Vom Einkaufsmagneten zum „Geisterhaus“ Nach dem Coop-Ende ging es mit dem City-Center bergab

Nach dem Coop-Ende ging es mit dem City-Center bergab
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40.000 Artikel lockten auf 5.550 Quadratmetern: So ein Warenhaus-Angebot wie im neuen Coop-Center hatten die Schwerterinnen und Schwerter in ihrer Stadt noch nie erlebt. In den Passagen drumherum lockte ein bunter Einkaufsmix aus Boutiquen und Schuhgeschäft, Turbotex-Reinigung, Augenoptiker, Eiscafé und sogar einer Markt-Apotheke. Und darüber eine Etage mit dem städtischen Giebelsaal, der Kleinkunst, Theater und auch dem Kino eine Bühne vor meist vollbesetzten Rängen bot.

Wer danach noch nicht nach Hause wollte, der konnte nebenan noch auf ein Bierchen im Papperla-Pub einkehren. Das alles vereinte – heute nicht mehr viel als eine schöne Erinnerung – in den besten Zeiten das City-Centrum unter seinen Dächern. Als Einkaufsmagnet belebte es sogar die kleine Mährstraße, die den kürzesten Weg von der Post hinunter zum Haupteingang bildete.

Gegenpol zur „grünen Wiese“

Mit einer Art Volksfest war das City-Center am 27. Oktober 1981 eröffnet worden. Geschützt von Regenschirmen, wartete eine neugierige Menschenmenge darauf, dass der damalige Bürgermeister Werner Steinem (SPD) um kurz nach 9 Uhr das weiße Band zerschnitt, das den Weg in die Ladenpassagen freigeben sollte. Das 36-Millionen-DM-Projekt steigere Schwertes Attraktivität, jubelte NRW-Minister für Bundesangelegenheiten, Dr. Dieter Haak. Er lobte es als Gegenbewegung zum Supermarkt-Boom auf der grünen Wiese, der die Innenstädte veröden lasse.

Die Frischfleischabteilung im Coop-Center Schwerter bei der Eröffnung.
Auch der damalige Bürgermeister Werner Steinem (vorne r.) ließ es sich nicht nehmen, am Eröffnungstag des City-Centrums eine Runde durch das neue Coop-Center zu drehen, wo im Untergeschoss sogar eine große Frischfleischabteilung lockte. © Oskar Neubauer (A)

Allerdings: Um das Mammut-Vorhaben zu verwirklichen, hatten weite Teil der historischen Altstadt weichen müssen. Nicht nur traditionsreiche Gebäude rings um den Markt wie das Kotte-Haus, die Bäckerei Keßler oder die Kneipe Zur Glocke wurden platt gemacht. Auch entlang der Hagener und Westenstraße verschwanden ganze Häuserzeilen für die riesige Baugrube.

Mit politischer Rückendeckung. Denn das Land NRW förderte diese sogenannte „Altstadtsanierung“ mit einem Zuschuss von 7,4 Millionen Mark für den Grunderwerb und die Entschädigung der Eigentümer. Natürlich hatte auch der Stadtrat den Plänen seinen Segen gegeben und sich dabei gegen ein zunächst angedachtes Hertie-Kaufhaus mit Dachgarage entschieden.

Blick auf den Markplatz in Schwerte während der Altstadtsanierung in den 1970er-Jahren.
Unter dem schönen Stichwort „Altstadtsanierung“ begann in den 1970er-Jahren der Kahlschlag rund um den Marktplatz, mit dem der Bau des City-Centers vorbereitet wurde. © Archiv

Planung und Bau des City-Centers liefen unter Federführung der Firma RI Wohnungsbau des Unternehmers Michael Schröer, der im vergangenen Jahr 2024 gestorben ist. Für noch mehr Betriebsamkeit in dem Komplex sollten – neben dem Veranstaltungssaal – weitere Einrichtungen der Stadt sorgen: Die Volkshochschule erhielt 842 Quadratmeter, die Stadtbücherei zog aus dem Rathauskeller ebenfalls in großzügige Räumlichkeiten um. Schmökerfans wurden hier an 30 Stunden in der Woche bedient – bei kostenloser Ausleihe.

Auf dem Marktplatz Schwerte werden Fachwerkhäuser abgerissen.
Auf dem Marktplatz wurde 1975 auch das alte Stammhaus der Händler-Familie Kotte abgerissen. © Oskar Neubauer (A)

Coop-Center zieht Kunden an

Anziehungskraft hatte das Objekt aber vor allem durch das Coop-Center, das sich zum umsatzstärksten Markt der ganzen Konsumgenossenschaft Dortmund entwickelte. 155 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmerten sich um die Kundinnen und Kunden – davon alleine 33 im Frischwarenbereich.

Von Haushaltswaren über Mode und Elektroartikel bis hin zu teuren Nikon-Kameras gab es (fast) alles, was das Herz begehrte. Komplettiert durch die große Lebensmittelabteilung mit Wurst- und Käsetheke sowie einem Getränkemarkt im „Basement“ genannten Untergeschoss. Alles ließ sich ganz bequem mit dem Einkaufswagen in die angrenzende Tiefgarage unter dem Marktplatz schieben.

Andrang an der Umtauschkasse des Coop-Centers Schwerte.
Riesenandrang herrschte nach Weihnachten 1984 an der Umtauschkasse des Coop-Centers im Untergeschoss des City-Centers. © Reinhard Schmitz (A)

Wie sehr das Wohl und Wehe des City-Centers von diesem einen Ankermieter abhing, zeigte sich, als die Konsumgenossenschaft Dortmund in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet und im Januar 1998 die Hiobsbotschaft verkündete, ihr Einzelhandelsgeschäft aufzugeben. Der Geschäftsbetrieb sollte nur bis Dezember 1998 aufrechterhalten bleiben, um die Gesellschaft anschließend aufzulösen.

Der Griff eines Einkaufswagen mit dem Emblem von Coop Dortmund.
Es war einmal: In den Kammern der Stadtbücherei hatte noch lange ein Einkaufswagen des 1998 geschlossenen Coop-Centers überlebt. © Reinhard Schmitz (A)

Während kleinere Coop-Märkte, beispielsweise in Westhofen oder Holzen, von Supermarkt-Ketten wie Edeka übernommen wurden, blieb die Suche nach einem Nachmieter für das Coop-Center im City-Center erfolglos. Dessen Flächen gehörten seit 1990 der Unternehmensgruppe Hahn aus Bergisch-Gladbach. Der Vertrag mit der Konsumgenossenschaft wurde gegen eine Abfindung in Höhe einer Jahresmiete zum Jahresende 1998 aufgelöst. In den riesigen Verkaufsflächen, die das Erdgeschoss des Einkaufstempels beherrschen, wurde es dunkel.

Kritik an „Festungscharakter“

Versuche der Hahn AG, im City-Center ein neues SB-Warenhaus zu etablieren, scheiterten. Von allen in Deutschland aktiven Betreibern hagelte es Absagen, weil der Standort mit seiner zweigeschossigen Konzeption nicht mehr zeitgemäß sei. Außerdem stehe das Objekt verkehrt herum: Wegen seiner Hauptöffnung zum Markt hin sei es von den großen Verkehrswegen aus nicht genügend sichtbar. Die Rede war jetzt sogar von einem Baustil mit „Festungscharakter“.

Große Pläne von einer „Mall“

Im Jahr 2000 scheiterten auch ein Fachmarktkonzept und die Idee von einem Kulturkaufhaus mit Büchern, Medien und Galerien. Deshalb wurde im Folgejahr eine neue Konzeption mit einem neuen Haupteingang zum Wilhelmsplatz und dem Durchbruch einer „Mall“ im Erdgeschoss vorgestellt. Größere Schaufensterfronten sollten die Betonwände zur Hagener Straße beleben. Doch die großen Pläne kamen über das Stadium von Gedankenspielen kaum heraus.

Zweite Ausfahrt für Tiefgarage

Im April 2002 vermeldete Hahn dem damaligen Bürgermeister Heinrich Böckelühr (CDU), dass mit Kaiser’s Tengelmann ein Mietinteressent für das Untergeschoss gefunden sei. Der aber habe zwei große Wünsche: Eine zweite Tiefgaragenausfahrt von der Westenstraße aus und keine Genehmigung für einen Lebensmittelmarkt am Bahnhofsvorplatz, der inzwischen zum Konkurrenzprojekt geworden war.

Konkurrenz am Bahnhof gebaut

Dessen Bau konnte auch jahrelanger Gegenwind durch die Hahn-Gruppe letztlich nicht verhindern. Die schwenkte aber urplötzlich um, als Aldi und Rewe 2015 in dem neuen Einkaufzentrum an der Margot-Röttger-Rath-Straße eröffnet hatten. Für 12 Millionen Euro – so hieß es damals – kaufte Hahn die Immobilie am Bahnhof und stieß das City-Centrum zwei Jahre später an eine Firma eines Düsseldorfer Immobilieninvestors ab.

Blick in die ehemaligen Coop-Räume im City-Centrum Schwerte mit Woolworth und Tedi.
Die einzige Rolltreppe von Schwerte führt hinab zum Woolworth-Warenhaus, das nach dem Auszug von Tedi als einziges Geschäft in den ehemaligen Coop-Räumen im City-Centrum geblieben ist. © Reinhard Schmitz (A)

Inzwischen war es gelungen, wieder Leben ins City-Center zu bringen. Im Dezember 2004 eröffnete der Textil-Discounter KiK („Kunde ist König“) auf 920 Quadratmetern der ehemaligen Coop-Fläche. Er brachte mit Tedi gleich eine Tochter seines Unternehmens mit, die nebenan auf 405 Quadratmetern „Top Trends für wenig Cents“ präsentierte.

Die Gastronomin Sivita Karakus zeigt ein Varieté-Plakat in den leerstehenden Verkaufsflächen des Centershops in Schwerte.
Nach dem Auszug des Centershops wurden dessen Verkaufsflächen von der Gastronomin Sivita Karakus kurzzeitig als eine Art „Pop-up-Varieté“ genutzt. © Reinhard Schmitz (A)

Auch wenn die Grünen anfangs wetterten, „dass sich dort Billig-Anbieter breit machen“, was dem Einzelhandelskonzept schade: Die Angebote wurden von den Schwertern gut angenommen und 2007 durch den Allround-Discounter Centershop ergänzt, der die restlichen 1.000 Quadratmeter im Erdgeschoss mit Lebensmitteln, Textilien, Haushaltswaren und anderen Sonderposten füllte. Im Juli 2011 wurden auch die 1.200 Quadratmeter im Untergeschoss wieder belebt, als die Kaufhauskette Woolworth nach Schwerte kam.

Ein Plakat im City-Centrum Schwerte kündigt die Schließung der KiK-Filiale an.
Der Textil-Discounter KiK kündigte im Sommer 2023 die Schließung seiner Filiale im City-Centrum an. © Reinhard Schmitz

Doch von langer Dauer sollte die Vollbelegung nicht bleiben. Im Februar 2015 zog sich der Centershop bereits wieder zurück, KiK stricht im Juni 2023 die Segel. Und zum Jahresende 2024 ließ auch Tedi im City-Centrum die Lichter ausgehen, nachdem man anderthalb Jahre zuvor einen zweiten Innenstadt-Standort am Cavaplatz eröffnet hatte. Die gesamte Erdgeschossfläche des ehemaligen Coop ist wieder verwaist. Eine Etage tiefer hält Woolworth im „Basement“ allein auf weiter Flur die Fahne hoch.

Viele Miteigentümer im Boot

Weitere Leerstände wie die frühere Spielhalle oder das ehemalige Sonnenstudio verstärken den Eindruck einer Art „Geisterhaus“ am neugestalteten Markt. In den Passagen geben Ladenbesitzerinnen und -besitzer unterdessen durch Investitionen zu erkennen, dass sie an ihr City-Centrum glauben.

Auch wenn viele Versprechungen mit großen Namen wie H&M, von einem Biokaufhaus oder einem Modellbau-Center stets Luftblasen geblieben sind, dürfen die Schwerter ihre Hoffnung nicht aufgeben. Einfach wieder abreißen wie der frühere Karstadt in Iserlohn – wie manche es insgeheim wünschen – ließe sich das City-Centrum sowieso nicht.

Dafür scheint allein die Eigentümerstruktur viel zu kompliziert. Neben dem Hauptinvestor sitzen unter anderem die Stadt Schwerte und etliche Ladenbesitzer mit im Boot – nicht zu vergessen die Eigentumswohnungen unter den Dächern.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 6. Januar 2025.