
© Bundeswehr / PzBrig 21
Taliban übernehmen die Macht in Afghanistan – vor drei Jahren war hier noch eine Schwerte-Flagge
Bundeswehr
Mazar-e Sharif im Norden Afghanistans haben die Taliban bereits vor Tagen unter ihre Kontrolle gebracht. Dort war vor drei Jahren ein Oberfeldwebel aus Schwerte im Einsatz. Aus aktuellem Anlass veröffentlichen wir diesen Text noch einmal.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Text erschien erstmals am 31. Juli 2018 auf ruhrnachrichten.de – also vor knapp drei Jahren. Damals waren noch Bundeswehrsoldaten in Afghanistan stationiert. Unter anderem auch Jonas U., über den dieser Text handelt.
Aufgrund der aktuellen Ereignisse veröffentlichen wir den Text an dieser Stelle noch einmal. Nach dem Abzug der internationalen Truppen sind die Taliban in Afghanistan auf dem Vormarsch. Aktuell sind noch deutsche Soldaten vor Ort in Kabul, um Evakuierungsflüge vorzubereiten (Stand 17.8.2021).
Geschichte aus dem Juli 2018:
Alles begann bei Foto Jochheim an der Friedensstraße in Schwerte. Da kaufte Jonas U.* im Winter die rot-weiße Flagge mit den gekreuzten Schwertern, die Fahne seiner Heimatstadt an der Ruhr. Bald sollte es für den Oberfeldwebel nach Mazar-e Sharif gehen – zum ersten Auslandseinsatz.
Auf einen anderen Kontinent also, in eine karge bergige Region, in ein Land, das seit Jahrzehnten keinen dauerhaften Frieden findet und in dem Soldaten aus westlichen Ländern nie wissen können, ob nicht doch irgendwo ein Attentäter lauert, ob nicht doch irgendwo neue Gefahr droht.
Ein Stück Heimat tut gut. Jonas U. ist nicht der einzige Bundeswehr-Soldat, der das so sieht. „Es ist schon üblich, sich einen Talisman mit in den Einsatz zu nehmen“, sagt der Schwerter. Das könne das selbst mitgebrachte Kissen sein, die eigene Bettwäsche oder der Klassiker: das Foto der Liebsten von zu Hause.
Das habe sich auch im digitalen Zeitalter nicht geändert. „Ausgedruckte Fotos schaut man sich einfach viel öfter an als die digitalen, die man zum Beispiel auf dem Smartphone hat“, sagt U.
Viel sei nicht darüber gesprochen worden in der Truppe. „Aber ich bin mir sicher, dass die meisten der Kameraden etwas Vergleichbares im Gepäck hatten.“
Schwerte-Flagge ist 1 mal 1,50 Meter groß
Vier bis sechs Monate dauert ein Auslandseinsatz im Regelfall. Jonas U. etwa war für etwa vier Monate in Afghanistan. In einer ruhigen Minute befestigte er dann die rund 1 mal 1,50 Meter große Flagge am tarnfarbenen Fahrzeug, hielt die andere Seite fest und ließ sich fotografieren für einen Gruß aus Afghanistan nach Schwerte. „Alle meine Kameraden fanden es klasse, dass ich ein Stück meiner Heimat mitgenommen habe“, sagt Jonas U.
Der digitale Weg des Flaggen-Fotos zurück nach Schwerte dauerte übrigens nur wenige Sekunden. Die Bundeswehr stattet ihre Soldaten mit „Connect D“ aus, einem Internetzugang über WLAN. So könne der Kontakt nach Hause gehalten werden. Denn persönlich nach Hause darf der Soldat nur in Ausnahmefällen – etwa, wenn enge Angehörige sterben. Und selbst das nur, wenn „der Soldat dienstlich abkömmlich ist“.
Klassische Feldpost gibt es immer noch
Bleibt die Nähe zur Heimat über Smartphone und Computer. Oder über den klassischen Weg, so U.: „Natürlich gibt es immer noch die klassische Feldpost, über die Bestellungen oder Pakete von zu Hause den Weg in den Einsatz finden.“
Dass die Schwerte-Flagge demnächst wieder in ein fremdes Land reist, ist übrigens wahrscheinlich. Jonas U., der mittlerweile wieder in seiner Kaserne in Deutschland ist, schätzt: „In Anbetracht der aktuellen Einsatzlage der Bundeswehr wird das sicher nicht mein letzter Einsatz gewesen sein.“
*„Zum Schutz der Privatsphäre unserer Soldatinnen und Soldaten“ bittet die Bundeswehr um Abkürzung des Nachnamens. Dem sind wir in diesem Fall nachgekommen.
Jahrgang 1977 - wie Punkrock. Gebürtiger Sauerländer. Geborener Dortmunder. Unterm Strich also Westfale.
