Boom-Zeit in Schwerte. So rasant hat sich das Stadtbild noch nie verändert. Post, Bahnhof und Amtsgericht und weitere markante Bauten entstehen, die das Straßenbild bis heute prägen. Dem Kundenbüro der Stadtwerke gewichen ist dagegen das repräsentative fotografische Atelier, das sich Carl Münkel sen. (1841-1915) an der Bahnhofstraße bauen ließ. Dem ersten Fotografen von Schwerte ist es weitgehend zu verdanken, dass jene Epoche als bildliches Gedächtnis festgehalten ist. Er hinterließ nicht nur unzählige Porträts, sondern auch Aufnahmen von Gasthäusern und Straßen - und sogar von Kaiser Wilhelm II. am Bahnhof.
„Das Foto seines Lebens“ hat Autor Marcus Land (50) jenen auf die Glasplatte gebannten Moment benannt. Der studierte Jurist und Redakteur beim Hellweger Anzeiger hat die spannende Karriere des ersten Berufsfotografen der Stadt in einem 240 Seiten starken Buch nachgezeichnet. „Er ist der Prototyp eines Aufsteigers im 19. Jahrhundert“, sagt er: „Er eignet sich ein neues Handwerk an und erkennt die Aussichten des Gewerbes.“
1888 kam Münkel nach Schwerte
Kaum zu glauben: Bevor der aus Garbsen-Havelse stammende Carl Münkel sich nach mehreren Zwischenstationen 1888 mit seiner Familie in der Ruhrstadt niederließ, mussten die Schwerter umständlich mit Bahn oder Postkutsche nach Hagen oder Dortmund fahren, wenn sie ein Porträt wünschten. Oder zu den seltenen Terminen im Garten der Gaststätte Helle erscheinen, die der umhertingelnde Fotograf Johann Kleinau aus Hörde in der Schwerter Zeitung ankündigte.

Ein Zufallsfund im Stadtarchiv
Zeitgenössische Zeitungen, kommunale und kirchliche Archive durchstöberte Marcus Land bei seinen anderthalbjährigen Recherchen. „Die Heimatliebe ist da“, erklärt der gebürtige Schwerter, der seinen Beitrag zum 625-jährigen Bestehen der Ruhrstadt leisten wollte, das am 24. November anstand. Seine Idee war, einen Teil der Stadtgeschichte anhand von Personen und Fotos zu erzählen. Auf Carl Münkel als idealen Protagonisten stieß der Autor durch Zufall. Bei Stadtarchivarin Beate Schwietz fiel ihm eine Bauakte mit dem Namen des „Lichtbildners“ in die Finger. Ein blaues Kärtchen hütete die Zeichnung seines Atelier-Projekts an der Bahnhofstraße, das am 8. August 1896 eröffnet wurde.

Postkarte ersetzte das Handy
Die Architektur verrät, wie das Geschäft florierte. Carl Münkel fotografierte Babys, Porträts für Bewerbungen, gestaltete Werbe-Postkarten für Gastronomie und Hotels. „Die Ansichtskarte boomte in der Zeit“, erläutert der Buchautor. Durch die Postzustellung zweimal am Tag diente sie quasi als eine Art Handy-Vorläufer. Die Antwort auf die Frage vom Morgen brachte der Briefträger schon am Nachmittag ins Haus.
Sohn nahm sich das Leben
Zwei Generationen lang sollte die Marke Münkel die Fotografie in Schwerte prägen. Sohn Carl Münkel jun. (1881-1931) trat in die Fußstapfen seines Vaters. An der Bahnhofstraße 26 ließ er für sein Atelier 1912 ein hochherrschaftliches Haus errichten, das an seiner Rückseite eine großzügige Verglasung für Technik der Tageslicht-Aufnahmen erhielt. Nach seinem Freitod, der viel Raum für öffentliche Spekulationen bot, zog dort später die Fotografin Lore Rieke ein.
- Das Buch „Carl Münkel - Pionier der Photographie in Schwerte“ ist im ardenku-Verlag (Hagen) erschienen (ISBN 978-3-942,184-70-0).
- Es ist für 23 Euro im Buchhandel zu erwerben.
- Auf 240 Seiten sind 280 Abbildungen eingefügt, von denen viele auch die Stadtgeschichte der damaligen Zeit dokumentieren.
- Eine öffentliche Präsentation findet am 3. Dezember (Samstag) ab 10 Uhr bei Bücher Bachmann, Mährstraße, statt. Der Autor ist anwesend.
Für die Präsentation des neuen Buches hatte Bürgermeister Dimitrios Axourgos stilgerecht in den vertäfelten Besprechungsraum des Rathauses eingeladen, das zu Lebzeiten Münkels errichtet worden ist. „Wir feiern das 625-jährige Jubiläum der Stadt“, begründete er. Damit sei Schwerte eine der ältesten Kommunen in Westfalen: „Wir sind sehr froh, dass es dieses Buch über einen Teil der 625-jährigen Geschichte unserer Stadt gibt.“