Das rote Stadtoberhaupt ließ die Muskeln spielen gegen den schwarzen Bundeskanzler. Für bundesweite Schlagzeilen sorgte der „Treppenwitz von Schwerte“ im Bundestagswahlkampf vor 60 Jahren.
Mit allen Tricks versuchten die Schwerter Sozialdemokraten, den damaligen Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU) an einer Rede vor dem Rathaus zu hindern.
Politischer Winkelzug
Wie an vielen Orten üblich, wollte Erhard von der Rathaustreppe zu seinem Wählervolk sprechen. Doch diesem Wunsch erteilten der damalige SPD-Bürgermeister Kurt Tillmann und sein Parteigenosse Gebhard Oeser per Dringlichkeitsbeschluss eine Abfuhr.
Einen letzten Versuch der CDU, diese Entscheidung durch den Stadtrat wieder aufheben zu lassen, verhinderte ein politischer Winkelzug: Die SPD-Fraktion erschien einfach nicht zu der eilig einberufenen Sondersitzung und machte diese beschlussunfähig.

Ludwig Erhard sprach trotzdem am 22. August 1965 vor dem Rathaus. Ein Lkw-Anhänger des Schwerter Herstellers Meierling ersetzte als Bühne das Treppenpodest.
Auf dem rappelvollen Platz bejubelten 8.000 Zuhörerinnen und Zuhörer seinen Konter in Richtung SPD: „Mehr Menschen als jetzt hier sind, hätten auch nicht Platz gefunden, wenn ich auf der Rathaustreppe gestanden hätte.“ SPD-Spitzenkandidat Willy Brandt trat fünf Tage später im Freischütz auf. Bei der Wahl am 19. September 1965 unterlag er dem amtierenden Kanzler Erhard.