Lippeverband will dem Fluss seinen Lauf lassen

© Berthold Fehmer

Lippeverband will dem Fluss seinen Lauf lassen

rnLippe-Renaturierung

Pflegeleicht, aber naturfern ist die Lippe, seitdem der Mensch sie im Zuge der Industrialisierung und des Bergbaus in ein festes Korsett gezwungen hat. Das soll sich ändern.

Schermbeck

, 26.09.2018, 16:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Langfristig soll das Fluss-Auen-Ökosystem wieder hergestellt werden. Für das Landesgewässer Lippe werden dabei zu 100 Prozent Landesmittel eingesetzt. An zwei Stellen plant der Lippeverband in Schermbeck, die Lippe aus ihren Fesseln zu befreien. An der Maassenstraße will der Verband bereits Ende des Jahres oder Anfang 2019 tätig werden. Im Mündungsbereich des Mühlenbachs könnte es Mitte des Jahres 2019 so weit sein.

Sekundäraue östlich der Maassenstraße

Östlich der Maassenstraße und nördlich der Lippe soll Hochwasser „geparkt“ werden, so Lippeverbandssprecherin Anne-Kathrin Lappe. Dazu müsse ein Teil des Geländes abgetragen werden. An der Stelle soll eine Sekundäraue entstehen. Auf 4,5 Hektar plane ein Privatunternehmen die Aufforstung mit Hartholz (etwa 3 Hektar) und Weichholz (etwa 1,5 Hektar) als Ausgleich für andere Maßnahmen. Eine Flutrinne schließt den Bereich an die Lippe an, durch die bei Hochwasser das Wasser auf die Fläche läuft. „Das soll Hochwasserspitzen reduzieren“, sagt Lappe. Außerdem sei die Sekundäraue interessant für Fledermäuse, Schnecken, Fische, die dort gerne laichen, und Insekten (insbesondere Käferarten).

Mit einer Flutrinne wird der Hartholz- und Weichholz-Auwald an die Lippe angeschlossen. Bei Hochwasser werde ein Teil des Wassers auf der 4,5 Hektar-Fläche „geparkt“, sagt Anne-Kathrin Lappe, Sprecherin des Lippeverbands.

Mit einer Flutrinne wird der Hartholz- und Weichholz-Auwald an die Lippe angeschlossen. Bei Hochwasser werde ein Teil des Wassers auf der 4,5 Hektar-Fläche „geparkt“, sagt Anne-Kathrin Lappe, Sprecherin des Lippeverbands. © Lippeverband

Außerdem will der Lippeverband östlich der Flutrinne das schnurgerade Ufer natürlicher gestalten. „Uferentfesselung“ wird das genannt. Auf den ersten Blick wirke die Lippe „idyllisch“, sagt Lappe, aber bei genauerem Hinsehen werde deutlich, dass der Fluss mit Steinen in seine jetzige gerade Form gebracht worden sei, was auch die Fließgeschwindigkeit erhöhe. „Jetzt werden die Steine wieder entfernt.“ Einige Ausbuchtungen sollen entstehen. Die Sekundäraue und die Uferentfesselung kosten insgesamt 2,3 Millionen Euro.

Die Uferentfesselung sei nur „an ausgewählten Stellen“ möglich, sagt Lappe, schließlich rede man bei allen Maßnahmen auch über den dazu notwendigen Grunderwerb. Mit der Landwirtschaft sei man dazu in Gesprächen und biete im Gegenzug Entschädigungen oder Ersatzflächen an.

Mündung des Mühlenbachs

Während an der Maassenstraße die Bezirksregierung die Genehmigungsbehörde ist (die Gemeinde Schermbeck wird nur eine Stellungnahme abgeben), ist am Mündungsbereich des Mühlenbachs der Kreis Wesel Genehmigungsbehörde. Den Mühlenbach, der derzeit noch senkrecht auf die Lippe stößt, will der Lippeverband für 2,4 Millionen Euro im Bereich der Lippe von Kilometer 22,6 bis 23,9 in einigen Schleifen um insgesamt 271 Meter verlängern. 2,5 Hektar Fläche werden dafür genutzt.

So sieht der Plan des Lippeverbands für die Mündung des Mühlenbachs, der derzeit noch senkrecht auf die Lippe trifft, aus. In den Schleifen sollen sich Fische und Insekten ansiedeln.

So sieht der Plan des Lippeverbands für die Mündung des Mühlenbachs, der derzeit noch senkrecht auf die Lippe trifft, aus. In den Schleifen sollen sich Fische und Insekten ansiedeln. © Lippeverband

Zwei „Sohlgleiten“ sind am Beginn und in der Mitte des neuen Verlaufs geplant. Dabei handele es sich um Steinaufschüttungen im Wasser, die von Fischen zur Eiablage genutzt werden könnten, sagt Lappe. Außerdem brächten die Sohlgleiten mehr Sauerstoff ins Gewässer. Zudem wird eine sogenannte „Flutmulde“ angelegt, die eine ähnliche Funktion wie die Sekundäraue an der Maassenstraße übernehme, also als Überschwemmungsgebiet Hochwasserspitzen abfangen soll.

Totholz als Platz für Insekten

Zudem werde Totholz, also alte Stämme, an und ins Wasser gelegt, das ein „optimaler Platz für Insekten“ sei und auch die Eiablage begünstigten. Besonders die Köcherfliege, so Lappe, erfreue sich etwa am Totholz. Die Einmündung werde als Trichter gestaltet - realisiert wurde so etwas schon am Dattelner Mühlenbach. Das erhöhe die „Fischdurchgängigkeit“, so Lappe.

Die Gemeinde Schermbeck wird zu beiden Genehmigungsverfahren um Stellungnahme gebeten. Einwände hat die Verwaltung laut Andreas Eißing, stellvertretender Bauamtsleiter, nicht, aber die gemeindlichen Wirtschaftswege, die bei den Baumaßnahmen beansprucht werden, sollten nach Abschluss wiederhergestellt werden. Über die Stellungnahme berät der Planungs- und Umweltausschuss am Donnerstag (27. September).