Kaum eine andere Region ist mit dem Fußball so verbunden wie das Ruhrgebiet. Fußball ist hier ein tief verwurzeltes soziales und kulturelles Phänomen, ein Lebensgefühl. Das verdeutlicht jetzt die Ausstellung „Mythos und Moderne. Fußball im Ruhrgebiet“ auf Zollverein in Essen. Und der FC Schalke nimmt hier eine besondere Rolle ein.
Ein Jahr vor der Europameisterschaft 2024 in Deutschland zeigen das Deutsche Fußballmuseum und das Ruhr Museum gemeinsam die erste fotografische Sonderausstellung zur Geschichte des Revierfußballs. Kinder auf Wiesen mit provisorischen Toren vor Industriebrachen, Fans auf dem Weg zum Stadion an der Trinkhalle – das Wechselspiel zwischen Mensch, Landschaft und regionalen Landmarken lässt ein Bild entstehen, in dem Nostalgie und gegenwärtige Begeisterung ineinander übergehen.

„Unendliche Bilderwelt“
Seit den frühen Anfängen haben Fotografen – und später auch Fotografinnen – den Massensport begleitetet – auf und neben dem Platz. Die Ausstellung konfrontiert alte Schwarz-Weiß-Fotos mit Hochglanz-Farbaufnahmen moderner Fotoagenturen: Seit mehr als einem Jahrhundert ist der Fußball damit ein verlässlicher Lieferant für Nachrichten und Bilder. „Mit seiner Popularisierung wurden die Spiele immer intensiver abgelichtet, auch der Hintergrund: die Tribünen, Zuschauerinnen und Zuschauer, die Logistik, An- und Abfahrten, Ehrungen, Fußballerinnen und Fußballer im Privatleben – eine riesige Auswahl von Motiven“, berichtet Heinrich Theodor Grütter, der Direktor des Ruhr Museums.
Der Fußball im Ruhrgebiet biete eine schier „unendliche Bilderwelt“. Mehr als 450 klassische, teilweise aber auch noch nie gezeigte Fußballmotive sind immerhin in der Schau zu sehen. Sie gliedert sich mit der Gegenüberstellung von „Mythos“ und „Moderne“ in zwei Epochen. Hierbei umfassen die Fotos jeweils elf Themenbereiche: Lebensgefühl, Auf dem Platz, Revierderbys, Triumphe und Tragödien, Legenden und Idole, Orte des Geschehens, Stadionbesuch, Auf Asche, Am Spielfeldrand, Solidarität sowie Kommerzialisierung.

Nie dagewesene Begeisterung
Doch aus Sicht der Ausstellungsmacher bilden Mythos und Moderne „keine Gegensätze, sondern erzeugen mit der individuellen Perspektive des Betrachtenden ein lebendiges Kaleidoskop des Fußballs im Ruhrgebiet“, so Grütter. In einem Seitenkabinett zeigt das Deutsche Fußballmuseum zudem herausragende Exponate zum Thema aus seiner Dauerausstellung – darunter das Original-Trikot von Helmut Rahn aus dem WM-Endspiel von 1954.
„Der sagenhafte Aufstieg des FC Schalke 04 zu der überragenden deutschen Fußballmannschaft in den 1930er- und 1940er-Jahren löste in der Folge eine bisher nie dagewesene Fußballbegeisterung von Dortmund bis Duisburg aus“, sagt Grütter und schreibt Schalke 04 damit eine Vorbildfunktion zu. Mit der Bergbaukrise folgte im Revier auch der sportliche Abstieg. „Selbst bei den beiden Vorzeigeklubs Dortmund und Schalke herrschte Tristesse. Dennoch hält sich der Mythos des Ruhrgebietsfußballs mit seinen Triumphen und Idolen bis heute“, betont Grütter.
Triumphe und Tragödien
Schalke 04 steht für Triumphe und Tragödien, von ersten Meisterschaft bis zum tiefen Fall in die zweite Liga. In der jüngeren Vergangenheit folgten 1997 der Gewinn der UEFA-Cup. Und 2001 machte sich Schalke 04 als „Meister der Herzen“ einen Namen. Trotz der Rückschläge gewann Schalke mehrfach den DFB-Pokal. Die Fotografien zeigen den kollektiven Jubel in den Spielertrauben, die sich um Torschützen und emporgereckte Pokale bilden. Sie zeigen aber auch die unterschiedlichen Körperhaltungen der Beteiligten in ihrer einsamen Trauer über verlorene Partien.
Freilich haben auch die anderen Reviervereine solche Szenen zu bieten und finden damit ihren angemessenen Platz in der Ausstellung. Selbst ein eingefleischter Schalke-Fan wie Ausstellungsmacher Grütter betont: „In den 1990er Jahren war vor allem die Mannschaft von Borussia Dortmund erfolgreich: Sie gewann zweimal die Deutsche Meisterschaft und 1997 die Champions League.“ Heute sei der BVB allen anderen Ruhrgebietsvereinen enteilt. Das schlage sich auch hinreichend in der Ausstellung nieder. „Mythos und Moderne“ zeige schließlich den Fußball im Ruhrgebiet und nicht nur auf Schalke. Da habe man auf den Proporz geachtet.

Viel zu sehen für Schalke-Fans
Der Mythos des Ruhrgebietsfußballs lebt auch von seinen Legenden der „goldenen Zeiten“. Moderne Fußball-Idole des Ruhrgebiets findet man unterdessen vor allem in Gelsenkirchen und Dortmund bei der Generation der Europapokalsieger von 1997. In Manuel Neuer, Mesut Özil sowie Benedikt Höwedes sind gleich drei in der Schalker-Jugend ausgebildete Spieler Weltmeister geworden.
Auch sie wurden zu Vorbildern für viele, insbesondere für diejenigen, die den Sprung aus der Schalker „Knappenschmiede“ in den Profibereich anstreben. Auch sie sind in der Ausstellung eindrucksvoll vertreten. Es gibt viel zu sehen – gerade auch für Schalke-Fans.
Die Ausstellung „Mythos und Moderne. Fußball im Ruhrgebiet“ ist noch bis zum 4. Februar 2024 zu sehen im UNESCO-Welterbe Zollverein in Essen. Dazu gibt es auch ein umfassendes Begleitprogramm.