
© Berthold Fehmer
Landhotel Voshövel: Hochzeits-Rekordsommer nach dem Lockdown
Coronavirus
„Wahnsinn“: So bezeichnet Hotelchefin Katharina Klump das Wechselbad der Gefühle, für das Corona im Landhotel Voshövel gesorgt hat. Bei den Hochzeiten gibt es derzeit einen Rekordsommer.
Neun neue Auszubildende konnte das Landhotel zum August-Anfang begrüßen. Die lernten das Hotel von der komfortabelsten Seite kennen: als Gäste. Von Sonntag auf Montag übernachteten die angehenden Köche und Köchinnen sowie Hotelfachmänner und -frauen im Hotel.
Normalerweise, berichtet Hotelchefin Katharina Klump, kommen Bewerber für einen Tag zum Probearbeiten ins Hotel, bevor die Ausbildungsverträge unterschrieben werden. Aufgrund des Lockdowns habe man in diesem Jahr „alle blind eingestellt“ und erst später einen Probetag vereinbart. „Alle sind an Bord geblieben.“
Ein außergewöhnliches erstes Ausbildungsjahr liegt hinter den acht Azubis, die 2020 starteten. Lukas Niermann (33) begann seine Ausbildung zum Koch im September 2020 - neun Wochen später musste das Hotel wegen des Lockdowns schließen. „Ich habe sechseinhalb Monate nicht gearbeitet.“
„Mein Wissen über Wein hat sich potenziert“
Mit Online-Schulungen per Zoom versuchte Familie Klump, die Mitarbeiter bei der Stange zu halten. „Mein Wissen über Wein hat sich potenziert“, sagt Niermann und lächelt. Cocktails mixen, Soßen ansetzen, Nudelteig machen oder auch mal eine Schwarzwälder Kirschtorte backen: All das lief über das Internet und teilweise auch in der Küche des Hotels. „Das sind teilweise Sachen, für die man sonst keine Zeit hat“, sagt Niermann. „So war die Zeit im Lockdown nicht ganz verloren.“

Die Auszubildenden Lukas Niermann, Björn Gores und Paula Heuvelmann hoffen, dass das kommende Jahr weniger unangenehme Überraschungen bereithält als das vergangene. © Berthold Fehmer
Auch Björn Gores (24), der nun am Landhotel in die Ausbildung startet, will Koch werden. Als ungelernter Koch hat er schon anderthalb Jahre gearbeitet, aber mit einer Ausbildung sieht er sich „für später besser aufgestellt“. Wenn Niermann und Gores mit der Ausbildung fertig ist, dürften sie „extrem gute Chancen auf eine gute Stelle“ haben, sagt Hotel-Chef Christopher Klump angesichts des Fachkräftemangels. Den gebe es weltweit, betont Klump.
„Immer aufmerksam sein“
Die 20-jährige Paula Heuvelmann ist seit dem 1. September 2020 im Landhotel, war aber aus einem anderen Betrieb zum Landhotel gewechselt. „Es passte nicht mehr.“ Auch sie kam, wie alle Mitarbeiter in diesem Jahr, beim „Pre Opening“ nach dem Lockdown schon in den Genuss, einen Tag als Gast im Hotel zu verbringen. „Total schön“ sei das gewesen, sagt sie, aber auch lehrreich, weil man die Sicht des Gasts einnehmen konnte. So habe sie gelernt, dass man „immer aufmerksam sein sollte und nachfragen, ob man etwas bringen kann“.
Diese Tage, bei denen jeweils die Hälfte der Mitarbeiter Gäste „simulierten“, seien als Testlauf wichtig gewesen, sagt Katharina Klump, um die Abläufe wieder einzustudieren. „Es war ein Super-Stresstest für alle.“ Dieser habe den Mitarbeitern auch Sicherheit gegeben nach monatelanger Zwangspause. Da man am Anfang nur draußen servieren durfte, habe man etwa erst bei einem Regenschauer gemerkt, dass ein Tisch nicht richtig überdacht war. „Da können wir keinen Gast hinsetzen.“
„Die Urlaubsreife merkt man“
Geradezu „euphorisch“ seien die ersten Gäste gewesen. „Die Urlaubsreife merkt man“, sagt Christopher Klump. Die Mitarbeiter berichten von sehr netten und entspannten Gästen, die die Abwechslung von Lockdown und Homeoffice schätzten. „Es gibt eine andere Wertschätzung als vor zwei Jahren“, sagt Klump.
Seit der Wiedereröffnung im Mai sei das Hotel ausgelastet, so Klump. Bei den Hochzeiten gebe es einen „Rekordsommer“, da auch viele Hochzeiten nachgeholt werden. Die Situation im Team sei auch ein andere als im vergangenen Sommer, da 95 Prozent mittlerweile durchgeimpft sind. Zweimal die Woche werden sie im Testzentrum auf dem Parkplatz getestet.
„Das Kurzarbeitergeld hat uns gerettet“, sagt Katharina Klump über die schweren Monate, als das Hotel schließen musste. Bei den Azubis stockten die Klumps das Kurzarbeitergeld permanent auf, bei den anderen Mitarbeitern in vier von sieben Monaten. Die November- und Dezemberhilfen seien im März eingegangen, berichten die Geschwister.
„Wir warten auf die Baugenehmigung“
Ein finanzielles Polster, das eigentlich für Umbaumaßnahmen des Festsaals eingeplant war, half bei der Überbrückung. Der bislang zurückgestellte Umbau soll nun wieder in Angriff genommen werden: „Wir warten auf die Baugenehmigung“, sagt Christopher Klump, der die leicht geänderten Pläne vorstellen will, wenn die Genehmigung da ist.
Noch steht das Ergebnis einer Klage aus. Die Geschwister Klump haben die Versicherung verklagt, die den Einnahmeausfall nach der Betriebsschließung für 30 Tage sicherstellen sollte. Doch die Versicherung will nicht zahlen. „Es war ein hartes Jahr - auch für die Versicherungen“, sagt Christopher Klump. Eigentlich wollte man mit anderen Gastronomiebetrieben zusammen klagen, doch das habe nicht funktioniert, da viele eine angebotene Vergleichssumme angenommen hätten, sagt Klump.
„Die haben auf 85 Prozent verzichtet“, so Katharina Klump über die anderen Betriebe, die teilweise weniger finanzielle Polster hatten. Die Geschwister rechnen damit, dass sie am Ende „zwischen 30 und 40 Prozent“ des Einnahmeausfalls erhalten könnten.
Berthold Fehmer (Jahrgang 1974) stammt aus Kirchhellen (damals noch ohne Bottrop) und wohnt in Dorsten. Seit 2009 ist der dreifache Familienvater Redakteur in der Lokalredaktion Dorsten und dort vor allem mit Themen beschäftigt, die Schermbeck, Raesfeld und Erle bewegen.
