150 Jahre Eisenbahn in Schermbeck: Man muss schon ganz genau hinschauen, wenn man die Spuren der Eisenbahngeschichte im Schermbecker Raum erkennen will. Die Bahngleise sind ebenso verschwunden wie die Bahnhöfe, Stellwerke und Streckenposten. Selbst die ehemals schnurgerade Bahntrasse, auf der inzwischen ein kombinierter Fahrrad- und Fußweg angelegt ist, wuchert allmählich zu und lässt kaum noch vermuten, dass auf dieser Strecke vor 150 Jahren Fernzüge in Richtung Hamburg und Paris rollten.
Erste Pläne für Eisenbahnlinie
Bereits Ende der 1820er-Jahre tauchte das Projekt einer Eisenbahnlinie über Wesel auf. Eine eigens gegründete Rhein-Weser-Gesellschaft scheiterte und wurde 1839 aufgelöst. Der Gedanken einer Eisenbahnlinie über Wesel kam dem Franzosen Mouton, der eine Kapitalgesellschaft bilden und die Strecke bauen wollte.
Der Schermbecker Bürgermeister Maassen bemühte sich um einen Bahnanschluss für Schermbeck, weil er sich von der neuen Bahn wirtschaftliche Impulse erhoffte. Um die Wichtigkeit eines Schermbecker Bahnanschlusses hervorzuheben, wies Maassen im Dezember 1867 auf die großen Holztransporte von und zur Holzhandlung Prinz und Sohn hin. Nicht minder sei der Getreidetransport, ferner die Beförderung von Eisenstein, „der sich in hiesiger Nähe in guter Qualität und großer Quantität findet.“
Vorarbeiten für den Bau
Erst 1871 gingen die Vorarbeiten für den Bau der Eisenbahnstrecke wieder zügig voran. Im Dezember 1871 beteiligte der Abteilungsbaumeister Arndts in Dorsten auch die Schermbecker an einer Ausschreibung zur Erstellung von Wärterbuden. Als schwierig erwies sich der Wegebau in den Gemeinden Damm, Bricht und Schermbeck. Für viele Grundstückseigentümer bedeutete der Bau des Baudamms eine Durchschneidung ihrer Felder. Kein Wunder, dass sie sich nicht so leicht zum Verkauf bereit erklärten und hohe Abfindungen verlangten.
Königliche Bauverwaltung
Im April 1872 schickte die königliche Bahnverwaltung einen Situationsplan und fünf Bauzeichnungen für den geplanten Bahnhof nach Schermbeck. In den Jahren 1872 und 1873 suchte die Bahnverwaltung verstärkt Mitarbeiter. Zahlreiche Bürger aus dem Amt Schermbeck fanden eine Beschäftigung. So wurde die Bahn schon vor der Eröffnung der Strecke zu einem beachtlichen Wirtschaftsfaktor. Die Abschlussrevision, die an der Grenze zwischen Drevenack und Obrighoven begann, nahmen Abteilungsbaumeister Buddenberg und Bürgermeister Maassen am 8. Oktober 1873 um 11 Uhr gemeinsam teil.
Fernzüge in Schermbeck
Am 1. März 1874 wurde die Strecke von Wesel nach Haltern eröffnet, doch bis der erste Zug den Rhein überquerte, sollten noch zehn Monate verstreichen. Erst musste die Weseler Rheinbrücke fertiggestellt werden. Am Silvester-Tag des Jahres 1874 wurde die Bahnlinie für den Verkehr in Richtung Venlo freigegeben. Von da an rollten Fernzüge auch durch Schermbeck.
Einmal durch Schermbeck
Am 1. Juli 1906 erhielt auch Damm eine Haltestelle. Vier Jahre später wurde die Erweiterung des Schermbecker Bahnhofs genehmigt, und im Dezember 1914 konnte das zweite Gleis für den Schienenverkehr übergeben werden. Ob Kaiser Wilhelm II. am 4. Juni 1913 bei seiner Fahrt mit dem Sonderzug von Potsdam nach Geldern vom Schermbecker Bahnhof und von der Dammer Haltestelle Notiz nahm, ist ungewiss.

Die Bedeutung der Bahnstrecke, auf der 1935 zwei Eilzüge und 18 Personenzüge täglich verkehrten, war hoch. Ob als Bahnhofsvorsteher, Postenwärter, Stellwerker, Fahrdienstleiter oder Rottenarbeiter: Die Bahn bot vielen Familien einen Arbeitsplatz.
1978 hat der inzwischen verstorbene Altschermbecker Otto Vitt sich über die Bedeutung der Eisenbahn im alten Schermbeck geäußert: „Der Pulsschlag von Handel und Gewerbe war in Schermbecks Bahnhof zu fühlen. Von morgens früh bis abends spät erfüllte rege Betriebsamkeit Schalter, Güterschuppen und Verladerampen.“ Weiter berichtete Vitt: „Nicht zu übersehen und vor allem nicht zu überhören, waren die Schüler, die in Wesel oder Dorsten das Gymnasium besuchten.“
Ende der Eisenbahnstrecke
Das Ende der Eisenbahnstrecke durch Schermbeck vollzog sich in raschen Schritten. Busse wurden eingesetzt. Lastwagen übernahmen den Gütertransport. Das zweite Gleis zwischen Schermbeck und Drevenack wurde 1947 stillgelegt. Die Schließung des Dammer Haltepunktes zu Weihnachten. Aus Rentabilitätsgründen wurde im Jahre 1957 der Eilzugverkehr eingestellt.
Fahrbahnwechsel
Den Personenverkehr verlagerte man zum Fahrplanwechsel am 30. September 1962 auf Bahnbusse. Güterzüge fuhren allerdings noch bis 1974. Genau 100 Jahre nach der Eröffnung der Bahnstrecke kam das endgültige Aus. Der Kommunalverband Ruhrgebiet erwarb einen Teil der ehemaligen Gleisanlage. Nach der Demontage der Gleise wurde zwischen Schermbeck und Wesel ein Fahrrad- und Wanderweg angelegt. 1978 brannte das Bahnhofsgebäude ab. Am ehemaligen Schermbecker Bahnhof ist die Strecke mittlerweile vom Gewerbegebiet Heetwinkel überbaut worden.
Letzte Reise des Güterzugs
Die Strecke zwischen Schermbeck und Dorsten war noch bis 1985 für den Güterverkehr in Betrieb. „Mit einem Trauerflor versehen und mit Birkenzweigen geschmückt, ging der Güterzug von Schermbeck nach Hervest-Dorsten am gestrigen Nachmittag auf seine letzte Reise“, berichteten die Ruhr-Nachrichten am 1. Oktober 1985. Die Gleise zwischen Schermbeck und Dorsten wurden erst im September 1995 entfernt und an Privatfirmen veräußert.
