Irmgard Fulfs (90) sitzt in ihrem Gartenstuhl und blickt auf den Oleanderbusch, den sie gerade erfolgreich durch den Winter gebracht hat. Inzwischen steht er wieder draußen. „Bald fängt er an zu blühen, das sieht dann immer richtig schön aus“, sagt sie und freut sich.
Dass die 90-jährige Westhofenerin noch da ist, ihren Oleander und den beginnenden Frühling genießen kann – das ist ihr in jeder Minute bewusst. Mit 90 Jahren sei es ohnehin so, dass man sich da häufig Gedanken mache, sagt sie. Doch seitdem sie vor genau fünf Jahren am Coronavirus erkrankte, ist ihr klar: Sie hat Glück, noch am Leben zu sein.

Zusammenbruch
Im März 2021 hatten wir uns zum ersten Mal mit Irmgard Fulfs getroffen – damals war ihre Erkrankung genau ein Jahr her. Auf einer Familienfeier in Lünen hatte sie sich Anfang 2020 bei ihrer Großcousine angesteckt. „Wir hatten uns alle auf die Feier gefreut, und dass es mit Corona so schlimm war, wusste zu dem Zeitpunkt auch noch niemand.“ Nur wenige Tage nach der fröhlichen Feier ihres Bruders brach sie am 20. März in ihrer Wohnung zusammen. Dabei schlug sie sich den Kopf an der Heizung auf.
Irmgard Fulfs schaffte es, selbst den Notarzt zu verständigen. Zunächst versorgte man nur ihre Platzwunde – dann stellte sich heraus, dass sie an Covid-19 erkrankt war. Vier Wochen lag sie im Schwerter Marienkrankenhaus. Irmgard Fulfs ging es sehr schlecht; zwischenzeitlich sollte sie sogar beamtet werden. „Ich habe es aber so geschafft“, sagt sie.
Ihre Großcousine, bei der sie sich infiziert hatte, schaffte es nicht. Sie starb an den Folgen des Coronavirus. „Darüber bin ich sehr traurig. Als wir Kinder waren, habe ich immer auf sie aufgepasst“, erzählt die 90-Jährige. „Was passiert ist, war wirklich schlimm. Eine ganz schlimme Zeit.“
Auch als Irmgard Fulfs wieder nach Hause kam, kämpfte sie mit den Folgen. Sie ist Witwe; ihr Mann war bereits Jahre zuvor gestorben. Kinder und Enkelkinder hätten sich rührend gekümmert. „Aber seitdem bleibt mir einfach immer sehr schnell die Puste weg.“ Anfangs brauchte sie sogar ein Sauerstoffgerät. Mittlerweile geht es ohne.
Wieder unbeschwerter
Heute freut sich die Schwerterin darüber, dass sie sich wieder unbeschwert mit der Familie, Nachbarinnen und Bekannten treffen kann. „Auch wenn viele meiner Freundinnen nicht mehr da sind“, bedauert sie. Erst kürzlich sei eine gute Nachbarin gestorben. „Es ist schwer, darüber zu reden“, sagt sie.
Doch Irmgard Fulfs schaut nach vorn. Jetzt freut sie sich auf ihren 91. Geburtstag im April. Dann soll es eine große Feier geben, mit Kindern, Enkeln und Urenkeln. Und auch ihr großer Wunsch, den sie unmittelbar nach ihrer Corona-Erkrankung hatte, hat sich inzwischen erfüllt: ein kleiner Urlaub mit der Familie am Meer.
