Karin Störmer sitzt an ihrem Computer und hat gerade ihren nächsten Brief fertig geschrieben. Vier Seiten ist er lang und mit vielen Bildern gefüllt. „Ich war mit meiner Freundin auf Schloss Opherdicke und wir haben und im Sonnenschein auf der Terrasse des Cafés eine Schokolade mit Sahne gegönnt, das musste sein“, tippt sie und fügt Bilder vom Ausflug hinzu. Auch dieser Brief geht wieder an das Seniorenheim „Haus am Stadtpark“ in Schwerte. Er ist allerdings an keine einzelne Person adressiert, sondern an alle Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenheims. Karin Störmer ist die „Brieftaube“ im Haus am Stadtpark. Sie hält ihre Erlebnisse und Erfahrungen für die Senioren fest und schreibt ihnen ein- bis zweimal im Monat. Karin ist die einzige, die an das Haus am Stadtpark schreibt.

Eine „Brieftaube“ fürs Seniorenheim
Im März 2021 hat sie vom Briefprogramm erfahren. „Ich habe zum ersten Mal davon bei der Börse gehört“, erzählt die Schwerterin. Am Freiwilligenzentrum in Schwerte wurden Interessierte gebeten, sich für das Programm „Brieftaube“ anzumelden. Das Programm wurde ins Leben gerufen, um besonders in Zeiten von Corona der älteren Bevölkerung Kontaktmöglichkeiten mit anderen Menschen zu geben.
Karin Störmer ließ sich kurzerhand eintragen. Nicht, weil es ihr an Freunden mangele, stellt sie klar. „Ich habe es einfach gemacht, weil ich schon immer viel Spaß am Schreiben hatte. Meine Lehrerin hatte meine Aufsätze immer gehasst, weil sie viel zu lang waren“, fügt sie mit einem Lachen hinzu. Schließlich wurde sie dem Haus am Stadtpark zugelost.
„Die Leute werden solche Geschichten wahrscheinlich nicht mehr selbst erleben. Deshalb möchte ich ihnen möglichst viele meiner Geschichten erzählen.“ Ihr nächster Brief wird von einem Besuch auf dem Klostermarkt Dalheim handeln. „Mich hat besonders überrascht, wie viel Alkohol es vor Ort gab“, erzählt sie lachend.
Nicht anders als Brieffreunde
Die Bewohnerinnen und Bewohner im Haus am Stadtpark freuen sich immer wieder über einen neuen Brief von Karin Störmer. Lang sind die Briefe jedes Mal, bis zu sechs Seiten tippt sie an ihrem Computer. Die ersten Briefe hatte sie noch per Hand geschrieben. „Dann habe ich irgendwann begonnen, auf meinem Computer zu tippen, damit meine Briefe auch leserlich sind.“ Später kamen noch Bilder hinzu, die sie entweder direkt in den Text einfügt oder separat mitschickt. „Denn die Bewohner im Seniorenheim freuen sich immer, wenn sie die Fotos herumreichen können“, sagt sie.
Natürlich hat sich ihr schon einmal die Frage gestellt, ob ihre Geschichte überhaupt interessant genug für andere sind. Allzu viele Gedanken mache sie sich heutzutage nicht mehr darum. „Ich hatte bereits Brieffreund in England und Indien. Im Grunde es genau das gleiche, denn ich hatte damals auch keine Ahnung, ob die meine Geschichten hören wollten.“ Der einzige Unterschied bestehe darin, dass sie keine Antworten auf ihre Briefe bekomme. Das sei jedoch nicht weiter schlimm, versichert sie.
Senioren bekommen nicht oft Post
Michaela Kops arbeitet im Haus am Stadtpark und gibt Karin Störmers Briefe an die Bewohnerinnen und Bewohner weiter. „Wir sind wirklich froh, dass Frau Störmer uns seit drei Jahren ihre Briefe schickt“, sagt sie. „Manche unserer Bewohner haben niemanden mehr. Das sieht man am besten an den Feiertagen.“ Sie beschreibt, wie es an Ostern oder Weihnachten zugehen kann. „Man sieht besonders in diesen Zeiten, wer noch Freunde und Familie hat und wer nicht.“ Das sei oft nicht leicht mitanzusehen. Deshalb sei sie so dankbar, dass Karin Störmer das Haus am Stadtpark regelmäßig mit einem Brief beliefert.
Karin Störmer war nicht immer die einzige Brieftaube im Haus am Stadtpark, verrät Michaela Kops. „Es gab einige, die für kurze Zeit Briefe geschrieben hatten. Aber nach drei oder vier Briefen kam von niemandem mehr etwas.“ Gründe dafür könnte es viele geben, so die Mitarbeiterin. „Es kann darin liegen, dass wir keine Antworten schreiben können. Dann können manche Brieftaube einfach die Lust verlieren. Wir würden uns natürlich sehr freuen, wenn wir wieder ein paar fleißige Brieftauben für unsere Bewohner fänden“, sagt Michaela Kops.
Vergangenen Winter konnten die Bewohnerinnen und Bewohner sie dann auch endlich persönlich kennenlernen. Bei einem gemeinsamen Nachmittag im Dezember trafen sie sich und Karin Störmer konnte ihren Brieffreunden Fotos von einem Zoobesuch zeigen. „Das Kennenlernen war wirklich lustig“, erzählt Karin Störmer. Die Bewohnerinnen hätten sich unglaublich gefreut, ihre Brieffreundin endlich persönlich zu treffen. „Wir hätten uns noch stundenlang unterhalten können.“
„Man sollte Spaß daran haben“
Was kann Karin Störmer anderen Schwerterinnen und Schwertern weitergeben, die vielleicht auch Briefe an Seniorenheime schreiben wollen? „Man sollte Spaß an der Sache haben“, so die Schwerterin. „Und wer Briefe schreiben möchte, sollte es regelmäßig machen. Man sollte nicht drei Briefe schreiben und dann einfach aufhören, weil es zu langweilig wird.“
Wie lange Karin Störmer noch Briefe schreiben möchte? „Solange es geht“, lautet die Antwort ohne zu Zögern. „Wenn ich noch die Kraft dazu habe, dann mache ich damit auch weiter.“ Sollte sich das irgendwann einmal ändern, würde sie ihren Brieffreunden natürlich eine letzte Nachricht schreiben und sich gebührend verabschieden.