Dienstagmorgen (9. Mai), 10.30 Uhr. Ali Hiziroglu (50) steht mit Nachbarn an der Bushaltestelle vor dem Rathaus in Schermbeck. Drei Männer sitzen auf den Warteplätzen, weitere Männer stehen drumherum, auch eine Frau. Sie warten auf den Bus.
Nicht so Hiziroglu und seine Nachbarn. Sie warten hier seit zirka 4.45 Uhr darauf, dass sie wieder in ihre Wohnungen können.
Hiziroglu wohnt mit drei weiteren Parteien über der Volksbank-Filiale an der Weseler Straße in Schermbeck. Gegen 4.45 Uhr morgens am Dienstag sprengten dort unbekannte Täter einen Bankautomaten. Der 50-jährige Einzelhandelskaufmann spürte die Detonation, die die Wände seiner Wohnung wackeln ließ.
Durch einen ersten Knall sei er aus dem Schlaf „geweckt“ worden. „Der ersten Knall war aber nicht so laut“, sagt Hiziroglu. Anders als die zweite Detonation nur wenige Sekunden danach. „Das war wie ein Kanonenschlag, nur 20 Mal stärker. Ich stand senkrecht im Bett.“
Der Schermbecker wusste sofort, was passiert war – dass Bankräuber den Bankautomaten in der Volksbank-Filiale unter seiner Wohnung gesprengt hatten. Er lief zum Küchenfenster, sagt er. „Von dort habe ich einen guten Ausblick nach unten.“ Er sah nur noch „einen dunklen Sportwagen mit quietschenden Reifen wegfahren“. Rund zehn Minuten später waren Polizei und Feuerwehr vor Ort und begleiteten ihn und seine Nachbarn aus dem Haus.
„Wie in einer Schockstarre“
Aus Sicherheitsgründen mussten die Bewohner das Gebäude schnellstens verlassen. Es war nicht klar, ob die Statik des Gebäudes durch die Sprengung beschädigt sein könnte, ob das Gebäude im schlimmsten Fall einstürzen könnte. Während die Bewohner draußen warteten, erhielten sie Brötchen und Kaffee von den Volksbank-Mitarbeitern vor Ort. „Wir waren gut versorgt“, lobt der Schermbecker.
Das alles erzählt Hiziroglu unaufgeregt. Ob ihn die Sprengung nicht mitgenommen hat? „Doch, die ersten 15 Minuten war ich wie in einer Schockstarre“, sagt der 50-Jährige. „Das kann doch nicht wahr sein“, war das Erste, was er dachte. Mit der Zeit wurde es aber besser. Im Gespräch Stunden später konnte er sogar wieder lachen.

In Schermbeck ist es der zweite Vorfall innerhalb von drei Monaten. Seit der Automatensprengung der Volksbank-Filiale am „Kerkerfeld“ Mitte Februar bewachte ein Sicherheitsmann die Filiale an der Weseler Straße in der Nacht. „Seitdem fühlen wir uns hier sicher“, sagt Hiziroglu. In der Regel stehe er mit seinem Auto direkt vor der Filiale. Diesmal, sagt der Schermbecker, habe er ihn in der Nacht aber auf dem Rathaus-Parkplatz gesehen.
Wie die Pressestelle der Polizei Wesel mitteilte, war es dieser Sicherheitsmitarbeiter, der die Polizei in der Nacht alarmierte. Er sah drei unbekannte, maskierte Personen im Vorraum der Bank. Noch während er die Polizei informierte, fuhr der Sportwagen – laut Polizeiangaben vermutlich ein BMW – vor das Gebäude und es kam zur Sprengung.
Polizei sucht Zeugen
Insgesamt geht die Polizei von vier Tätern aus: drei Bankräuber, die für die Sprengung in der Filiale zuständig waren, und ein Fahrer. Die Polizei sucht weitere Zeugen, die etwas gesehen oder Hinweise haben könnten (Tel. 02064/6220). Zudem hat die Polizei ein Hinweisportal eingerichtet. Dort können Zeugen Videos oder Fotos hochladen und Beobachtungen schildern (nrw.hinweisportal.de/~portal/de/select).
„Uns interessiert, ob jemand etwas vor oder nach 4.45 Uhr gesehen hat, wohin die Täter geflohen sein könnten, eine Kennzeichenbeschreibung oder eine Beschreibung der Täter“, so Polizeisprecher Björn Haubrok.

Eine gute Nachricht hatte der Polizeisprecher gegen Mittag für die Bewohner des Gebäudes: „Nach jetzigem Stand ist das Gebäude wieder bewohnbar, sobald die Spuren gesichert sind. Die Menschen können dann wieder in ihre Wohnungen.“
Wie es hingegen mit der Volksbank-Filiale an der Weseler Straße weitergeht, ist noch unklar. Sie bleibt vorläufig geschlossen. Zentral im Ort steht den Schermbeckern damit nur die Hauptfiliale in der Mittelstraße zur Verfügung, rund 450 Meter entfernt.
Die Spurensuche am Tatort auf dorstenerzeitung.de

Geldautomaten-Sprengung in Schermbeck: Volksbank entscheidet über zerstörte Filiale
Polizeisprecher zu Geldautomaten-Sprengung: „Es gab deutlich mehr Hinweise als üblich“