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„Du fetter Hurensohn“: Gute Antworten auf blöde Sprüche
Kinder-Psychotherapeut
In unserer Kolumne gibt uns Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut Dr. Christian Lüdke regelmäßig Tipps rund um das Thema Familie und Kinder. Heute: Wie wehrt man sich bei blöden Sprüchen?
Selbstbewusst und schlagfertig sein – wer möchte das nicht? Und auch meinen Kindern wünsche ich, dass sie sich wehren können, wenn sie auf dem Schulhof oder unterwegs geärgert werden. Doch viele Kinder sind schüchtern. Und manchmal geraten sie in Konflikten durchaus an Kaliber, die es „in sich“ haben.
Unser Experte Dr. Christian Lüdke hat mir erklärt, wie man selbstbewusstes Auftreten lernen kann – und was richtig coole Antworten auf richtig blöde Sprüche sind.
Wie stärke ich das Selbstbewusstsein meines Kindes?
„Wichtig ist, dass Kinder frühzeitig lernen zu streiten. Was bedeutet, dass man seine eigene Meinung vertritt, seinen Standpunkt behauptet und sich auch mal gegen die Meinung von Mama und Papa stellt. Egal wie heftig ein Streit verläuft, am Ende verträgt man sich wieder. Je mehr ein Kind mit dem eigenen Standpunkt respektiert wird, desto selbstsicherer wird es.“
Und wenn mein Sohn partout nicht sein Zimmer aufräumen möchte?
„Kinder müssen lernen, ,Nein‘ zu sagen. Doch es gibt Unterschiede: Ein kleines Nein darf das Kind sagen, wenn die Mama sagt: ,Räum dein Zimmer auf‘ oder ,Iss den Teller leer‘. Hier kann verhandelt werden.“
Wann kommt das große „Nein“?
„Wenn man lieber alleine auf einer Bank sitzen möchte, wenn man einem Fremden keine Schokolade abgeben will oder auch, wenn man keinen Kuss von der Oma empfangen möchte. Hier ist es für Kindergartenkinder und Schüler wichtig, Grenzen zu setzen und laut und deutlich ,Nein‘ zu sagen.“
Wenn mein Kind eher schüchtern ist: Wie kann ich verhindern, dass es zum Beispiel beim Spielen mit Freunden ständig den Kürzeren zieht?
„Ob schüchtern oder extrovertiert: Kinder sollten frühzeitig lernen, ihrem Bauchgefühl zu vertrauen und ein Gespür für Situationen und andere Kinder und Menschen zu bekommen. Grundsätzlich sollte man seinen Kindern nachfolgende Verhaltenstipps am besten in Rollenspielen frühzeitig beibringen:
- Sei aufmerksam
- Tritt selbstbewusst auf
- Trau dich, laut zu werden, wenn es sein muss
- Sieze Erwachsene am besten immer
- Trau dich, andere Menschen gezielt um Hilfe zu bitten, wenn du dich unwohl fühlst
- Wenn du Angst hast, geh immer zu Frauen oder in ein Geschäft hinein.“
Angenommen, es kommt zu Sprüchen oder Pöbeleien: Wie sollte mein Kind reagieren? Wegschauen und weitergehen?
„Wir alle kennen diese blöden Anmachsprüche: ,Was guckst du?‘ Oder andere. Hier ist es wichtig, nicht den Kopf zu senken, auf den Boden zu schauen oder die Straßenseite zu wechseln.“
Was wäre denn die passende Antwort auf einen blöden Spruch?
„Die richtigen Antworten auf dumme Sprüche sind dumme Sprüche! Manchmal genügen zwei sinnlose Silben:
- Ach was
- Potz Blitz
- So so
- Ist klar
Dadurch lässt man den Angreifer ins Leere laufen.“

Gerade stehen, Kopf hoch: Dr. Christian Lüdke weiß, welche Körpersignale in Konfliktsituationen wichtig sind. © Lüdke
Bei richtig harten Sprüchen: Macht es da Sinn, dem Täter auf „gleichem Niveau“ zu antworten?
„Man kann Blech mit Blech beantworten. Grundsätzlich sollte man einen blöden Spruch mit der gleichen Kraft kontern, um dem Sprücheklopfer zu zeigen, dass man keinerlei Angst hat und sich nichts gefallen lässt. Hier einige Ideen:
- ,Du Brillenschlange!‘ Antwort: ‚Brille ja, Schlange nein.‘ Oder: ,Wenn du meinst.‘
- ,Du bist fett!‘ Antwort: ,Stimmt.‘ Oder: ,Danke für den Hinweis.‘
- ,Hurensohn / Hurentochter!‘ Antwort: ,Du musst mich verwechseln. Meine Mutter ist Verkäuferin.‘ Oder: ,Meine Mutter hat halt nichts anderes gelernt.‘
- ,Ich f... deine Mutter!‘ Antwort: ,Das würdest du nicht sagen, wenn du sie kennen würdest.‘ Oder: ,Ich schreib dich auf eine Liste.‘
- ,F... deine Mutter!‘ Antwort: ,Das macht mein Vater.‘ Oder: ,Nein danke. Das möchte ich nicht.‘“
Okay, schlagfertige Antworten können wir jetzt. Was braucht mein Kind noch, wenn es stressig wird?
„Böse Kinder oder böse Erwachsene suchen immer Opfer und keine Gegner. Daher sollten Kinder schon sehr früh sogenannte Antiopfersignale lernen. Sie alle signalisieren dem Gegenüber ganz deutlich: Ich bin Gegner und kein Opfer!“
Damit meinen Sie die Körpersprache?
„Genau. Täter suchen sich oft unsichere Menschen aus, weil sie von diesen weniger Gegenwehr erwarten. Bei unsicheren Menschen stehen die Füße eng zusammen, die Haltung ist gebückt, Schultern und Kopf sind nach vorne gebeugt. Eine Opferhaltung. ,Sprücheaffen‘ muss man hingegen wie Primaten begegnen.
- Gang: Richte den Oberkörper auf, geh gerade, streck die Brust raus. Auch wenn man das so sonst nur im Affenkäfig sieht. Wer den Kopf aufrecht hält und das Kinn leicht anhebt, strahlt Selbstbewusstsein aus.
- Blick: Halte Blickkontakt. Wer den Blick nach unten richtet oder den Kopf senkt, wirkt unsicher. Am besten erwiderst du zuerst den Blick, dann schaust du zur Seite.
- Stimme: Sprich mit lauter Stimme. Schrei, wenn es sein muss. Wer laut ist, demonstriert Stärke.
- Körper : Deinen Arm kannst du wie eine verlängerte Waffe nutzen. Strecke dem Angreifer außer Schlagweite den Finger ins Gesicht und sage energisch ,Stop‘ oder ,lass mich in Ruhe‘, ,geh mir aus dem Weg‘, ,hör auf damit‘.“

Kinder- und Jugendpsychotherapeut Dr. Christian Lüdke weiß: Täter suchen immer Opfer, keine Gegner. © Lüdke
UNSER FAMILIEN-PSYCHOTHERAPEUT
- Dr. Christian Lüdke (61) ist approbierter Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut und Klinischer Hypnotherapeut. Lüdke unterstützt Kinder, Jugendliche, Familien und Paare. TV-Zuschauerinnen und Zuschauer schätzen seit vielen Jahren seine kompetenten Tipps rund um das Thema Familie und Kinder.
- Er ist selbst zweifacher Vater und gibt in unserer Kolumne Tipps zu vielen Fragen rund um Familie und Kinder.
- Lüdke ist erfolgreicher Autor u.a. der Kinderbücher zu Stella & Tom. Sein passendes Buch zum Thema heißt: „Bei Stella und Tom fliegen die Fetzen - Geschichten vom Streiten und Vertragen“.
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