Arnina (8) nach dem Abschiebungs-Drama „Sie hatte ständig Angst vor Polizisten“

Arnina (8) nach Abschiebungsdrama: „Am liebsten mag ich Mathe“
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Arnina* (8) sitzt vor dem Gemeindehaus in Villigst auf der Wiese unter einem kleinen Apfelbaum in der Sonne. Die Achtjährige lacht vergnügt. „Auf unserem Schulhof wachsen ganz viele Apfelbäume“, erzählt sie. Und fügt dann hinzu: „Ich gehe gerne zur Schule. Am liebsten mach‘ ich Mathe. Vor allem Plus-Aufgaben, manchmal aber auch Minus.“

Dass Arnina noch wenige Monate zuvor eher still und schüchtern war, merkt man ihr heute nicht mehr an. Die Grundschülerin redet wie ein Wasserfall. Ihre Mutter Iffat und ihr Vater Nadim sind glücklich über diese Entwicklung. „Jedes Mal, wenn ich meine Tochter ansehe, bin ich dankbar“, sagt Iffat. Denn Arnina hat eine turbulente Zeit hinter sich.

Die Nacht der Abschiebung ist rund ein Jahr und acht Monate her: Am 18. Januar 2022 werden die damals sechsjährige Arnina und ihre Eltern in ihrer kleinen Wohnung in Villigst um Mitternacht von Einsatzkräften des Kreises Unna geweckt und ins Flugzeug nach Dhaka gesetzt. Die nächtliche Abschiebung einer gut integrierten Kleinfamilie löste damals große Empörung in der Ruhrstadt aus – und der Arbeitskreis Asyl machte sich gemeinsam mit vielen Helferinnen und Helfern für eine Rückkehr stark.

Leben in Angst

In Bangladeschs Hauptstadt Dhaka lebt die Familie monatelang in ständiger Angst. Nachts klopfen öfter Unbekannte an die Tür, wie Iffat erzählt. „Es gab Leute, die dachten, wir hätten viel Geld, nur weil wir aus Deutschland kamen.“ Arnina kann nicht zur Schule gehen, weil die Familie dort keine Pässe bekommt. Nachts hat das Mädchen Alpträume, erzählt ihre Mutter. „Sie hatte ständig Angst vor Polizisten.“

Doch die Hartnäckigkeit ihrer Helfer in Deutschland hat Erfolg: Die Botschaft in Dhaka bewilligt ein Ausreisevisum. Am 22. Dezember 2022, ein knappes Jahr später, kommt die Familie schließlich erschöpft, aber wohlbehalten am Düsseldorfer Flughafen an.

Neun Monate später hat sich noch vieles mehr zum Guten geändert: Mutter Iffat tritt Anfang Oktober ihre Ausbildung an – als Pflegefachkraft im Klara-Röhrscheidt-Haus in Schwerte. Dafür musste die 32-Jährige mehrere Sprach- und Aufnahmeprüfungen beim Deutschen Roten Kreuz bestehen. Die Ausbilder seien zufrieden gewesen mit den Ergebnissen, sagt sie stolz: „Daher habe ich jetzt einen Platz bekommen.“ Ihr Mann arbeitet unterdessen bei Diagramm Halbach und hilft dabei, medizinische Produkte an Einrichtungen zu verschicken.

Abgeschobene Familie aus Bangladesch darf in Schwerte bleiben
Auf den Pässen der Familie steht es jetzt offiziell: der „Aufenthaltstitel“. Darüber sind Nadim, Iffat und ihre Tochter Arnina sehr froh. Iffat macht eine Ausbildung zur Pflegefachkraft im Klara-Röhrscheidt-Haus. © Martina Niehaus

Aufenthaltsstatus

Die beste Nachricht: Durch den dreijährigen Ausbildungsvertrag von Iffat hat die Familie jetzt auch endlich einen Aufenthaltsstatus der Ausländerbehörde des Kreises Unna bekommen. Noch vor zwei Jahren hatte Iffat in einer ähnlichen Situation keine Arbeitserlaubnis bekommen.

„Die Ausländerbehörde ist da inzwischen anders geworden“, erklärt Marianne Versin-Wenzler vom Arbeitskreis Asyl. Man gehe aktiv auf die Geflüchteten zu, um ihnen zu helfen – bei der Jobsuche und der Integration. Darüber ist die 71-Jährige sehr froh. Sie hatte damals oft mit der verzweifelten Familie telefoniert. „Manchmal war ich am Ende meiner Kräfte“, gibt sie heute zu.

Marianne Versin-Wenzler, Arbeitskreis Asyl in Schwerte
Marianne Versin-Wenzler (71) vom Arbeitskreis Asyl in Schwerte freut sich zusammen mit vielen Helfern und Freunden mit der Familie. © Martina Niehaus

Dann lächelt Marianne Versin-Wenzler – weil Arnina nicht aufhören kann zu plappern. Sie erzählt, dass sie gerne Chicken-Nuggets von McDonald’s mag – Pomm-Döner allerdings auch. Und am liebsten spielt sie auf dem Schulhof Fangen mit ihren Freundinnen und Freunden. Davon hat sie viele.

Nach Bangladesch möchte sie nicht zurück – dort kennt Arnina, die in Italien geboren wurde, weder die Sprache noch die Menschen. Sie freut sich jetzt auf den Winter in Deutschland. „Ich möchte Schnee haben, und dann im Schnee auf dem Schulhof spielen.“ Ob sie sich auch auf die Herbstferien freut? Die Antwort kommt schnell: „Nein, gar nicht. Ich möchte am liebsten jeden Tag zur Schule gehen.“

*Hinweis der Redaktion: In unseren ersten Artikeln hatten wir der Familie Pseudonyme gegeben, um während ihres Aufenthalts in Bangladesch ihre Anonymität zu wahren. Arnina „hieß“ also damals Anisha. Inzwischen ist die Familie bereit, ihre echten Vornamen zu nennen.

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