
© Berthold Fehmer
Brandschutz: Kreis untersagt Campern das Wohnen am „Hohen Ufer“
Campingplatz
Der Kreis Wesel verbietet den Pächtern des Campingplatzes „Hohes Ufer“ wegen Brandschutzmängeln die Nutzung. Betreiber Michael Kleinherbers nennt das „reine Schikane“.
Die Sorge unter den Bewohnern auf dem Campingplatz ist am Mittwochmittag deutlich zu spüren. „Michael, muss ich demnächst unter einer Brücke schlafen?“, fragt eine ältere Bewohnerin Betreiber Kleinherbers. Ihre Miene schwankt zwischen einem kleinen Lächeln und besorgtem Ernst. Kleinherbers beruhigt sie und verweist auf die aufschiebende Wirkung der Klagen, die viele Pächter nun gegen den Bescheid erheben.
Eine 63-jährige Frau, die nicht namentlich genannt werden möchte, wohnt seit August auf dem Platz in ihrem 48-Quadratmeter-Holzhaus. „Ich wollte meine Ruhe haben“, begründet die Schwerbehinderte den Schritt: „Und jetzt kommt so was!“ Sie bekomme nur eine kleine Rente und habe keine Idee, wie sie sich davon eine Wohnung suchen sollte.

Mehrere Hütten wurden bereits abgerissen, um die Brandschutzauflagen zu erfüllen. © Berthold Fehmer
Ein Camper wohnt schon seit sechs Jahren auf dem Platz und sagt: „Das ist eine Frechheit. Hier wohnen keine schwerreichen Leute. Hier sind Leute mit vielen Kindern, teilweise krank, viele mit Hartz IV, die sich hier was aufgebaut haben, um der teuren Miete zu entgehen.“ Er will nun ebenfalls klagen.
Betrieb „zunächst eingestellt“
Der Kreis Wesel hat am Donnerstag (13. Januar) die sofortige Nutzungsuntersagung für den Campingplatz „Hohes Ufer“ in Schermbeck ausgesprochen. Nach der mündlichen Eilverhandlung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf am Donnerstag (27. Januar) sehe sich der Kreis in seinem Vorgehen bestätigt, so der Kreis in einer Mitteilung: „Daher wurden am Montag, 31. Januar 2022, ebenfalls Nutzungsuntersagungen gegenüber den einzelnen Pächterinnen und Pächtern ausgesprochen. Der Betrieb des Campingplatzes ist damit zunächst eingestellt.“
„Es ist unsere Aufgabe, die unmittelbaren Gefahren für die Menschen durch entsprechende Anordnungen abzuwenden“, erklärt Helmut Czichy, Vorstandsmitglied für den Bereich Bauen bei der Kreisverwaltung. Das Oberverwaltungsgericht habe Anfang 2021 klargestellt, dass die Bauaufsichtsbehörde befugt und verpflichtet sei, ohne Eingehung von Kompromissen unverzüglich geeignete Maßnahmen zur Gefahrenbeseitigung insbesondere auch gegenüber den Mietern oder Pächtern durchzusetzen.
„Da immer noch sehr weitreichende Rückbauten auf den über 150 Parzellen erforderlich sind, musste die Nutzungsuntersagung nun ausgesprochen werden.“ Eine Wiederaufnahme der Nutzung könne erst erfolgen, so Czichy weiter, wenn die Gefahren für die Pächter abgestellt seien. Dies erfordere, dass die Löschwasserversorgung und die Grundaufteilung des gesamten Platzes sowie die Aufteilung und Bebauung der Parzellen den geltenden brandschutzrechtlichen und baurechtlichen Vorgaben entsprechen.
Schwerwiegende Brandschutzmängel
Seit 2015 ist Michael Kleinherbers Betreiber des Campingplatzes, den seine Schwiegereltern ab 1964 aufgebaut haben. Etwa 120 Menschen nutzen den Platz, 80 von ihnen wohnen dort. Der Ärger habe mit einer Brandschutzbegehung am 29. November begonnen, sagt Kleinherbers. Seitens der Gemeinde Schermbeck wurden laut Kreis damals „schwerwiegende Brandschutzmängel“ festgestellt.
„Die vorgefundenen Mängel lassen erkennen, dass sich ein Brand über den Platz ungehindert, schnell und in alle Richtungen vollständig ausdehnen kann“, so der Kreis, der bei einer Kontrolle am 4. Januar nicht alle Mängel beseitigt sah. Kleinherbers will die Mängel nicht beschönigen. Doch der Kreis benehme sich „wie die Axt im Walde“. Kleinherbers verweist darauf, dass der Kreis einige der Holzhäuser selbst genehmigt habe.
Der Betreiber wurde Anfang Dezember per Ordnungsverfügungen aufgefordert, die Mängel zu beseitigen und kurzfristig umsetzbare Übergangslösungen herzustellen. Unter anderem ging es um Brandschutzstreifen auf den Wegen, also eine Verbreiterung, oder auch Löschwasserschläuche, die über das Gelände gelegt werden sollten.
„Wie soll ich da Kostenvoranschläge einreichen?“
Kleinherbers ist gewillt, die Forderungen umzusetzen und hat bereits einigen Pächtern gekündigt. Teilweise sind Häuser und Hecken bereits abgerissen worden, aber Kleinherbers sagt auch, dass die Fülle der Aufgaben in vier Wochen nicht zu schaffen gewesen sei. Viele Firmen hätten über die Weihnachtsfeiertage Betriebsferien gemacht. „Wie soll ich da Kostenvoranschläge einreichen?“ Eine Liste der Pächter und eine Karte habe er beispielsweise erst am 22. Januar, nicht wie gefordert am 20., eingereicht und dafür Geldstrafen in Höhe von 15.000 Euro bekommen.
Dies war der Punkt, als Kleinherbers seinen Rechtsanwalt einschaltete. In der Verhandlung am Verwaltungsgericht Düsseldorf habe der Richter dem Kreis zwar grundsätzlich Recht gegeben, bestätigt Kleinherbers. Aber der Richter habe auch eingeräumt, dass die vom Kreis gesetzten Fristen nicht einzuhalten gewesen seien.
„Wir werden überrumpelt“
„Der Platz ist 60 Jahre alt und wir werden überrumpelt“, sagt Kleinherbers. Bis April will der die Mängel behoben haben. Der Campingplatz sei jetzt schon in einem „50 Prozent besseren Zustand“ als bei der ersten Brandverhütungsschau. Warum ausgerechnet jetzt die Nutzungsuntersagung erfolgt, versteht er nicht.
Erbost sind einige Camper über Antworten, die ihnen Kreismitarbeiter auf ihre Frage, wo sie denn nun unterkommen sollten, gegeben hätten. Eine Frau, die mit Mann und drei Kindern auf dem Platz wohnt, sagt, sie sei „patzig abgewimmelt worden“. Ein Camper sagt: „Uns wurde knallhart gesagt: in einem Asylantenheim.“
Berthold Fehmer (Jahrgang 1974) stammt aus Kirchhellen (damals noch ohne Bottrop) und wohnt in Dorsten. Seit 2009 ist der dreifache Familienvater Redakteur in der Lokalredaktion Dorsten und dort vor allem mit Themen beschäftigt, die Schermbeck, Raesfeld und Erle bewegen.
