
© Berthold Fehmer
„Frisieren“ von Pedelecs kann legal und sinnvoll sein
Pedelec
Ab 25 km/h wird die Motor-Unterstützung von Pedelecs abgeschaltet. Das „Frisieren“ der Elektronik kann manchmal sinnvoll sein und ist dann auch legal, sagt Hauptkommissar Adolf Grill.
Der Pedelec-Boom sei durch Corona erneut verstärkt worden, sagt Hauptkommissar Arno Heinemann. Auch durch die Verkaufssteigerung sei die Tatsache begründet, dass Pedelecs häufiger in Unfallberichten auftauchen. Oft sind dann Senioren betroffen, die mit der neuen Technik Probleme bekommen. „Das ist etwas anderes, als sie 60 oder sogar 70 Jahre gewohnt waren“, sagt Heinemann.
Er und Adolf Grill hatten für Montag mit Achim Woitek von der Verkehrswacht Wesel zu einem Pedelec-Training für Senioren in die Gemeinschaftsgrundschule Schermbeck eingeladen. Im Sommer sei ein ähnliches Training noch gut besucht gewesen, sagt Heinemann - an diesem Montag waren es aber nur zwei Teilnehmerinnen.
„Das halten Sie nicht mehr fest“
Margot Alfers (70) hat ihr Pedelec seit dem Frühjahr. „Ich bin beim Absteigen auch schon mal hingefallen, und weiß bis heute eigentlich nicht warum.“ Die Polizisten kennen solche Sätze. Oft würden beim Absteigen die Pedale nach vorn bewegt und der Motor bekomme über einen Sensor die Anweisung zum Losfahren. „Der schiebt dann mit 250 Watt - das halten Sie nicht mehr fest“, sagt Heinemann. Meistens würden die Radfahrer aber genau das versuchen. Grill: „Das ist ein Reflex.“
Annette Gay-Blömker (64) hat ihr Dreirad-Pedelec erst seit Kurzem und viel Respekt vor dem Gerät. Sie sei mit dem Vorderrad schon mal in eine Rille gefahren und gestürzt. Dreiräder seien eigentlich nicht so anfällig für Stürze, sagt Heinemann, aber auch, dass das beim Kurvenfahren anders sei. Denn während man sich beim Zweirad in die Kurve lege und dadurch der Schwerpunkt nach unten verlagert werde, ist das beim Dreirad ausgeschlossen. Und dann wirken die Fliehkräfte.
„Das ist wie ein Thriller“
Auf dem Pedelec-Simulator können die beiden Damen ausprobieren, wie Geschwindigkeit, Reaktionszeit, Anhalte- und Bremsweg zusammenhängen. „Das ist wie ein Thriller“, sagt Gay-Blömker, während sie strampelnd darauf achtet, wann auf dem Bildschirm vor ihr eine gefährliche Situation entsteht, die ein Abbremsen erfordert. Ihre Reaktionszeit und Geschwindigkeit werden dann gemessen und daraus ein Anhalte- und Bremsweg errechnet. Schnell fahre sie sowieso nie, sagt Gay-Blömker.
Grill hat für sie und ihr Dreirad einen Tipp. Wenn ihr das Pedelec zu schnell sei, könne ihr Fahrradhändler die maximale Motorunterstützung auch auf einen geringeren Wert als 25 km/h einstellen. Dieses „Frisieren“ sei legal, sagt Grill. Umgekehrt bewirkt eine Erhöhung der maximalen Geschwindigkeit das Erlöschen von Garantieansprüchen sowie das Verbot, im Straßenverkehr zu fahren. Selbst, wenn man hinterher die Elektronik wieder auf den alten Stand bringe, sei die zwischenzeitliche Erhöhung später nachweisbar, so Heinemann.
Berthold Fehmer (Jahrgang 1974) stammt aus Kirchhellen (damals noch ohne Bottrop) und wohnt in Dorsten. Seit 2009 ist der dreifache Familienvater Redakteur in der Lokalredaktion Dorsten und dort vor allem mit Themen beschäftigt, die Schermbeck, Raesfeld und Erle bewegen.
