„Zwei, drei Tage wird es Chaos geben.“ Diese Worte wählte Verkehrsplaner Hans-Rainer Runge (Runge IVP) im Rat im Februar, um die Schermbecker auf den viermonatigen Verkehrsversuch einzustimmen. Zumindest für den ersten Tag des Versuchs gilt: Er hat recht behalten.
So war vielen nicht klar, dass sie nördlich zwar in die Mittelstraße reinfahren können, an der Ecke zur Schienenbergstege aber nicht mehr rauskommen. Lediglich dem Rettungsdienst, der Polizei sowie Bussen ist das mithilfe eines Drückers möglich. Mit dem können sie die Schranke öffnen, die die Durchfahrt zum Rathaus in Schermbeck hin versperrt.
Einen Autofahrer interessierte das wenig. Er raste mit hoher Geschwindigkeit einem Bus hinterher und schlüpfte gerade soeben durch die noch geöffnete Schranke.

Der Vorwurf der betroffenen Autofahrer: Die Beschilderung sei nicht ausreichend. Thomas Nübel von der Verwaltung dazu: „Wir haben die Sperrung der Mittelstraße im Süden weiträumiger beschildert.“ Sprich: Schilder stehen an den Ortseingängen von Schermbeck an der Erler Straße, der Freudenbergstraße sowie der Dorstener Straße. Aufgrund der Rückmeldungen wolle man nun aber auch kurz vor der Mittelstraße die Sackgasse ausschildern.
Chaos an der Marellenkämpe
Chaos gab es bis in den späten Nachmittag hinein auch in der Marellenkämpe. Die wird nämlich – zumindest solange der Versuch dauert – für den Verkehr geöffnet. So können Schermbecker den Ort kleinräumig umfahren. Allerdings zum Ärger der Anwohner.
Zahlreiche Anwohner der Marellenkämpe versammelten sich auf der Straße und demonstrierten gegen die Öffnung. Sie hielten Plakate in die Höhe – und vor allem: Sie verhinderten damit den Aufbau von Schildern sowie das Abmontieren der Verkehrspoller, die die Durchfahrt versperrten.
Sorge vor Unfällen ist groß
Hülya Kocak wohnt schon lange in der Marellenkämpe. Sie berichtet: „Man muss hier morgens kurz vor 8 Uhr herkommen, um zu sehen, wie viele Leute den Geh- und Radweg hier benutzen.“ Ihre Sorge: Unfälle mit den Schülern, die die Straße mit ihren Fahrrädern queren.
Silvia Konze, eine weitere Anwohnerin, ärgert sich über den erneuten Versuch, die Marellenkämpe zu öffnen. „Es ist das dritte Mal in 32 Jahren.“ Als die gebürtige Schwarzwälderin vor 32 Jahren das Haus mit ihrem Mann kaufte, sei klar gewesen, dass es eine verkehrsberuhigte Lage ist. Das sei jetzt erst einmal nicht mehr der Fall.

Bürgermeister Mike Rexforth sowie Politiker von CDU, Grünen, der PARTEI sowie der SPD waren gekommen, um mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. Rexforth versuchte, den Menschen ihre Sorgen zu nehmen.
Beispiel Sicherheit der Kinder: „Als Familienvater kann ich die Sorgen der Anwohner nachvollziehen“, sagte er. „Ich würde wahrscheinlich genauso handeln, würde ich hier wohnen.“ Als Verantwortlicher der gesamten Gemeinde sei es aber die Aufgabe, Lösungen für den ganzen Ort zu finden. „Es gehört dazu, politisch getroffene Entscheidung umzusetzen.“
Um die Sicherheit der Radfahrer und Fußgänger an der Marellenkämpe zu erhöhen, sind Störer aufgestellt worden, damit Fahrradfahrer nicht mit hohem Tempo durchfahren können. Eine Bürgerin regte zudem an, das Tempo für Pkw von 30 auf 10 zu senken. „Das werden wir prüfen“, so Rexforth.

Thomas Nübel von der Verwaltung rechnete zudem nochmal vor: Laut dem Gutachten fuhren bislang im Bereich der westlichen Marellenkämpe 400 Pkw entlang. Nun sollen es zirka 1.200 Pkw sein. 1.000 sollen am Tag die neue Durchfahrt nutzen. Im Bereich der östlichen Marellenkämpe bei Aldi werde es bei etwas mehr als 2.000 Pkw am Tag bleiben.
Rexforth argumentierte, warum es nötig gewesen sei, ein Verkehrskonzept für Schermbeck aufzustellen: Zum einen müssen bald Teile der Bewässerungsanlage sowie der Hauptwasserversorgung, die durch die Mittelstraße verlaufen, saniert werden. „Dann wird die Mittelstraße für den Verkehr fast komplett zu sein. Das ist der Aufhänger, warum wir das machen.“
Ein weiterer Grund ist der Klimaschutz. Im gesamten Kreis Wesel gibt es keine Kommune, in der die Pkw-Zahl pro Kopf höher ist, als in Schermbeck. Ein Ziel des Verkehrsversuches ist es, den Schermbeckern die Fahrt mit dem Fahrrad attraktiver zu machen. Wer auf das Auto angewiesen ist, kann allerdings weiterhin durch den Ort fahren – nur eben nicht mehr von Süden aus durch die Mittelstraße.
„Faul und bequem“
Auch er selber sei „faul und bequem“ gewesen, gestand Rexforth auf den Vorwurf einer Anwohnerin, dass er selbst mit dem Auto regelmäßig durch die Mittelstraße gefahren sei. Eines sei aber klar: „Wir müssen zusammen versuchen, die Pro-Kopf-Autoquote runterzubekommen.“
Fragen zum Verkehrsversuch hatte auch Stephan Steinkühler (Grüne). Das Ratsmitglied fragte noch einmal beim Bürgermeister nach, warum der Pastoratsweg und die Ahornstraße – wie im Versuch geplant – nicht geöffnet werden. Rexforth darauf: „Das wäre nur mit baulichen Maßnahmen gegangen.“ Baulichen Maßnahmen, die den Rahmen eines Versuches gesprengt hätten.
Wagen überschlägt sich: Schwerverletzte bei Verkehrsunfall in Schermbeck