Der Europarat hat zugestimmt, den Schutzstatus des Wolfes in der Berner Konvention von „streng geschützt“ auf „geschützt“ herabzustufen. Er schafft damit die Voraussetzungen dafür, dass in der Folge auch europäische und deutsche Naturschutzgesetze entsprechend geändert werden könnten.
Der Abschuss auffälliger Wölfe wäre damit einfacher, auch wenn für die Bejagung weiterhin strenge Regeln gelten würden, teilte kürzlich der NABU mit.
Die AG der NABU im Wolfsterritorium äußert zu dieser Entwicklung „massive Kritik“, denn das Vorhaben sei nicht wissenschaftlich abgesichert und daher ausschließlich politisch motiviert. Im Ergebnis führe es zu einer Scheinlösung, die weder den Weidetierhaltern noch dem Natur- und Artenschutz nütze.
Kein Schutz für Weidetiere
„Bejagung von Wölfen schützt Weidetiere nicht“, wird etwa Frank Boßerhoff vom NABU Wesel in einer Pressemitteilung zitiert. „Das betonen Wissenschaftler immer wieder. Auch aktuelle Erfahrungswerte hier aus der Region zeigen, dass das Rissgeschehen zunimmt, wenn erfahrene Elterntiere in Jungtiere führenden Rudeln plötzlich fehlen. Außerdem können jederzeit Wanderwölfe auftauchen, die ein geeignetes Wolfsterritorium schnell wieder besetzen. Bleiben die Zäune - von einigen beispielgebenden Ausnahmen abgesehen - so schlecht wie im Moment, ist nichts gewonnen. Ausschließlich flächendeckend guter Herdenschutz führt zum Ziel.“
Wölfe in der Region
Martin Frenk vom NABU Borken wird zitiert: „Zum Monitoring sind die Behörden nur bei streng geschützten Arten im Anhang II und IV der europäischen FFH-Richtlinie verpflichtet. Mit den geplanten Gesetzesänderungen und der Umschreibung des Wolfes in den Anhang V würden diese Verpflichtung entfallen. Die regionalen Behörden scheinen sich darauf bereits einzustellen, denn seit etwa zwei Jahren werden für den Kreis Wesel kaum noch Funde von Wolfslosungen und Fotos aus Wildkameras ausgewertet.
Über die Wölfe der Region weiß man - anders als in den Vorjahren - aktuell daher wenig bis nichts. Bleibt die Beobachtung der Wölfe weiterhin so schlecht, sind die Weidetierhaltenden der Region vor Überraschungen nicht sicher.“
Förderung von Zäunen
„In unseren Augen ist weiterhin fraglich, ob die Förderung von wolfsabweisenden Zäunen sowie Herdenschutzhunden und die Entschädigung für durch Wölfe gerissene Tiere dann langfristig weitergezahlt wird“, so Rolf Fricke vom NABU Bottrop.
Auch das sei auf lange Sicht vermutlich an den Schutzstatus „streng geschützt“ gekoppelt. Für Schäden am Geflügel durch Beutegreifer wie Fuchs und Marder zahle das Land schließlich auch nicht.
Geeigneter Raum
In der Pressemitteilung der EU-Kommission heißt es, dass der Wolf eine geschützte Art bliebe und die Mitgliedstaaten der EU weiterhin einen günstigen Erhaltungszustand erreichen bzw. aufrechterhalten müssten. Zusätzlich stellt der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 29. Juli 2024 klar, dass der Wolf auf regionaler Ebene nicht als jagdbare Art ausgewiesen werden darf, sofern der Erhaltungszustand auf nationaler Ebene „ungünstig“ ist.
Dies sei auch dann der Fall, wenn in einer betroffenen Region der Wolf nicht im Sinne der FFH-Richtlinie als „streng geschützt“ einzustufen ist. Günstig ist der Erhaltungszustand nach einer Definition des Bundesumweltministeriums dann, wenn Wölfe jetzt und auch in Zukunft überall dort anzutreffen sind, wo sie von Natur aus leben können.
Der NABU weist darauf hin, dass es sowohl in Deutschland als auch in NRW noch sehr viel geeigneten, aber bisher von Wölfen ungenutzten Raum gebe, der national günstige Erhaltungszustand nach Daten der „Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes für den Wolf“ (DBBW) demnach noch lange nicht erreicht sei. Ein leichterer Abschuss von Wölfen rund um Schermbeck sei also so schnell nicht zu erwarten.
Schutz-Status des Wolfes
Um den Schutzstatus des Wolfes dauerhaft zu senken, bedarf es laut NABU noch einiger politischer Akte: Nach Inkrafttreten der jetzt beschlossenen Änderungen der Berner Konvention im März 2025 müsse zunächst auf europäischer Rechtsebene die FFH-Richtlinie geändert werden. Dazu bedarf es nach Artikel 19 des Gesetzes der Einstimmigkeit im Europarat.
Da es bereits beim Antrag zur Änderung der Berner Konvention Gegenstimmen und Enthaltungen gab, könne das schwierig werden. Im Anschluss müsse auf nationaler Ebene das Bundesnaturschutzgesetz geändert und regional in Umsetzungs-Verordnungen konkretisiert werden. Auch vor diesem Hintergrund sei nicht zu erwarten, dass Änderungen im Wolfsterritorium Schermbeck-Dämmerwald kurzfristig erfolgen werden.
Schlechte Zäune als Training
In Deutschland, aber gerade auch in der hiesigen Gegend würde die Entwicklung dazu führen, so die AG der regionalen NABU-Organisationen, dass Weidetierhalter nicht mehr weiter am Ausbau des empfohlenen Herdenschutzes arbeiten, sondern der permanente Ruf nach Abschussgenehmigungen im Fokus stehen werde. Wölfe könnten weiterhin an schlechten Zäunen trainieren und würden vermutlich dann auch hin und wieder die guten Zäune der vorbildlich schützenden Weidetierhaltenden überwinden.
Das alles werde weder die Aufgaben der Tierhaltenden vereinfachen, noch das Leben der Weidetiere sichern. Auch helfe es der Ökologie unserer Wälder nicht, in denen der Wolf als großer Beutegreifer eine wichtige Aufgabe hat. Martin Frenk dazu: „Es werden künftig vielleicht mehr Wölfe geschossen, aber das Problem bleibt. Außer dem Ausbau von sachgerechtem und flächendeckendem Herdenschutz gibt es keine echte Lösung.“