Azubi-Suche mit „Bonbons“ So schwer fällt es Unternehmen in Schwerte Stellen zu besetzen

So schwer fällt es Unternehmen in Schwerte Auszubildende zu finden
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Die Zahl der Auszubildenden in unserem Bundesland Nordrhein-Westfalen ist im Jahr 2023 im Vergleich zu 2022 zwar nur um 0,2 Prozent zurückgegangen und damit nahezu stabil geblieben. Doch man muss die Entwicklung vor dem Hintergrund betrachten, dass es zuvor drei Jahre in Folge Rückgänge von 3 Prozent (2022), 2,2 Prozent (2021) und 3,4 Prozent (2020) gegenüber dem jeweiligen Vorjahr gegeben hatte.

Laut einer Erhebung des Statistischen Landesamtes IT.NRW (IT steht für Information und Technik, Anm. d. Red.) war die Zahl der Auszubildenden in NRW Ende 2022 so niedrig wie noch nie seit Beginn der Erhebungen. 2023 wurden in der Statistik 274.104 Auszubildende im dualen System (2022: 274.755) erfasst.

Unternehmen ringen aktuell also nicht nur um Fachkräfte, sondern auch um Auszubildende. Die Zeiten, in denen eine Stellenausschreibung eine Flut an Bewerbungen nach sich zog, ist längst vorbei. Davon können auch die Ausbildungsbetriebe in Schwerte ein Lied singen – große genauso wie kleinere Unternehmen, Arztpraxen beispielsweise.

Auf einem Banner wirbt das Unternehmen Deutsche Nickel in Schwerte für seine Ausbildungsberufe.
Auf einem Banner wirbt das Unternehmen Deutsche Nickel für seine Ausbildungsberufe. Gerade im handwerklichen Bereich ist es schwieriger geworden, Nachwuchskräfte zu finden. © RN-Archiv

Größte Arbeitgeber in Schwerte

Die Zapp AG ist der größte Arbeitgeber in Schwerte. Dort ist Matthias Kowalski verantwortlich für die Bereiche Ausbildung und Duales Studium. Das Unternehmen bietet verschiedene Ausbildungsberufe an – kaufmännische und technische beispielsweise. Die meisten Stellen würden gut besetzt, doch bei den Verfahrenstechnologen werde stets Nachwuchs gesucht.

„Das ist ein klassischer Beruf bei uns im Unternehmen, für den wir vergleichsweise viele Auszubildende suchen“, erklärt Matthias Kowalski. Im Vorjahr habe es einen Ausbildungsabbruch gegeben. „Derjenige kommt aber zurück ins Unternehmen, er wollte den Ausbildungsberuf wechseln und das konnten wir ihm ermöglichen.“ In der Antwort schwingt mit, dass dem Unternehmen daran gelegen ist, gute Leute möglichst zu halten.

Denn gut geeignete Bewerber zu finden, ist heutzutage gar nicht so leicht. Das bestätigt etwa Martina Poprawski. Sie ist beim Unternehmen Deutsche Nickel GmbH, das ebenfalls zu den größten Arbeitgebern in Schwerte zählt, für die Auszubildenden verantwortlich. Auch in diesem Betrieb gibt es verschiedene Ausbildungsberufe.

Vor allem die Besetzung der handwerklichen Ausbildungsstellen sei schwieriger geworden. „Uns erreichen weniger Bewerbungen und die sind dann teils qualitativ nicht ausreichend. Wenn wir merken, dass sich jemand keine Mühe bei der Bewerbung gegeben hat oder die Noten nicht passen, dann laden wir die Bewerber auch gar nicht erst ein.“ Kaufmännische Ausbildungen seien hingegen gefragter und könnten meist sofort besetzt werden.

Schulungscenter und Benefits

Blumen Risse ist in Schwerte ebenfalls einer der größten Arbeitgeber. Dort wurde am 5. Juli 2024 gefeiert, dass 25 junge Leute erfolgreich ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Darunter Floristen und eine Kauffrau für Büromanagement. Viele der Absolventen werden auch künftig im Unternehmen tätig sein. Um auch zukünftig Nachwuchs zu gewinnen und zu fördern, hat das Unternehmen investiert und ein neues Schulungsgebäude in Schwerte verwirklicht.

Das ist aber offenbar nur eines der Schmankerl, mit denen Blumen Risse den Nachwuchs umgarnt. Auf der Homepage wird darüber hinaus zum Beispiel mit individueller Prüfungsvorbereitung, firmeninterner Weiterbildung und vermögenswirksamen Leistungen für sich selbst geworben. Dazu kommen Benefits wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie ein Personalrabatt auf das Sortiment. Solche Mitarbeitervorteile werden auch in vielen anderen Unternehmen geboten. Bei den großen Arbeitgebern dürften sie mittlerweile Standard sein.

Ein neues Schulungsgebäude für seine Auszubildenden baut Blumen Risse an seinem Stammsitz in Westhofen. Bislang war die Abteilung für den Blockunterricht in Recklinghausen angesiedelt.
Das Unternehmen Blumen Risse bietet seinen Arbeitnehmern verschiedenen Vorteile, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. So wurde in Westhofen ein neues Schulungsgebäude verwirklicht. © Blumen Risse

Kleinere Betriebe legen nach

Die Charme-Offensive der großen Firmen, macht es den kleineren Betrieben natürlich nicht leichter, das Interesse junger Leute auf sich zu lenken. Desiree Henke von der gleichnamigen Zahnarztpraxis in Schwerte kann das bestätigen. Während in der Zahnarztpraxis etwa vor zehn Jahren noch zwei bis drei Auszubildende gleichzeitig lernten, sei man heute schon froh, eine Ausbildungsstelle besetzen zu können. Dafür macht sie auch monetäre Gründe verantwortlich.

„Die Ausbildungsvergütung müsste angesichts des Anspruchs, der an die Auszubildenden gestellt wird, angehoben werden.“ Zumal alles teurer geworden sei. „Wir überlegen daher, wie wir mit zusätzlichen ‚Bonbons‘ den jungen Menschen entgegenkommen können.“ Grund sei, dass das reine Ausbildungsgehalt nicht mehr reiche.

Aktuell sucht die Praxis noch eine Auszubildende oder einen Auszubildenden als Zahnmedizinische Fachangestellte bzw. Zahnmedizinischen Fachangestellten für den Ausbildungsstart am 1. Augst 2024. Die Stelle ist zum einen klassisch ausgeschrieben. Desiree Henke ist aber auch schon ungewöhnlichere Wege gegangen, um Nachwuchs zu gewinnen.

Die Rede ist von einem Job-Speed-Dating. Das läuft ähnlich ab wie ein klassisches Speed-Dating, bei dem sich Flirtwillige alle paar Minuten einem neuen Gesprächspartner gegenübersehen. Beim Job-Speed-Dating treffen Arbeitgeber und angehende Azubis aufeinander, um sich zu beschnuppern. Und tatsächlich hat es bei so einem Format auch schon mal zugunsten der Schwerter Zahnarztpraxis Knut Henke gefunkt.

Bleibt zu hoffen, dass es auch anderen Ausbildungsbetrieben in der Ruhrstadt ähnlich ergeht. Denn was Desiree Henke mit Blick auf die Praxis ihres Mannes sagt, können wohl viele Unternehmer unterschreiben: „Ich blicke rabenschwarz in die Zukunft, wenn die Azubis so rar bleiben.“