Am Mittwochabend (6.11.) hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach einem dramatischen Treffen der Koalitionsspitzen in Berlin seinen Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen. Hintergrund ist ein erbitterter Streit um die Wirtschafts- und Haushaltspolitik.
Die Ampel-Koalition ist damit Geschichte. Wir haben bei Vertretern der Schwerter SPD, CDU, den Grünen und der FDP nachgefragt.
War die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner die richtige Entscheidung?
Jens Krammenschneider-Hunscha (SPD): „Die Entscheidung war richtig und überfällig. Die Ampel hat unter denkbar schweren Bedingungen sehr viel besser performt als ihr Ruf. Wenn sich alle Partner nach Kräften für Kompromisse strecken, nur Christian Lindner nicht, der nur knapp die 5-Prozent-Hürde genommen hat, dann ist die Fortsetzung der Zusammenarbeit unvermittelbar.“
Sascha Enders (CDU): „Es war definitiv die richtige Entscheidung. Den Zeitpunkt sehe ich allerdings als zu spät und längst überfällig an. [...] Kanzler Scholz hatte es bis zuletzt herausgezögert; es blieb ihm nichts anderes übrig, als diesen Schritt zu vollziehen. Ich hätte mir gewünscht, dass – in Verantwortung für unser Land – die FDP früher den Stecker gezogen hätte.“
Maximilian Ziel (Grüne): „Es wäre für das Land gut gewesen, gerade jetzt eine Antwort auf die US-Wahlen zu geben und vor allem den Bundeshaushalt zu verabschieden. Dazu war FDP-Chef Lindner offensichtlich nicht bereit, er hat im Gegenteil durch sein ideologisches Beharren auf die Unantastbarkeit der Schuldenbremse die notwendigen Maßnahmen verhindert. Ein gemeinsames Vorgehen wäre notwendig gewesen. Durch den wahrscheinlich vorbereiteten Ausstieg der FDP war dies aber nicht möglich.“
Joachim Graefe / Phillip Köhler (FDP): „Was schon häufig gefordert und in den letzten Wochen immer häufiger als unausweichlich ausgesprochen wurde, ist gestern verkündet worden.“

Olaf Scholz hat angekündigt, am 15. Januar die Vertrauensfrage zu stellen und Neuwahlen zu ermöglichen. Wie denken Sie über diesen Schritt?
Jens Krammenschneider-Hunscha: „Die Vertrauensfrage ist konsequent. Der Kanzler übernimmt vom ersten bis zum letzten Tag die volle Verantwortung für dieses Land. Und er weiß: Deutschland braucht jetzt Klarheit.“
Sascha Enders: „Ich halte den Zeitpunkt für zu spät, denn der Bundespräsident entscheidet dann über die Auflösung des Bundestages und binnen 60 Tagen danach kann neu gewählt werden.“
Maximilian Ziel: „Geordnet eine Wahl über die weitere Zukunft unseres Landes zu ermöglichen, ist jetzt genau richtig.“
Graefe / Köhler: „Olaf Scholz bleibt sich treu. Bis zuletzt bleibt er ein Kanzler des Hinhaltens und Beiseiteschiebens [...]. Dass er nun auch die Vertrauensfrage noch
hinauszögern möchte, um seine Schafe ins Trockene zu bringen, ist unanständig und sollte den Bundestag dazu motivieren, selbst tätig zu werden.“
Lindner und Scholz geben sich gegenseitig die Schuld am Bruch.
Jens Krammenschneider-Hunscha: „Grundlage der gemeinsamen Regierung war ein Koalitionsvertrag. Der Kanzler hat Herrn Lindner unzählige Brücken [...] gebaut. Irgendwann bleibt dann nur noch die Brücke zum Ausgang. Wir sollten jetzt nicht so tun, als läge die Wahrheit irgendwo in der Mitte.“
Sascha Enders: „Die gegenseitige Schuldzuweisung ist das Bild der Ampel und das Ergebnis einer scheiternden Regierung.“
Maximilian Ziel: „Es ist wichtig, persönliche Befindlichkeiten und auch Fragen der eigenen politischen Zukunft hinter den Bedürfnissen des Landes anzustellen. Wir brauchen den sozialen Zusammenhalt. [...] Wir müssen gerade nach der US-Wahl schnell unsere eigenen Sicherheitsinteressen im Blick haben und die Wirtschaft auf einen drohenden Handelskrieg vorbereiten. Dafür ist der Art. 109 des Grundgesetzes (Schuldenbremse) mit den Ausnahmen versehen worden. [...]“
Graefe / Köhler: „[...] Christian Lindner hat dem Vernehmen nach noch [...] für eine geordnete, gemeinsame Herbeiführung von Neuwahlen geworben. Dass der Bundeskanzler in diesem Moment lieber eine letzte Konfrontation auf großer Bühne inszenieren wollte, ist bedauernswert [...].“
Friedrich Merz fordert, die Vertrauensfrage schon nächste Woche zu stellen.
Jens Krammenschneider-Hunscha: „Friedrich Merz wittert einen Augenblick, dem er als Wahlkämpfer nicht widerstehen kann. Das sei ihm zugestanden, wenn er sich in den nächsten Tagen besinnt, dass auch die Opposition Verantwortung für dieses Land trägt. Auch nach der Neuwahl wird eine Koalition regieren.“
Sascha Enders: „Ich gebe Herrn Merz vollkommen recht. Es gibt keinen Grund, die Vertrauensfrage erst im Januar zu stellen. Was wir brauchen, ist eine handlungsfähige Regierung – schnellstens.“
Maximilian Ziel: „Ich verstehe, dass die CDU mit den Hufen scharrt – aber wichtige Entscheidungen wie die Unterstützung der Wirtschaft oder die Hilfen für die Ukraine sollten zuerst noch in einem überparteilichen Konsens beschlossen werden. [...]“
Graefe / Köhler: „Der Kanzler sollte die Vertrauensfrage umgehend stellen, nicht erst in zwei Monaten.“
Die Bundestagsabgeordneten werden den Wahlkampf nun schnell aufnehmen. Inwieweit werden Sie diese unterstützen?
Jens Krammenschneider-Hunscha: „Wir haben unsere Personalien schon vor Wochen geklärt, daran ändert sich nichts. Oliver Kaczmarek hat die volle Unterstützung der Stadtverbandsvorsitzenden seines Wahlkreises. Er ist hier bestens bekannt und sehr geschätzt.“
Sascha Enders: „Wir sind bereit und werden natürlich unseren Kandidaten Dr. Tilman Rademacher auf diesem Weg zum bestmöglichen Ergebnis unterstützen. Wir wollen Regierungspartei werden!“
Maximilian Ziel: „Ich werde jedem empfehlen, die Stimme Michael Sacher zu geben, da er auch in schwierigen Zeiten die Kultur weiterhin in ihrer Vielfalt unterstützt, Gaming als Wirtschaftszweig sieht und fördern will und als Berichterstatter für Georgien ein Land dabei unterstützt, demokratische Wege zu beschreiten und eine Annäherung an die EU zu ermöglichen.“
Graefe / Köhler: „[...] Wir werden zeitnah mit starken Kandidaten für einen Wiedereinzug in den Bundestag kämpfen. Für uns als FDP Schwerte haben allerdings die kommunalpolitischen Themen und die Vorbereitung der entsprechenden Wahl Priorität. Wir wollen uns an der Arbeit vor Ort messen lassen, nicht an den Pressekonferenzen im Reichstagsgebäude.“

Welche Bedeutung hat für Sie eine schnelle Klärung der politischen Verhältnisse – insbesondere angesichts der Tatsache, dass Donald Trump die US-Wahl gewonnen hat?
Jens Krammenschneider-Hunscha: „Angesichts der dramatischen Ergebnisse der US-Wahlen sind wir [...] dringend gefordert, die Demokratie zu schützen und zu stärken. Wir müssen gemeinsam sowohl unsere Außen- und Sicherheitspolitik, als auch unsere Wirtschafts- und Klimapolitik organisieren und bei Sozialstandards und Migrationsfragen Hand in Hand arbeiten. [...]“
Sascha Enders: [...]„Die USA sind und bleiben die wichtigsten Verbündeten Deutschlands außerhalb Europas. [...] Für die Transatlantischen Gespräche erfordert es eine vertrauensvolle und handlungsfähige Bundesregierung. [...] Daher hoffe ich auf schnelle Neuwahlen.“
Maximilian Ziel: „Die Frage dürfte ich bereits beantwortet haben.“
Graefe / Köhler: „[...] Viele internationale Verbindungen und Verabredungen werden von Trump in Frage gestellt oder abgelehnt. Umso wichtiger wäre es, schnellstmöglich eine demokratisch legitimierte, stabile Bundesregierung in Berlin zu haben, die in den internationalen Bündnissen zur Stabilität beitragen kann. [...]“