Weil das Votum nicht einstimmig war, zog der Ex-Schalke-Boss laut Aufsichtsrats-Chef Dr. Buchta sein Angebot zurück. Das sorgt für heftige Diskussionen und könnte weitreichende Folgen haben.
Die Entscheidung war eindeutig. Aber eben nicht einstimmig. Mit 9:2 votierten die Mitglieder des Schalker Aufsichtsrates bei einer Telefon-Konferenz am späten Mittwochabend (RN online berichtete exklusiv) dafür, das finanzielle Hilfsangebot von Clemens Tönnies anzunehmen. Der langjährige Aufsichtsratschef, Ende Juni zurückgetreten, hatte aber ein einstimmiges Votum zur Bedingung gemacht.
Welche Folgen hat das?
Durch die zwei Gegenstimmen, die nach Informationen dieser Zeitung von den Aufsichtsratsmitgliedern Ullrich Köllmann und dem Vertreter des Fan-Klub-Verbandes Heiner Tümmers stammten, stand fest: Schalke kann im Abstiegskampf nicht auf zusätzliche Hilfe des Fleisch-Fabrikanten setzen. Klare Kante, immerhin. Aber auch ein gefährliches Spiel: Denn die Ablehnung des Angebotes könnte weitreichendere Folgen haben als vermutet wird.
In den „sozialen Netzwerken“ hat die Entscheidung schon für ein königsblaues Beben gesorgt. Werden die Nein-Sager auf der einen Seite als „Leute mit Rückgrat“ gefeiert, werden sie auf der anderen Seite beschimpft und dafür verantwortlich gemacht, die Verpflichtung notwendiger Verstärkungen blockiert zu haben.
Die Geister scheiden sich
Eine gemeinsame Basis haben so ziemlich alle Diskussionsteilnehmer: Schalke gilt in der aktuellen Besetzung – auch mit Kolasinac – als zu schwach für den Klassenerhalt. 30 sieglose Bundesliga-Spiele in Folge können niemandem mehr die Sinne vernebeln. Bei den daraus zu ziehenden Konsequenzen scheiden sich die Geister: Die Fraktion derer, die dafür plädiert, alles Erdenkliche für den Klassenerhalt zu tun, stößt auf den Widerstand der Tönnies-Kritiker. Ihre Meinung, zusammengefasst: Lieber in die Zweite Liga als mit neuem Geld von Tönnies erstklassig bleiben. Sie fordern die völlige Emanzipation des Vereins vom langjährigen Klub-Boss.
Eine Einstellung, die so manchen Schalker auf die Palme bringt. In einem „Offenen Brief“ wünscht sich Dr. Armin Langhorst, als Mannschaftsarzt und Aufsichtsratsmitglied (2011 bis 2017) insgesamt 18 Jahre lang für Schalke tätig, „dass sich auch die schweigende Mehrheit deutlicher zu Wort meldet“ als bisher. Soll heißen: Tönnies habe es nicht verdient, persönlich verunglimpft zu werden.
Appell von Schalker Legenden
Dass sich der Verein nun nicht dazu durchringen konnte, die Hilfe von Tönnies anzunehmen, können auch einige Schalke-Legenden nicht nachvollziehen, die einen Appell an Vorstand und Aufsichtsrat gerichtet hatten, das Angebot anzunehmen.
Verein und Tönnies hatten dafür auch schon ein Modell entwickelt: Der 64-Jährige wollte die Sponsoring-Aktivitäten eines seiner Unternehmen auf Schalke um einen zweistelligen Millionen-Betrag erhöhen. Der hätte dann für Neuverpflichtungen zur Verfügung gestanden. Nun müssen neue Geldquellen erschlossen werden – oder Schalke riskiert die Fortsetzung der Saison mit dem aktuellen Kader.
Wie brisant die durch dieses Thema verschärfte Gemengelage auf Schalke ist, zeigt sich in der öffentlichen Stellungnahme von Dr. Jens Buchta über die Aufsichtsratssitzung – ein Novum, denn die Inhalte bleiben sonst prinzipiell intern.
„Wir müssen das respektieren“
„Der Aufsichtsrat“, so Dr. Buchta, „hat mit großer Mehrheit zugestimmt, das Angebot von Clemens Tönnies anzunehmen und in Gespräche einzutreten, allerdings nicht mit der von Clemens Tönnies verlangten Einstimmigkeit. Diese Einstimmigkeit war für ihn Voraussetzung für seine Unterstützung. Daher hat er sein Angebot zur Unterstützung zurückgezogen. Ich bedauere das. Wir müssen seine Entscheidung aber respektieren.“
Dr. Buchta bittet darum, „zu respektieren, dass der Aufsichtsrat ein demokratisches Gremium ist und die Willensbildung im Rahmen einer Diskussion erfolgt. Kein Kollege aus unserem Gremium hat sich diese Entscheidung leicht gemacht, sondern jeder für sich sorgfältig abgewogen. Ich bitte darum, dass das Verhalten derjenigen, die das Angebot annehmen wollten, ebenso respektiert wird, wie das Votum derjenigen, die ihre Zustimmung nicht gegeben haben. Im Übrigen haben auch die Mitglieder des Gremiums, die ihre Zustimmung nicht gegeben haben, ausdrücklich erklärt, die Entscheidung der Mehrheit mitzutragen. Leider hat dies Clemens Tönnies nicht ausgereicht.“
Schalke muss nun möglicherweise Spieler (Ozan Kabak?) verkaufen. Ein Vorgehen, das 1980/81 schief ging, als Stars wie Rolf Rüssmann, Rüdiger Abramczik und Wolfram Wuttke abgegeben wurden. Schalke stieg ab. Die klare Kante kann also zum gefährlichen Spiel werden.
Zumal auch noch niemand seriös voraussagen kann, wie andere Sponsoren auf das veränderte Verhältnis zwischen Schalke und Tönnies reagieren werden. Gazprom und Veltins werden genau hinschauen, ob Schalke sich eine bessere Chance auf den Erstliga-Erhalt hat entgehen lassen. Tönnies selbst meldete sich am Abend bei den Ruhr Nachrichten. Privat bleibe er „ein Blauer, natürlich“. Und die Sponsoring-Pakete würden vereinbarungsgemäß erfüllt.
„Bleibe ein Blauer, natürlich“
Auch sein Engagement bei der Stiftung „Schalker Markt“ erhalte er aufrecht. Mit einem Kapital von einer Million Euro ist Tönnies Stiftungsgründer. Ziel: Schalke aufpäppeln. Den Stadtteil. Der Verein muss sich selbst helfen.