Der Verkehrsversuch in Schermbeck läuft (Stand: Dienstag, 23. Mai) seit etwas mehr als einer Woche. Besonders in den Sozialen Medien gibt es deswegen heiße Diskussionen. Teilweise kommt es gar zu Beleidigungen.
„Insbesondere für die Sozialen Medien ist das typisch: Dort sind eher die Kritiker vertreten“, sagt Thomas Nübel von der Verwaltung. Auf der anderen Seite erlebe er aber auch positive Rückmeldungen. „Wenn wir draußen sind, bekommen wir auch Lob. Die sagen zumindest: Gut, dass etwas getan wird.“
Der Verkehrsversuch an sich sei mit einigen Schwierigkeiten angelaufen, erklärt er. „Es gibt viele Stellen, wo die Verkehrsführung nicht so klar ist, wie man es erwartet hättet.“ Dass es an den ersten Tagen Chaos geben würde, sahen die Verkehrsplaner allerdings auch voraus.
Beispiel Mittelstraße
Zum Beispiel an der Mittelstraße: Die ist seit Montag (15. Mai) nur noch von Norden aus befahrbar. Eine Schranke im Süden, an der Ecke zur Schienenbergstege, verhindert die Durchfahrt. Ausgeschildert hatte die Gemeinde diese Neuerung erst nur an den Zufahrtstraßen zum Ortseingang. „Wir dachten, für Fahrer aus anderen Orten reicht das“, so Nübel. Die Schermbecker, so dachte die Verwaltung, wüssten aufgrund der zahlreichen Diskussionen und Informationen vorher Bescheid.
So kam es am ersten Tag des Versuches dazu, dass viele Autofahrer probierten, die Mittelstraße von Norden nach Süden zu durchfahren. Das Chaos belief sich laut Nübel allerdings auf den Montag und Dienstag. „Danach war der Lerneffekt da.“ Mittlerweile ist die Sackgasse im Süden der Mittelstraße auch an der Einfahrt im Norden ausgeschildert.
Problemzone Marellenkämpe
Eine Problemzone, die in den ersten Tagen des Verkehrsversuches für viel Ärger sorgte, war die Marellenkämpe. Für den Versuch wurde diese Straße geöffnet, damit Autofahrer Schermbeck kleinräumig von Süden nach Norden umfahren können. Die Anwohner stört das aus zweierlei Gründen:
- Zum einen sorgen sie sich um die Sicherheit von Fahrradfahrern, die den Fahrradweg nutzen, der die Marellenkämpe kreuzt.
- Zum anderen war die westliche Marellenkämpe seit Jahren eine verkehrsberuhigte Zone. Ratsherr Hubert Große-Ruiken (CDU) hatte am ersten Tag des Versuches an der Marellenkämpe erklärt: „Die haben im Prinzip einen Luxus hier gehabt – nämlich keinen Verkehr vor der Tür. Dafür hatten die anderen Straßen den Verkehr. Aus dieser Wohlfühlatmosphäre kommen sie jetzt natürlich raus.“
Weiterer Ärger
Zahlreiche Anwohner hatten am ersten Tag des Versuches gegen die Öffnung demonstriert. Bürgermeister Mike Rexforth konnte die Situation durch seine besonnene Reaktion beruhigen. Doch auch danach soll die Marellenkämpe für Ärger gesorgt haben, wie aus zahlreichen Einträgen in den Sozialen Medien hervorging.
So schrieb ein User: „Autofahrer werden nach Unterschriften gebeten, was für lange Rückstaus bis auf den Kappellenweg sorgt, und Fahrradfahrer werden angegangen von Anwohnern, wenn sie versehentlich auf der falschen Spur fahren.“ Ein anderer postete ein Bild davon, wie einige Anwohner an der Straße stehen, mit dem Kommentar: „Um 19.30 Uhr, wenn man von der Zehn-Stunden-Arbeit kommt und an der Marellenkämpe ein Trillerpfeifkonzert stattfindet ...“
Gregor Sebastian widerspricht den Facebook-Kommentaren, für die Interessensgemeinschaft Marellenkämpe erklärt der Anwohner: „Es stimmt gar nicht, dass Autofahrer angehalten wurden, um eine Unterschrift zu leisten. Die Autofahrer kamen mit geöffneten Fenstern und baten darum, eine Unterschrift leisten zu können.“ Gleiches gelte für Fußgänger und Radfahrer.
Bezüglich des Trillerpfeifenkonzerts erklärt Sebastian, dass nur eine Person pfiff. „Wir haben der Person gesagt, dass sie das Einstellen soll, was dann auch getan wurde.“ Insgesamt sei die Polizei viermal vor Ort gewesen und hätte nichts zu beanstanden gehabt.

Um die Sicherheit der Fahrradfahrer zu erhöhen, hat die Verwaltung zum Friedhof hin eine Umlaufstelle mit Baubaken errichtet. So können Radfahrer die Marellenkämpe nicht in hohem Tempo kreuzen. Auf der gegenüberliegenden Seite gilt „rechts vor links“. Auch hierüber gab es in den Sozialen Medien einige Diskussionen, ob das aufgrund des abgesenkten Bordsteins rechtens wäre. Nübel hierzu: „Es ist eine temporäre Öffnung. Die bauliche Situation gibt es nicht her. Deswegen haben wir das Rechts-vor-Links-Schild aufgestellt.“
Tempo 10 nicht möglich
Auf einen Vorschlag einer Anwohnerin prüfte die Verwaltung zudem, ob es möglich wäre, an der Stelle Tempo 10 einzuführen. Wie die Straßenverkehrsbehörde der Verwaltung mitteilte, ginge das aber nur unter bestimmten Voraussetzungen, die an der Marellenkämpe nicht vorliegen. „Grundsätzlich kann man Tempo 10 in Tempo-30-Zonen nicht machen“, so Nübel.
Was die Verwaltung stattdessen gemacht hat: An der Marellenkämpe hängt mittlerweile eine Geschwindigkeitsmesstafel, die ein Lachen zeigt, wenn Autofahrer sich an die vorgegebene Geschwindigkeit halten.

Grundsätzlich funktioniere der Versuch, erklärt Nübel aber auch. Die Verwaltung erkenne, dass sich der Verkehr innerorts verringert. Allerdings halten sich noch nicht alle Verkehrsteilnehmer an die Verkehrszeichen und die neue Verkehrsführung – auch wenn sich die Schermbecker immer mehr mit dem Versuch arrangieren. Die Stellen, an denen sich einige Verkehrsteilnehmer trotz der Beschilderung nicht an die aktuelle Verkehrsführung halten, seien an die Polizei weitergegeben, so Nübel.
Aktuell suche die Gemeinde nach weiteren Möglichkeiten, um den Verkehr zu lenken – außerhalb des Verkehrsrechts. „Die rechtliche Lage ist klar“, sagt Nübel, „aber das heißt nicht, dass es die Verkehrsteilnehmer auch sehen.“ Als Beispiel für eine Maßnahme, die nicht mit dem Verkehrsrecht abgesprochen sein muss, nennt er beispielsweise Banner.
Das sagt die Werbegemeinschaft
Geäußert hatte sich zuletzt zudem die Schermbecker Werbegemeinschaft, von denen viele als Wirtschaftsunternehmer auf der Mittelstraße direkt betroffen sind. Sie werben für eine sachliche Diskussion. „Geben Sie dem Versuch bitte vier Wochen Zeit, dann können wir erste verlässliche Aussagen treffen“, heißt es in einem Statement des Vorstandes. Mit Fragebögen wolle sie sich an ihre Kunden wenden.
„Sollte es zu auffälligen Störungen oder Veränderungen im Kundenverhalten kommen oder gar zu einer belegbaren Abwanderung der Kaufkraft aus unserer Gemeinde, dann müssen wir dieses mithilfe der Kunden dokumentieren und zügig Gespräche mit der Politik suchen“, erklärt der Vorstand. „Dann muss es schnelle Nachbesserungen oder gar den Abbruch dieses Experimentes geben.“
Grundsätzlich heißt es aber vonseiten der Werbegemeinschaft: „Wir geben dem Verkehrskonzept aktuell die Chance, die es braucht, um aussagekräftige Schlussfolgerungen ziehen zu können.“
Die Schranken an der Mittelstraße sowie am Kappellenweg waren beide kaputt. Die an der Mittelstraße ist bei einem Verkehrsunfall am Sonntagabend gegen 20.45 Uhr beschädigt worden. Die Ursache für die Beschädigung der Schranke am Kappellenweg lag der Verwaltung nicht vor. Beide Schranken sind am Dienstag (23. Mai) repariert worden.
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