Hunderttausende haben in Deutschland gegen den AfD-Kurs der CDU demonstriert. Bundeskanzler Scholz (SPD) warnt, man könne CDU-Chef Merz nicht trauen, seit er im Bundestag einen Migrationsantrag mit den Stimmen der Rechtspopulisten durchbrachte. Merz rechtfertigte sich, eine richtige Entscheidung werde nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen.
Wenige Tage nach dem sogenannten Tabubruch führte an dem kontroversen Thema kein Weg vorbei, als HA-Chefredakteur Matthias Langrock und Kreisredakteur Marcus Land am Montagabend (3.2.) in der Wahlarena der Redaktion sechs Bundestagskandidaten zur Diskussion begrüßten.
Nach einer Quizrunde, bei der die Kandidaten ihr Wissen über den Kreis Unna beweisen mussten, eröffnete Langrock den politischen Teil der Talkrunde im Saal der Volksbank Unna.
Die Bundestagsabgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) und Michael Sacher (Grüne) wurden gefragt, warum sie dem Gesetz zur Begrenzung der Migration nicht zugestimmt haben. Kaczmarek kritisierte einen „Schnellschuss“ durch die CDU im Bundestag, statt eine gemeinsame Lösung zu finden. „Mir ist nicht klar geworden, warum wir nicht unter den Demokraten in der Mitte weiter verhandelt haben.“ Er habe sich daran gestört, dass „notfalls mit einer rechtsextremen Partei Mehrheiten gesucht werden“.
Sacher (Grüne) betonte, Migration könne nur europäisch gelöst werden. „Wenn man die Grenzschließung durchzieht, wird das eine Katastrophe werden.“ Es sei für ihn keine Art der Politik, kompromisslos in ein Gespräch zu gehen. „Wenn ihr nicht mitmacht, sind wir die Doofen.“
Tilman Rademacher (CDU) widersprach Kaczmarek. Um einen Schnellschuss habe es sich nicht gehandelt. „Wir behandeln das Thema schon seit zwei, drei Jahren.“ Bürgermeister würden von Überlastung in den Kommunen sprechen, „in der schieren Masse haben wir eine strukturelle Überlastung im Sicherheitsapparat“. Rademacher räumte ein: Man hätte das diplomatischer auf die Tagesordnung bringen können.
Benjamin Lehmkühler (FDP) sieht ebenfalls keinen Schnellschuss. „Die Probleme sind nicht seit Magdeburg und Aschaffenburg bekannt.“ Er könne Friedrich Merz verstehen, wenn er sage: Es reicht. Lehmkühler: „Wir schaffen das nicht mit Demos gegen Rechts“, sondern man müsse die Gesetze ausführen, die „uns der Gesetzgeber zur Hand gegeben“ hat.
Friederike Hagelstein (AfD) warf der CDU vor, dass es ihr an Ernsthaftigkeit beim Thema Migration mangele. Den anderen Parteien gehe es nur darum, „die Brandmauer aufrecht zu erhalten“ und nicht darum, „die Wende in der Migration zu schaffen“.
Oliver Schröder (Linke) sprach sich für Integration ab dem ersten Tag aus. „Warum verweigern wir den Leuten Integrationskurse, Sprachkurse und das Recht zu arbeiten? Wenn ich nichts machen darf, dann komme ich auf doofe Gedanken.“
Leugnung des menschengemachten Klimawandels
Mehr als 100 Zuschauer verfolgten die Diskussion, die per Livestream online übertragen wurde, vor Ort und spendeten den Kandidaten mehr oder weniger Applaus. Die einzige Kandidatin, die dabei mehrfach Buh-Rufe erntete, war Hagelstein (AfD).
Beim Thema Klimaschutz beteuerte sie zwar, dass die AfD doch keinen Abriss von Windrädern plant, aber die „Energiewende beenden“ will. Und das auch mit der Behauptung, dass es keinen menschengemachten Klimawandel gebe. Für diese Leugnung wissenschaftlicher Tatsachen gab es Buh-Rufe aus dem Publikum.
Sacher (Grüne) musste sich von Moderator Marcus Land eine nicht so technologieoffene Klimapolitik wie etwa der FDP vorhalten lassen. „Wenn morgen einer ein Auto entwickelt, das mit Trinkwasser fährt, wäre ich sofort dabei“, konterte Sacher. Grüner Wasserstoff werde sich für Pkw nicht rentieren.
Kaczmarek (SPD) warf CDU und AfD vor, auf Atomkraft zu setzen – eine „Dinosaurier-Technologie“. Dabei finde sich in Deutschland niemand, der überhaupt ein Atomkraftwerk bauen wolle. Das wollte Rademacher so nicht stehen lassen. „Wir haben den Kernkraftausstieg beschlossen, aber was wir beschlossen haben, halte ich für falsch.“ Der CDU-Kandidat sprach von Brückentechnologien, zum Beispiel Erdgas bei der Produktion von „grünem Stahl“.
Teilweise heftigen Widerspruch bekam Lehmkühler (FDP), als er die Atomkraft gegen Kaczmareks Dinosaurier-Etikett verteidigte. „Wenn man Co2-neutral als Land werden will, kommt man an Atomstrom nicht vorbei.“ Die Welt setze auf Atomstrom, aber in Deutschland werde ideologiebetriebene Politik betrieben, so Lehmkühler.
Auch Leserfragen kommen zum Zug
Bereits vor der Podiumsdiskussion waren Leserinnen und Leser aufgerufen, Fragen an die Kandidaten einzureichen. Warum das Dublin-Abkommen in der Asylpolitik nicht konsequent angewendet oder warum nicht genug gegen Wirtschaftskriminalität getan worden sei – diese und weitere Fragen reichte Chefredakteur Matthias Langrock an die Kandidaten weiter. Für Erheiterung sorgte die Frage, was getan werden kann, damit Bauarbeiten in Deutschland schneller vollendet werden.
Tempolimit von 130 km/h auf der Autobahn
In lockerer Atmosphäre ging es weiter, als die Kandidaten ihre Lieblingsorte im Kreis Unna nennen sollten. Kaczmarek hält sich gern im Kleingarten in Bergkamen auf, Sacher zieht es zum Gut Opherdicke, Lehmkühler ist gerne auf dem Sportplatz, Rademacher und Hagelstein mögen den Marktplatz Unna, und Schröder findet jede Ecke schön – Hauptsache, sein Hund fühlt sich dort wohl.
Weitere Diskussionspunkte waren unter anderem der Bürokratieabbau durch Digitalisierung und die finanzielle Entlastung der Kommunen. Beim Tempolimit von 130 km/h auf den Autobahnen und bei der Senkung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre reichte – auch mit Blick auf die fortgeschrittene Zeit des Abends – ein Handzeichen der Kandidaten: SPD, Grüne und Linke sind für die Geschwindigkeitsbegrenzung. Die Strafmündigkeit will nur die AfD derart senken.
Der neue Bundestag wird am 23. Februar gewählt. Außer den sechs Kandidaten, die bei der Wahlarena dabei waren, kandidieren im Wahlkreis Unna I noch Lea Emler (Volt) aus Fröndenberg sowie Sebastian Rühling (Bündnis Deutschland) aus Schwerte.
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Das sind die sechs Kandidaten bei der Wahlarena





