Flucht ins Trainingslager
Schalke-Boss Tönnies sieht "Frage der Ehre"
"Es erwartet Sie ein erstklassiger Service, exzellente Küche und viele Orte zum Entspannen, Sport treiben, Feiern und Tagen!" So betreibt das Hotel-Residence Klosterpforte im ostwestfälischen Marienfeld Eigenwerbung. Am Montag werden dort überraschend prominente Gäste erwartet, deren Besuch eines ganz deutlich macht: Schalke 04 steckt in einer tiefen Krise.
MAINZ
, 27.04.2015 / Lesedauer: 3 minStellt "die Frage der Ehre": Schalke-Boss Clemens Tönnies.
Denn welcher Bundesligist es vier Spieltage vor dem Saisonende für nötig hält, mit einem Kurztrainingslager hinter Klostermauern alle Kräfte zu bündeln, dem steht das Wasser sportlich bis zum Hals. Und das ist bei den Königsblauen nach der 0:2-Niederlage in Mainz zweifellos der Fall.
Schlafmütziges Abwehrverhalten
Nach dem sechsten sieglosen Spiel in Serie und nur einem Erfolg aus den letzten zehn Partien wird der Frust auf allen Ebenen immer größer. Bei den Fans ist die Stimmung so auf dem Tiefpunkt, dass sie lautstark „Scheiß Millionäre“ skandierten. Solche Sprechchöre waren auf Schalke lange nicht mehr zu hören und haben eine neue Qualität. Wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Fans und Mannschaft nicht mehr stimmt, müssen bei einem Klub wie Schalke 04 die Alarmglocken schrillen.
Auch Clemens Tönnies ist besorgt. Der Aufsichtsratsvorsitzende konnte aufgrund seines engen beruflichen Terminplans zwar das Spiel in Mainz nicht vor Ort verfolgen, aber das war vielleicht auch besser so. Denn der 58-Jährige hätte sich sicher enorm aufgeregt über das fahrlässige Auslassen großer Chancen sowie das schlafmützige Abwehrverhalten von Höwedes und Co.
"Jetzt sind alle gefordert"
Deshalb fordert Tönnies, jetzt den Blick nach vorn zu richten und Platz fünf unbedingt zu verteidigen. „Ich bin keiner, der sagt, wir haben die letzten Spiele mit Pech verloren. Wenn wir keine besseren Resultate in den letzten vier Spielen erzielen, werden wir die Europa League nicht erreichen. Dieses Risiko besteht, da dürfen wir uns nichts vormachen“, so Tönnies.
Gleichzeitig nimmt der Schalke-Boss alle in die Pflicht: „Es ist für mich mehr als ärgerlich, dass wir die Champions-League-Teilnahme vergeigt haben. Jetzt sind alle gefordert, die Mannschaft, der Trainer, der Manager, dass wir uns wenigstens für die Europa-League qualifizieren. Das ist eine Frage der Ehre.“
Keinen Gegner unterschätzen
Das vermeintlich leichte Schalker Restprogramm sieht Tönnies keineswegs als Vorteil. „Wir dürfen keinen Gegner unterschätzen. Gerade die abstiegsgefährdeten Mannschaften wie Stuttgart, Paderborn oder der HSV werden gegen uns um ihr Leben rennen.“
Das taten die Königsblauen in Mainz nicht, was den 05-Trainer Martin Schmidt mit dem Satz: „Mentalität schlägt Qualität“ auf den Punkt brachte. Dieses Urteil blieb von Schalker Seite unwidersprochen und lässt tief blicken. Schalkes Trainer Roberto Di Matteo wirkte nicht nur auf der Pressekonferenz, sondern auch schon während des Spiels reichlich hilflos. Immer wieder forderte der 44-Jährige seine Spieler vergeblich auf, nach abgefangenen Mainzer Angriffen schneller nach vorn zu rücken. Doch das tat seine Mannschaft zu selten.
Elfte Bundesliga-Niederlage
Wenigstens setzte sich Di Matteo offenbar bei der Trainingsplanung nach der elften Bundesliga-Niederlage in dieser Saison durch. Hatte Manager Heldt unmittelbar nach dem 0:2 noch verkündet, dass es in nächster Zeit keinen trainingsfreien Tag geben werde, war am Sonntag schon wieder Pause für die so arg strapazierten Schalker Spieler. Marco Höger braucht sich für den Rest der Saison gar nicht mehr anstrengen. Der Mittelfeldspieler zog sich einen Außenbandriss im linken Knöchel zu. Für ihn ist die Spielzeit gelaufen.
Schalke benötigt dagegen „eine Trendwende“, wie Manager Heldt eindringlich einforderte. Clemens Tönnies wird der Mannschaft in Marienfeld übrigens einen Besuch abstatten. Dabei wird der Schalke-Boss sicherlich nicht in Feierstimmung sein. Dazu ist die Lage viel zu ernst.