Verschwunden ist die zweite Kanone, die auf der anderen Seite der Strangbrücke Im Reiche des Wasser aufgestellt war – dort, wo die Zufahrt zum Großparkplatz abzweigt. © Reinhard Schmitz
Ruhrtalmuseum Schwerte
Denkmalsockel leer: Wo ist die alte Kanone von der Strangbrücke?
Sie sind ein Wahrzeichen der Stadtgeschichte. Zwei alte Kanonen hatten die Schützen an der Strangbrücke Im Reiche des Wassers aufgestellt. Jetzt ist einer der beiden Denkmalsockel leer.
Da war es nur noch eins. Entsetzt blicken Schwerter auf den verwaisten Platz vor der Brücke über den Mühlenstrang, wo sie immer von einem Wahrzeichen-Paar der Stadt begrüßt wurden.
Doch eine der beiden traditionsreichen Schützenkanonen, die links und rechts links des Bachübergangs aufgestellt waren, ist plötzlich verschwunden. Der gepflasterte Denkmalsockel auf der Seite zum Großparkplatz hin ist leer.
Schützenoberst Erwin Lange restauriert das Prunkstück
Glücklicherweise waren aber keine Diebe am Werke. Der Bürgerschützenverein Schwerte von 1436 selbst ist den Befestigungen mit einem Trennjäger zu Leibe gerückt und hat die Kanone abgebaut. „Die wird vom Oberst Erwin Lange restauriert“, sagt Vereinsvorsitzender und Kaiser Rüdiger Sokolowsky.
Das Holz der Räder sei durch das Stehen im Regenwasser weggefault. Ersatz zu beschaffen, war nicht einfach. Denn um zu den Lafetten zu passen, war ein Durchmesser von exakt 80 Zentimetern nötig. Außerdem mussten die Räder natürlich auch stabil genug sein, um das gusseiserne Kanonenrohr zu tragen.
Die Kanonen richten ihre Rohre durch die offenen Torbögen auf die Brückstraße: So kennen viele noch die früher offene Halle des Ruhrtalmuseums. © Reinhard Schmitz (Repro)
„In Höxter hat er schließlich zwei alte Räder gefunden“, berichtet Rüdiger Sokolowsky. Ganz in Ruhe würden sie nun an das hölzerne Untergestell der Kanone montiert: „Im neuen Jahr werden wir sie wieder aufstellen.“ Die Schützen überlegen, in diesem Zuge auch den Sockel zu erhöhen, damit er bei Regen nicht mehr von einer Pfütze geflutet werden kann.
Eine Oberfläche aus Kopfsteinpflaster könnte dem Platz dabei zudem passendes altertümliches Flair geben. Später soll dann auch die andere Kanone renoviert werden, die auf der gegenüberliegenden Brückenseite thront, wo der Südwall abzweigt.
Die Rohre böllerten vor 150 Jahren für die neuen Könige
Auch wenn sie aussehen wie die Geschütze auf mittelalterlichen Burgen: Eigentlich sind die Kanonen gar keine richtigen Kanonen. Kugeln sind aus ihren Rohren nie abgefeuert worden. Es sind Schützenböller, die nur mit lautem Knall freudigen Salut schossen, wenn ein neuer König die letzten Reste des hölzernen Vogels von der Stange geschossen hatte.
So wie für Friedrich Pferdekämper, der die Prachtstücke im Jahre 1865 dann seinem Verein schenkte. Bis zum Ersten Weltkrieg wurden sie bei allen Ausmärschen präsentiert.
Mit einem Festakt und echtem Kanonendonner wurden die restaurierten Schützenböller im September 2012 vor der Strangbrücke Im Reiche des Wasser aufgestellt. Ehrenbürgermeister (v.r.) Heinrich Böckelühr und Schützenkaiser Rüdiger Sokolowsky enthüllten die neuen, alten Wahrzeichen. © Bernd Paulitschke (A)
Dann verlor sich die Spur der Böller. Erst als 1933 das Ruhrtalmuseum im Alten Rathaus am Markt eröffnet wurde, tauchten sie als Schmuck unter den damals noch offenen Arkaden auf. Es gibt kaum einen Schwerter, der nicht auf den Rohren geritten ist. „Da, wo die Kanonen stehen“, wurde zum geflügelten Wort.
Pärchen verabredeten sich auf der langen Holzbank im Hintergrund. Andere stiegen dort mit zittrigen Knien in den VW-Käfer, wenn die Schwerter Fahrlehrer-Legende Theo Schürmann sie zur ersten Fahrstunde abholte. Auch die Runden mit dem Fahrprüfer endeten vor den Kanonen – im Idealfall mit der Übergabe der begehrten Fleppe.
Seit 2012 stehen die Wahrzeichen Im Reiche des Wassers
Damit war es vorbei, als der Museums-Förderverein die Laubenhalle in den 1990er-Jahren verglasen ließ, um einen zusätzlichen Ausstellungsraum zu gewinnen. Die Schützenböller verschwanden in einem Lagerraum bei den Haver-Hallen Im Reiche des Wassers, wo sie bei einem Großbrand schwere Schäden davontrugen. Erste Restaurierungsversuche der Schützen gelangen nicht originalgetreu genug, um sie wieder vorzeigen zu können.
So kannte jeder Schwerter die Kanonen unter den offenen Arkaden des Ruhrtalmuseums. © Stadtarchiv
Erst im Jahr 2012 konnte Oberst Erwin Lange, der jetzt auch wieder aktiv ist, die richtigen Holzräder mit zwölf Speichen aus Bayern und dem Bergischen Land besorgen. Anschließend gaben die Schützen ihre Böller der Öffentlichkeit an einem historischen Ort zurück: An der Strangbrücke stand früher das Brücktor, ein Haupteingang zur Stadt. Anfang September enthüllte der damalige Bürgermeister Heinrich Böckelühr die alten, neuen Prunkstücke und sagte: „Diese kulturellen Zeichen wollen wir in Ehren halten.“
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