
© Reinhard Schmitz
In der „Bronx von Schwerte“ tut sich was: Furcht vor Rotlicht-Viertel
Oberer Senningsweg
Vor 17 Jahren zog auch der letzte Mieter aus. Seither verfällt die Wohnhauszeile Senningsweg 23 bis 27. Jetzt sind dort Bauzäune und Container aufgestellt, die auf Veränderungen hindeuten.
Bauzäune halten Passanten auf Abstand zu dem bröckelnden Gemäuer, vor dem mehrere voluminöse Müllcontainer aufgefahren sind. Nach jahrzehntelangem Leerstand kommt Bewegung in die verfallende Wohnhauszeile am oberen Senningsweg, die als „Bronx von Schwerte“ unrühmliche Schlagzeilen machte. „Wissen Sie, was sich hier tut?“, fragt eine junge Mutter mit sorgenvollem Blick: „Rotlicht?“ Dieses Schreckgespenst habe unter den Nachbarn die Runde gemacht. Keiner braucht das hier: „Ich habe Kinder.“
Der Schandfleck soll abgerissen werden
Doch derlei Befürchtungen, vielleicht beflügelt von der ähnlichen Heruntergekommenheit mit dem Duisburger Kiez von Krimi-Kommissar Schimanski, sind unbegründet. „Es wird alles abgerissen“, sagt Holger Gies von der Immobilien-Entwicklungsgesellschaft (IEG) Schwerte, in der Stadt, Stadtsparkasse und Stadtwerke zusammenarbeiten. Man sei dort unterwegs, um den Schandfleck zu beseitigen: „Die IEG hat sich des Themas angenommen.“ Weitere Einzelheiten werde das Unternehmen am Donnerstag (4.3.) in einer Pressemitteilung bekanntgeben.

Das Wrack eines VW-Käfers ist hinter den offenstehenden Toren der ehemaligen Klempnerei zu erkennen. © Reinhard Schmitz
Die Diskussion um eine Neugestaltung der Geistergrundstücke Senningsweg 23 bis 27 - nur durch die Eisenbahngleise getrennt von der Gießerei Hundhausen - ist alt. Mindestens in den 1960er- und 1970er-Jahren war hier noch ein ganz normales bürgerliches Altbau-Viertel. In dem ersten Gründerzeithaus, auf der Ecke zum Parkplatz des früheren Scala-Kinos und späteren Aldi-Marktes, residierte ein gutgehender Klempnerei-Betrieb. Büro- und Werkstatttrakt waren auf der Rückseite angebaut. Daran grenzte eine große Obstwiese, die tief hinunter bis zum Garagenhof der Häuser an der Bahnhofstraße reichte.
In der Werkstatt steht das Gerippe eine VW-Käfers
Der Garten ist nur noch ein Wildwuchs mit fast mannhohem Brombeergestrüpp und Unkraut, der Namenszug der Klempnerei auf der Seitenfassade längst überpinselt. Die Gebäude verrotteten, auf dem Balkon wächst bereits eine stattliche Birke. „Alles ist einsturzgefährdet“, warnt Holger Gies. Auch bei den Nachbarhäuser, durch deren Dachgebälk man teilweise schon frei in den Himmel schauen kann.

Müllberge haben ungebetene Gäste in den Hinterhöfen der heruntergekommenen Häuserzeile am Senningsweg hinterlassen. Irgendjemand hat auch einen Kaufland-Einkaufswagen hierhin entführt. © Reinhard Schmitz
Verbretterte Fenster und verbarrikadierte Türen waren ein vergeblicher Schutz gegen Eindringlinge. Von ungebetenen Besuchern zeugen Hinterlassenschaften wie ein Kaufland-Einkaufswagen und unbeschreibliches Gerümpel im Hinterhof. Wie es hinter den Mauern wohl in den Zimmern aussehen und stinken mag, möchte man sich gar nicht vorstellen. Aufgesprühte Wortfetzen wie „Illuminati“ scheinen darauf hinzudeuten, dass zumindest die leerstehenden Werkstatträume mal für irgendwelche Partys herhalten mussten. Daneben schaut aus einem früher verschlossenen Eisentor das blecherne Gerippe eines VW-Käfers heraus. Selbst im Halbdunkel ist unübersehbar, dass das Kultauto schon bessere Zeiten erlebt hat. Das Dach sieht aus wie eindegelllt, Scheiben und Scheinwerfer scheinen zu fehlen. Vielleicht ist die Karosse ein Überbleibsel aus irgendeiner Schrauberwerkstatt, wer weiß.
Ab der Jahrtausendwende - so berichteten Nachbarn - hatte sich der Abstieg des Häuserzeile beschleunigt. In freiwerdende Wohnungen zogen keine Nachmieter mehr ein. 2004 habe der letzte Bewohner das Haus Nr. 27 verlassen.
Der damalige Eigentümer des Komplexes war weit weg. Er lebte in der Schweiz. Und hatte durchaus Pläne, die Situation zu verändern. Es gab aber offenbar Probleme über den bebaubaren Anteil des Grundstücks. Von den 1500 Quadratmetern weiterhin 1200 als Grünfläche zu erhalten, mache doch keinen Sinn, sagte er einmal. Sein Architekt legte sogar Pläne für zwei hintereinander angeordnete Mehrfamilienhäuser mit 14 Wohnheinheiten vor, was bei der Stadt indes auf wenig Gegenliebe stieß. Jetzt darf man gespannt sein, was die IEG auf dem Gelände entwickelt.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
