Vom Neuzugang zum Stammspieler: Ozan Kabak, der im Sommer aus Stuttgart zu Schalke kam, ist zwar erst 19 Jahre alt, aber ist aus der Innenverteidigung kaum noch wegzudenken.
Im Interview in Fuente Alamo spricht Kabak über seine Zeit auf Schalke, seine Pläne für die Zukunft - und verrät, was aus ihm geworden wäre, wenn es mit dem Fußball nicht geklappt hätte.
Was gefällt Ihnen besser: Verteidigen oder Tore schießen?
Beides! (lacht) Mein Job ist natürlich in erster Linie, Tore zu verhindern. Aber wenn ich ein Tor schießen kann, macht das natürlich noch mehr Spaß.
Wenn man Sie auf dem Platz sieht, mag man kaum glauben, dass Sie erst 19 Jahre alt sind – Sie wirken abgeklärt wie ein älterer Spieler. Was ist Ihr Geheimnis?
Es gibt kein Geheimnis: Ich arbeite einfach hart.

„Ich arbeite hart“: Ozan Kabak im Trainingslager in Spanien. © dpa
Aber es gibt doch bestimmt Vorbilder?
Ich mal Virgil van Dijk: Ich schaue mir seine Spiele an und versuche, mir etwas von ihm abzuschauen. Er macht kaum Fehler. Mit ihm würde ich gerne einmal zusammen spielen, er gehört für mich zu den besten der Welt. Aber alles in allem möchte ich meinen eigenen Stil entwickeln.
Das heißt, Sie schauen sich nach der Arbeit auch noch andere Fußballspiele an – reicht es Ihnen nicht irgendwann einmal mit Fußball?
(lacht) Ja, klar. Gerade hier im Trainingslager freue ich mich nach zwei Trainingseinheiten auch einmal darauf, auf mein Zimmer zu gehen und Serien zu schauen. Aber an freien Tagen sehe ich mir eigentlich immer ein Fußballspiel an.
Sie haben ein ereignisreiches Jahr hinter sich – blicken Sie doch einmal zurück.
Vor genau einem Jahr hatte ich eine gute Hinrunde mit Galatasaray gespielt, als sich mir die Möglichkeit bot, zum VfB Stuttgart zu wechseln. Ich habe dort alles gegeben und, so glaube ich, einen guten Job gemacht. Aber es hat am Ende nicht gereicht, um den Abstieg zu verhindern. Nach der Saison hatte ich dann Angebote von vielen größeren Teams – auch aus der Bundesliga -, und ich habe mich für Schalke entschieden.
Von Istanbul über Stuttgart zu Schalke
Ozan Kabak wurde am 25. März 2000 in der türkischen Hauptstadt Ankara geboren. Mit elf Jahren kam er zu Galatasaray Istanbul und durchlief sort sämtliche Jugendmannschaften. 2018 feierte er sein Profidebüt für den türkischen Rekordmeister. Anfang 2019 wechselte er zum VfB Stuttgart. Seit dem Sommer 2019 spielt Kabak für Schalke 04, bei den Königsblauen hat er noch einen Vertrag bis Juni 2024
Was hat den Ausschlag dafür gegeben?
Vor allem wollte ich Spielzeit bekommen und nicht auf der Bank sitzen. Das hat sich am Ende ja auch ausgezahlt.
War es eine schwere Entscheidung, mit 18 Jahren aus der Heimat wegzugehen?
Klar war es hart: Galatasaray ist meine Heimatmannschaft, in Istanbul bin ich aufgewachsen. Aber zum Fußball gehören harte Entscheidungen nun einmal dazu.
In der Saison 2018/19 haben Sie in der Champions League mit Galatasaray auf Schalke gespielt – wie haben Sie das wahrgenommen?
Wir haben 0:2 verloren – das hat mir natürlich nicht gefallen. Aber die Atmosphäre war großartig. Ich mochte den Verein, ich mochte die Fans, und ich habe damals schon einen guten Eindruck gewonnen.
Haben Sie da geahnt, dass Sie ein Jahr später für Schalke spielen?
Nein. Aber es war für uns auch eine harte Partie, und ich habe mich natürlich voll auf meine Aufgabe bei Galatasaray konzentriert.

Erste Station im Ausland: Für den VfB Stuttgart erzielte Ozan Kabak in einem halben Jahr drei Tore. © dpa
Damals war Schalke in der Champions League. Ist eine Rückkehr in den Europapokal in diesem Jahr mit Schalke möglich?
Warum nicht? Wir sind ein junges Team, haben einen sehr guten Trainer. Wenn wir so weiterspielen wie in der Hinrunde, ist die Europa League oder sogar die Champions League drin. Ich vertraue fest auf meine Mannschaftskollegen, dass wir so weitermachen wie bisher. Unser Ziel ist ein Champions-League-Platz.
Gerade in der Abwehr musste Trainer David Wagner in der Hinrunde oft umstellen...
Ja, ich selbst war ja auch zu Beginn der Saison verletzt, und als ich wieder fit war, standen andere Abwehrspieler auf dem Platz. Dann haben sich der Reihe nach Benjamin Stambouli, Salif Sané, Matija Nastasic und Weston McKennie verletzt – das war schon ein sehr großes Pech. Aber wir haben es ganz gut hinbekommen, die anderen Jungs haben es sehr gut gemacht.
Jetzt hat mit Alexander Nübel der Stammtorhüter und bisherige Kapitän seinen Abschied zum Saisonende verkündet. Wie haben Sie das erlebt.
Er hat es uns in der Mannschaftsbesprechung erzählt. Natürlich respektieren wir seine Entscheidung, und er bleibt ja bis zum Saisonende unser Mannschaftskollege. Mehr möchte ich aber zu diesem Thema nicht sagen.
Im Sommer steht die Fußball-Europameisterschaft an, die Türkei ist qualifiziert. Sind Sie dabei?
Warum nicht? Aber die Konkurrenz ist groß, wir haben gute, junge Spieler in der Mannschaft, vor allem in der Innenverteidigung: Merih Demiral, Mert Cetin oder auch Kaan Ayhan. Im letzten Jahr habe ich mein erstes A-Länderspiel bestritten - natürlich würde ich auch gerne bei der Europameisterschaft dabei sein.
Blicken wie noch einmal zurück: Wie war im Sommer Ihr erster Eindruck von Gelsenkirchen?
Es ist eine andere Stadt als Stuttgart – Stuttgart ist größer, aber in Gelsenkirchen gibt es eine größere türkische Community. Das hat es mir leicht gemacht, mich einzugewöhnen. Aber auch die anderen türkischen Spieler in der Mannschaft – Suat Serdar, Ahmed Kutucu und Levent Mercan – haben mir sehr dabei geholfen, dass ich mich schnell heimisch gefühlt habe, sowohl auf dem Platz als auch neben dem Platz.
Beim Ihrem ersten Training mit der Mannschaft im Sommer waren einige türkische Fans da, die Sie speziell angefeuert haben und fast lauter waren als der Rest der Anhänger.
Ja, das waren Gala-Fans, und sie haben mich angefeuert. Das hat mir sehr gut getan und hat mir gezeigt, dass ich hier nicht alleine bin. Spätestens von da an war klar, dass ich alles für den Verein und für diese Menschen geben will.
Leben Sie alleine hier in Deutschland?
Ja, aber meine Eltern und meine beiden Geschwister besuchen mich ständig, um sich die Spiele anzuschauen. Sie kommen gerne nach Deutschland. Meine große Schwester ist Physiotherapeutin in Istanbul, mein Bruder ist 16 und spielt auch Fußball, aber nicht auf einem professionellen Level.
Was wäre aus Ihnen geworden, wenn Sie kein Fußballer wären?
Tatsächlich war ich ein guter Schüler. Möglicherweise wäre ich Arzt geworden – die Schule, die ich besucht habe, hatte einen naturwissenschaftlichen Schwerpunkt. Erst als ich ungefähr 15 Jahre alt war, wurde klar, dass mein Weg in Richtung Profifußball geht.
Gibt es etwas, was Sie hier vermissen – vielleicht die türkische Küche?
Nein, ich mag die deutsche Küche. Und wenn ich tatsächlich einmal etwas typisch Türkisches vermisse, rufe ich einfach meine Mutter an – sie kommt dann vorbei und kocht mir etwas.
Wie stellen Sie sich Ihre fußballerische Zukunft vor?
Ich bin ja erst seit einem halben Jahr hier und habe einen Fünfjahresvertrag – also liegt mein Fokus aktuell nur auf Schalke. Aber natürlich denkt man auch weiter über seine fußballerische Zukunft nach: Ich will ein großer Spieler werden und könnte mir vorstellen, irgendwann für einen der Top-Ten-Klubs in Europa oder in England spielen: Das ist derzeit die beste Liga der Welt.
Würden Sie noch einmal in die Türkei zurückkehren?
Warum nicht? Vielleicht am Ende meiner Karriere.
Also etwa in 20 Jahren…
20 Jahre? Ich fühle mich jetzt schon müde – als wäre ich schon 25! (lacht)