Öffentliche Bauaufträge, die nicht nur ihren Kostenrahmen einhalten, sondern sogar günstiger werden als kalkuliert? Das geht tatsächlich, wie die Preußische Eisenbahnverwaltung bei der Errichtung des Schwerter Bahnhofs bewies.
Die Ausführung der Arbeiten werde im Rahmen der Ausschreibung meistens „zu Preisen angeboten, die wohl weit hinter dem Kostenvoranschlag zurückbleiben dürften, sodass dem Fiskus von den zum Umbau des Bahnhofs Schwerte bewilligten Raten ein erkleckliches Sümmchen übrig bleiben wird“, schrieb die Schwerter Zeitung am 17. Mai 1904.
Wolfgang Güttler von den Eisenbahnfreunden Schwerte kam aus dem Staunen kaum noch heraus, als er diese Notiz bei seinen Recherchen zum 120. Geburtstag des Schwerter Bahnhofs in den Archiven entdeckte.
Eröffnung am 19. März 1905
Am 19. März 1905 – so recherchierte Wolfgang Güttler weiter – wurde das markante Empfangsgebäude mit dem Uhrentürmchen in Betrieb genommen, das einen rund 35 Jahre alten und längst zu klein und unkomfortabel gewordenen Vorgänger aus der Anfangszeit der Eisenbahn in der Ruhrstadt ersetzen sollte.
Der Neubau wurde sofort auch ein Stück näher an die Stadt herangeschoben, um nicht inmitten der wachsenden Gleisanlagen zu liegen zu kommen. Diese wurden gleichzeitig auf künstlich aufgeschüttete Dämme gelegt, sodass der Holzener Weg und die Hörder Straße ohne Schrankenanlagen überquert werden konnten.

Zehn Tage vor der Fertigstellung des Großprojekts hatte ein Reporter der Schwerter Zeitung die Gelegenheit zu einer Besichtigung. „In dem Zeitungsbericht ‚Ein Gang durch das neue Schwerter Bahnhofsgebäude‘ wird dem Leser das neue Gebäude ausführlich vorgestellt“, berichtet Wolfgang Güttler.
„Bei einer Länge von zirka 75 Metern und einer Tiefe von 15 Metern präsentiert sich der dreiteilige Bau mit seiner Sandstein-Fassade recht vorteilhaft“, heißt es darin. Wer durch das Hauptportal mit dem preußischen Adler und dem Stadtwappen in den geräumigen Vorraum hereintrat, fand rechter Hand sogar eine Einrichtung, die heute in der ganzen Innenstadt dringend vermisst wird: die sogenannten „Bequemlichkeiten“, also Toilettenanlagen aus Porzellan mit Wasserspülung.

Wartesaal „wie ein Konzertsaal“
Den Fahrgästen erleichterten – je nach Geldbeutel – zwei Gastronomien den Aufenthalt. Schon der Wartesaal für diejenigen, die sich nur ein Ticket der III. oder IV. Klasse leisten konnten, wirkte „wie ein kleiner Konzertsaal“ mit einem gewaltigen Bogenfenster, durch das sich das Geschehen auf dem Bahngelände und dem neuen Eilgüterschuppen beobachten ließ. An der Decke hingen zwei Kronleuchter in antiker Ausführung, eine Dampfheizung sorgte für wohlige Wärme.
„Noch etwas freundlich-vornehmer ist naturgemäß der Wartesaal I. und II. Klasse, an der Südseite links vom Bahnhofsportal, ausgestattet“, schrieb der Reporter weiter. Ein großer, prachtvoller Leuchter und zwölf elektrische Lampen „werden den Raum in ein Lichtermeer tauchen“. Alles fein tapeziert, genauso wie der 20 Quadratmeter große Nichtraucherraum nebenan.

Die Bahn hatte keine Kosten und Mühen für modernste Ausstattung geschont: Annähernd 60.000 Mark steckte sie allein in die elektrische Beleuchtung des Bahnhofs, die nachts auch die Zifferblätter der Uhr am Türmchen erhellte. Den Strom lieferten die Hörder Kreisbahnen, die zu dieser Zeit die Straßenbahnen in Schwerte betrieben.

Bahnsteigsperre im Vorraum
Der Bahnsteigtunnel war vorausschauend gleich so lang angelegt, um die erst einige Jahre später eröffneten Bahnstrecken nach Iserlohn und Dortmund anschließen zu können. Ein zweiter Tunnel, mit gelben Verblendern ausgekleidet, führte von den Bahnsteigen direkt in ein Zimmer für den Bahnpostdienst, das an der Seite zur Bahnhofstraße eine Rampe erhielt.
Darüber befanden sich die Arbeitsräume für den Telegrafen, die Gehilfen und den Bahnhofsvorsteher, der in der zweiten Etage seine Dienstwohnung bezog. Ein drei Meter breiter Bürgersteig und ein nachts verschließbares Gitter vor dem Eingang komplettierten den Neubau.

Ein Haar in der Suppe fand der Reporter aber doch: Die damalige Bahnsteigsperre, an der man nur mit einer Fahr- oder Bahnsteigkarte durchgelassen wurde, war mitten im Vorraum platziert. Sie blockierte dadurch den öffentlichen Zugang zu den Fahrplänen, die im Bahnsteigtunnel aushingen.
Außerdem behinderte sie Reisende, die von den Zügen oder aus den Wartesälen zur Toilette gehen wollten. Gefordert wurde deshalb eine Verlegung der Sperre direkt an den Eingang zum Bahnsteigtunnel, wie es „manche neueren großen Bahnhöfe, zum Beispiel Witten“ anböten.
Mehrere Pannen beim Bau
Pannen hatten übrigens auch schon die Bauarbeiten begleitet. Bei der Verlängerung der Unterführung am Holzener Weg stellte sich heraus, dass das letzte Stück des genieteten Überbaus plötzlich 20 Zentimeter zu tief eingesetzt war und aufwendig mit einem Flaschenzug angehoben werden musste.
Und gegenüber dem Hoesch-Werk drohten frisch eingesetzte Telegrafenmasten gleich wieder umzukippen, weil man die Drähte in einem zu scharfen Winkel gespannt hatte.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals am 19. März 2025.