Etwa einen Monat ist es her, dass die Diskussion rund um die Nettelbeckstraße in Schwerte und ihre eventuelle Umbenennung die Gemüter erhitzte. Die Nachbarstadt Dortmund hatte zuvor die Umbenennung ihrer Nettelbeckstraße aufgrund der umstrittenen Vergangenheit des Namensgebers bereits beschlossen. Dies prüft nun auch die Stadt Schwerte.
Im Zuge der Recherche unserer Redaktion zu diesem Thema fällt allerdings auf: Eine Siedlung hinter dem Schwerter Bahnhof weist neben Nettelbeck weitere Straßennamen auf, die in anderen Städten kritisch hinterfragt werden.
Agnes-Miegel-Straße bereits umbenannt
Ein Blick auf die Straßenkarte zeigt es: Bei einem rund 25-minütigen Spaziergang durch den Norden der Stadt begegnet man Straßenschildern, die die Namen von Persönlichkeiten mit mutmaßlich nationalistischer Gesinnung oder kolonialistischer Vergangenheit tragen.
In unmittelbarer Nachbarschaft schütteln sich der Schriftsteller Ernst Moritz Arndt, Heidedichter Hermann Löns und der am Sklavenhandel beteiligte Joachim Nettelbeck in Schwerte die Hand. Bis zum Jahr 2014 gehörte auch die Schriftstellerin Agnes Miegel dazu. Wegen ihrer historisch festgehaltenen Nähe zum Nationalsozialismus strich die Stadt Schwerte sie jedoch von der Karte: Die Agnes-Miegel-Straße wurde zur Kleinen Feldstraße.
Doch wer waren die übrigen Persönlichkeiten und Namensgeber für Schwerter Straßen? Wie gehen andere Städte mit solch kritischen Straßennamen um?

Ernst Moritz Arndt
Laut Recherchen des NDRs aus dem Jahr 2019 werfen Historiker Ernst Moritz Arndt (1769 geboren, 1860 gestorben) Antisemitismus und Nationalismus vor. Grundsätzlich habe Ernst Moritz Arndt, vor allem im Krieg gegen Preußen, freiheitliche Schriften verfasst. In vielen seiner Texte befänden sich jedoch judenfeindliche Parolen, so der NDR.
In einem Brief gebe er beispielsweise zu verstehen, dass sich deutsches und jüdisches Blut nicht vermischen dürfe. Politikwissenschaftler Niels Hegewisch erklärte gegenüber dem NDR, dass sowohl die Nazis als auch Überzeugte der DDR Werke von Arndt für ihre Ideologien instrumentalisiert hätten.
Der Name Ernst Moritz Arndt ist bislang dennoch deutschlandweit vertreten. Zwei Beispiele: Laut Leipziger Zeitung erhält die Arndtstraße in Leipzig wegen des fragwürdigen Namensgebers einen neuen Namen. Die Universität in Greifswald habe aus demselben Grund bereits im Jahr 2017 ihren Namen von „Ernst-Moritz-Arndt-Universität“ zu „Universität Greifswald“ geändert, schreibt die Süddeutsche Zeitung.
Hermann Löns
Hermann Löns (geboren 1866) ist WDR-Recherchen zufolge, ein Schriftsteller und Autor gewesen, den die Nazis als Vordenker für sich vereinnahmt haben. Löns hatte sich laut Spiegel freiwillig als Soldat im Ersten Weltkrieg gemeldet und war im Jahre 1914 an der Front kurz vor Reims in Frankreich gefallen. Durch seine tief deutsch-nationalistischen Erzählungen über die Lüneburger Heide und Kriegs-Verherrlichungen sei Löns in der NS-Zeit für Propaganda-Zwecke genutzt worden, berichtet Deutschlandfunk in einem Beitrag aus dem Jahr 2014.
Eine laufend aktualisierte Liste des WDRs hält Straßennamen fest, die in den letzten Jahren zu lokalen Diskussionen geführt haben. Neben 130 anderen Hermann-Löns-Straßen oder -Wegen ist dort auch der Schwerter Hermann-Löns-Weg zu finden. Ein aus dem Jahre 1958 stammendes Verzeichnis von Schwerter Straßennamen bestätigt ebenfalls: Der Schwerter Hermann-Löns-Weg ist nach dem Heidedichter benannt.
In Herne beispielsweise hatte man sich indes im Jahr 2022 aktiv gegen eine Umbenennung der dortigen Hermann-Löns-Straße entschieden, berichtete damals Radio Herne.

Joachim Christian Nettelbeck
Auch um Nettelbeckstraßen gibt es deutschlandweite Diskussionen. Wie verschiedene Medien, wie die FAZ oder Deutschlandfunk Kultur, aufgearbeitet haben, brachte Joachim Christian Nettelbeck (geboren 1738, gestorben 1824) als Kapitän eines Schiffes afrikanische Sklaven nach Europa und beteiligte sich damit direkt am Kolonialismus und Menschenhandel.
Später feierten ihn die Nationalsozialisten als patriotischen Helden. Die jüngste Umbenennung einer Nettelbeckstraße fand in Dortmund statt, für die sich die Dortmunder Bezirksbürgermeisterin Hannah Rosenbaum eingesetzt hatte.
Die Recherche unserer Redaktion zur Nettelbeckstraße in Schwerte ist unterdessen im Rathaus angekommen: Ob Joachim Nettelbeck wirklich Namensgeber der Nettelbeckstraße ist, konnte die Stadt Schwerte bisher allerdings nicht verifizieren. Das Stadtarchiv habe sich der Sache angenommen und wolle fachgerechte Recherchen anstellen, erklärte Ingo Rous, Pressesprecher der Stadt Schwerte, Anfang Februar. Ob die Nettelbeckstraße in Schwerte einer Umbenennung bedarf, werde am 6. Mai in der nächsten Ältestenratssitzung thematisiert, so Rous.
Anfrage an die Stadt Schwerte
Doch warum häufen sich in Schwerte ausgerechnet in einer Siedlung die Namen von mutmaßlich diskussionswürdigen Persönlichkeiten? Wer hat, vermutlich Mitte des 20. Jahrhunderts, die Widmungen vorgeschlagen und beschlossen?
Eine entsprechende Anfrage an die Stadt und an das Stadtarchiv bleibt vorerst unbeantwortet: „Die Stadt Schwerte wird sich zum Thema Nettelbeckstraße bis zum 6. Mai, dem Tag der Sitzung des Ältestenrates, nicht mehr äußern“, kündigt Ingo Rous an und lässt damit die Frage nach Ernst Moritz Arndt und Hermann Löns offen.