Grund der Kanal freigelegt und aufgeschnitten worden ist. Eine Pumpe befördert die stinkende Kloake in ein dickes Eisenrohr, um sie in den ganz in der Nähe verlaufenden Hoesch-Kanal umzuleiten. Der wurde einmal gebaut, um das Abwasser der Stahlprofil-Fabrik direkt zur Kläranlage fließen zu lassen.
Kopfkino erzeugt andere Bilder
Am anderen Ende der Sanierungsstrecke, auf einem Hof in der Oberen Meischede, ist als Notausstieg ein Kanaldeckel geöffnet worden. Er dient gleichzeitig dazu, einen leichten Durchzug entstehen zu lassen, der die Arbeitsbedingungen in der Schwerter Unterwelt ein wenig angenehmer macht. Zumindest für den Geruchssinn. Die Braunfärbungen an den Wänden erzeugen im Kopfkino andere Bilder.
Wer durch die enge Luke einsteigt, wird wie ein Bergsteiger mit Körpergurt und einem Stahlseil gesichert, das oben an einem Dreibein über eine Rolle läuft und von einem Kollegen gespannt wird. Mit jedem Schritt über die Eisenklammern an der Betonwand hinunter wird es gleichzeitig ein Stück dunkler. Markus Borchert, der Prokurist der Stadtentwässerung (SEG), hat sich schon daran gewöhnt. Regelmäßig muss er – geschützt mit dem weißen Einmal-Ganzkörperanzug, Stiefeln, Helm und gelben Handschuhen – zu der Kolonne unter Tage hinabsteigen, um sich vom Fortschritt der Arbeiten zu überzeugen. Seit dem Start im September wird nicht nur mühsam die Kanalsohle für eine Neuanlage herausgestemmt. Überall sind die Wände auch mit den kurzen sogenannten Injektions-Packern gespickt, durch die ein Spezialmörtel an die Außenseite des Kanals gespritzt wird. Auf diese Weise lassen sich Hohlräume verfüllen, um die 1925 gebaute Röhre zu stabilisieren. Auch innen müssen Stellen, wo der Beton über den Stahlstäben der Armierung weggeplatzt ist, neu verschmiert werden. Zwei Tonnen Spezialzement sind bereits verbraucht.
Acht Monate Bauzeit
„Wir haben acht Monate Bauzeit kalkuliert“, berichtet Borchert. Dazu gehört auch zum Schluss der Maßnahme die Querung der Hagener Straße. Auf der gegenüberliegenden Seite muss eine zweite Baugrube ausgeschachtet werden, um das einen Meter dicke Rohr zu verlegen. Insgesamt wird die SEG 1,1 Millionen Euro investieren. Geld, damit die Schwerter weiterhin unbesorgt den Abzug ihrer Toilettenspülung drücken und den Stöpsel der Badewanne ziehen können.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
