In der Länderspielpause produzierte Schalke mit diversen Personalien so viele Schlagzeilen, wofür andere Vereine eine ganze Saison brauchen: Zunächst die Verbannung von Timo Baumgartl in die U23, dann da Aus zum Saisonende für S04-Legende Gerald Asamoah, die Trennung von Knappenschmiede-Direktor Mathias Schober, die Einstellung vom Ben-Manga-Vertrauten Raffael Tonello als Chef des Nachwuchsleistungszentrums, der Rauswurf von mehreren haupamtlichen Scouts - Vorstandschef Matthias Tillmann beweist zumindest, dass die angekündigte „Umstrukturierung“ keine leere Worthülse bleiben soll. Dazu passt der weitestgehende Esports-Rückzug - Schalke will sich wieder auf seine Kernkompetenz konzentrieren. Fußball also.
„Eines der wichtigsten Spiele“
Von dem hängt schließlich so ziemlich alles ab, was bei den Königsblauen passiert, und das macht den Klassenerhalt in der Zweiten Liga noch dringlicher. Der - und damit auch die Existenz des Vereins in seiner jetzigen Form - ist nach wie vor gefährdet, „und wenn wir ehrlich sind, ist das Spiel gegen den Karlsruher SC am Sonntag eines der wichtigsten der Vereinsgeschichte“, mahnte ein S04-Fan unter der Woche in den sozialen Medien.
Bei Niederlage wackelt Geraerts
Klingt sehr dramatisch, aber da ist sogar was dran. Schalke, mit Osnabrück schwächstes Auswärtsteam der Liga, muss sich auf seine Heimspiele verlassen. Das war bislang größtenteils der Fall, in der Heimtabelle lag die Mannschaft von S04-Trainer Karel Geraerts vor diesem Spieltag immerhin auf Rang sechs.
Aber es ist ein schmaler Grat: Gehen auch in der Arena Punkte verloren, wird die große Abstiegsflatter erst recht Fahrt aufnehmen - eine Niederlage gegen Karlsruhe könnte auch Geraerts ins Wackeln bringen, weil dann Kurzschlussreaktionen der Verantwortlichen um Tillmann und Sportdirektor Marc Wilmots nicht länger auszuschließen sind. Schalke steht also, wie es Mittelfeldspieler Paul Seguin nach einer Auswärtsniederlage formulierte, erneut „unter Monster-Druck“.

Geraerts, der mit Club Brügge in Verbindung gebracht wird, klammert sich an das Spiel gegen St. Pauli. „Da hat vorher auch keiner gedacht, dass wir sie schlagen können. Dann haben wir ein sehr gutes Spiel gemacht.“ Das beste in dieser Saison - ärgerlich nur, dass mit Ron Schallenberg (muskuläre Probleme) und Brandon Soppy (muskuläre Probleme) zwei der besten S04-Spieler aus dieser Partie fehlen. Möglicherweise feiert Assan Ouedraogo nach zuletzt mehreren Kurz-Einsätzen am Sonntag sein Startelf-Comeback - der Schalker Schuh drückt allerdings hinten.
S04-Rekordtorschütze Klaus Fischer mahnt in einem Gastkommentar der Recklinghäuser Zeitung dennoch zu Selbstvertrauen, auch in misslicher Lage: „Wer Spitzenreiter St. Pauli schlägt, kann jede Mannschaft in der Zweiten Liga schlagen.“ Karlsruhe kommt mit dem Rückenwind eines 7:0-Sieges gegen Magdeburg in die Arena.
Und mit einer formidablen Schalke-Statistik: Von den den bisherigen fünf Zweitliga-Duellen gegen die Königsblauen hat der KSC noch kein einziges verloren - und ist damit die einzige Mannschaft von den Teams, mit denen es so viele Zweitliga-Begegnungen gab, der das gelang. Sogar in der Schalker Aufstiegssaison 2021/22 behielt der KSC auf Schalke mit 2:1 die Oberhand.
Und Karel Geraerts hat mit dem Sonntags-Gegner direkt zu Beginn seiner Schalke-Laufbahn schlechte Erfahrungen gemacht: In Karlsruhe saß der Belgier erstmals auf der S04-Bank, und noch mehr als die 0:3-Niederlage wurmte ihn die Leistung seiner Mannschaft. Rückblickend erkennt Geraerts an: „Wir waren chancenlos.“
„Angst schlechter Ratgeber“
Neues Spiel, neues Glück? Klaus Fischer jedenfalls fordert eine „breite Brust“: „Angst wäre jetzt der schlechteste Ratgeber. Angst lähmt.“
Aber der Abstand zum Relegationsplatz hat sich für Schalke auf nur noch einen Punkt verkürzt. Denn Braunschweig gewann am Samstag mit 5:0 gegen Elversberg und setzte ein Ausrufezeichen im Abstiegskampf. Schalke ist jetzt Tabellenfünfzehnter, weil die Niedersachsen dank des besseren Torverhältnisses vorbeizogen.
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