
© EGLV/Fritsche, Andreas
Großbaustelle am Mühlenbach wird schneller fertig als geplant
Mühlenbach
Schneller als geplant kommt der Lippeverband derzeit an seiner Mammut-Baustelle am Mühlenbach voran. Erstaunliche Zahlen kann Projektleiter Wolf Debus dabei präsentieren.
Wo Ende Juni Umweltministerin Ursula Heinen-Esser zum Startschuss des Projekts noch auf einer Wiese an der Lippe stand, haben die Bagger mittlerweile Tausende Tonnen Boden gebaggert. „35.000 Tonnen Bodenaushub“ werden laut Projektleiter Wolf Debus am Ende insgesamt entfernt worden sein, um dem Schermbecker Mühlenbach mehr Raum zu geben. Das Projekt ist mit 4,5 Millionen Euro eingeplant.
2,60 Meter Höhenunterschied sind vom Startpunkt der Maßnahme bis zur Lippemündung zu überwinden. Der „alte“ Mühlenbach hatte dafür 190 Meter, der „neue“ Mühlenbach wird 460 Meter Länge bekommen. Der Bach wird also 270 Meter länger.

Wolf Debus zeigt auf dem Plan den geschlängelten Verlauf des Mühlenbachs, den die Bagger bereits freigelegt haben. © Berthold Fehmer
Wie schnell das Ausbaggern des neuen Bachbetts ging - davon war sogar Debus überrascht. In den Baggern gebe es mittlerweile moderne Technik, unter anderem GPS, die dem Fahrer ermöglicht, anhand eines Geländemodells jederzeit zu sehen, wo noch wie viel gebaggert werden muss. „Faszinierend“, so Debus. Ein ständiges Vermessen der Baustelle sei so nicht mehr erforderlich.
Jahresende wird angepeilt
Außerdem habe man Glück gehabt, da die Firma drei statt zwei Baggern habe einsetzen können. Vielleicht sei man schon Ende des Jahres fertig und brauche den Januar nur noch für Restarbeiten, hofft Debus. Das wären dann fast zwei Monate weniger als ursprünglich geplant.

Etwa auf der Hälfte des neuen Verlaufs fließt der Mühlenbach derzeit durch ein Rohr in die Lippe. © Berthold Fehmer
Etwa die Hälfte seines neuen Verlaufs nutzt der Mühlenbach bereits - durch ein Rohr fließt er in die Lippe. Im oberen und unteren Bereich sollen aber noch sogenannte Sohlgleiten angelegt werden.
Sohlgleiten muss man sich wie Treppenstufen im Gewässer vorstellen, die später von Fischen genutzt werden können, um im Bach von oben nach unten und vor allem von unten nach oben zu gelangen. Durch kleine Schlitze können etwa Stichling oder Bachforelle ins nächsthöhere Becken gelangen, dort ausruhen und weiterwandern.
Kormorane am „Drive In“
Die Gestaltung der Fischtreppe ist dabei nicht so trivial wie es scheint. Nicht nur die Beschaffung der Steine sei ein Problem gewesen, berichtet Debus. Es waren auch einige Berechnungen notwendig. „Damit die Kormorane sich nicht am Drive In bedienen können“, sagt Anne-Kathrin Lappe, Sprecherin des Lippeverbands, schmunzelnd. Im Mühlenbach können die Fische bachaufwärts wandern bis zum Wehr am Mühlenteich am Rathaus, das sie nicht überwinden können.
Sehr hochwertig sei der Boden gewesen, den man ausgebaggert habe, sagt Debus. Aufgebracht wurde er an zwei Stellen in der Nähe auf landwirtschaftlichen Flächen. Darüber sei man froh, so Lappe, da man den Boden so nicht kilometerweise abtransportieren musste.

Bei den Baggerarbeiten gefundenes Totholz wird Insekten und anderen Lebewesen als Unterschlupf dienen. © Berthold Fehmer
Gefunden hat man im Boden aber auch alte Bäume, die nun zum Teil als Totholz am neuen Bachverlauf Insekten und anderen Tieren Unterschlupf geben sollen. Alte, schützenswerte Schilfbestände wurden umgepflanzt.
Bürgermeister Mike Rexforth, der das Projekt in höchsten Tönen lobt, schlägt vor, dass man auch für Reptilien separate Bereiche mit Steinen schaffen könne. Früher habe es am Mühlenbach viele Reptilien wie Eidechsen oder Blindschleichen gegeben. Diese Anregung will Debus aufnehmen. Möglichst ungestört soll sich die Tier- und Pflanzenwelt später entwickeln können. „Die Baustraße wird abgebaut“, so Debus. Für Spaziergänger werde es keine Wege geben.
Toter Arm des Mühlenbachs wird abgebunden
Ein toter Arm des alten Mühlenbachverlaufs wurde von dem neuen Verlauf „abgebunden“, wie es Debus nennt. Der schattige Bereich sei für viele Tiere als Versteck wichtig, so Anne-Kathrin Lappe. Falls es zu besonderen Hochwasser-Lagen kommt, kann aber auch hier das Wasser gestaut werden.

Große Massen an Boden wurden von den Baggern bewegt. © EGLV/Fritsche, Andreas
Normalerweise fließen im Schnitt 150 Liter Wasser pro Sekunde vom Mühlenbach in die Lippe, sagt Debus. Bei einem Hochwasser, wie es alle zehn Jahre vorkommt, sind es schon 5000 Liter. Die Niederschlagsmengen seien über die Jahre gesehen relativ konstant, aber die Verteilung ändere sich. Längere Trockenphasen und heftige Starkregen-Ereignisse häuften sich. Solche „Starkregenzellen“, wie sie im Sommer bei der Unwetterkatastrophe aufgetreten sind, seien, so Anne-Kathrin Lappe, „eine Herausforderung für die nächsten Jahrzehnte“.
Ebenfalls als Retentionsfläche geplant ist der Auenwald auf der gegenüberliegenden Seite der Maassenstraße. Dort wurden im Frühjahr ebenfalls große Erdmassen bewegt - seitdem ging es auf dem Gelände nicht mehr vorwärts. Die Firma habe das Anpflanzen der Bäume verschoben, weil man einen erneut zu trockenen Sommer fürchtete, in dem die frisch gepflanzten Bäume dann eingegangen wären, so Debus.
„Wahrscheinlich hätte es in diesem Sommer funktioniert“, sagt Debus in der Rückschau. Er rechnet damit, dass die Pflanzarbeiten in den kommenden Wochen am Auenwald starten werden.
Berthold Fehmer (Jahrgang 1974) stammt aus Kirchhellen (damals noch ohne Bottrop) und wohnt in Dorsten. Seit 2009 ist der dreifache Familienvater Redakteur in der Lokalredaktion Dorsten und dort vor allem mit Themen beschäftigt, die Schermbeck, Raesfeld und Erle bewegen.
