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Montag beginnt die wohl seltsamste Trainingswoche der Klub-Geschichte
Schalke 04
Verschärfte Sicherheitsvorkehrungen, sportlich ohne Perspektive, Spielen auf freiwilliger Basis: Schalke ist im Ausnahmezustand - und sehnt sich nach Normalität.
Als hätte Gerald Asamoah in diesen Tagen nicht schon genug Aufregung gehabt. Nach dem in Bielefeld besiegelten Schalker Abstieg in die Zweite Liga war Schalkes Team-Manager mittendrin, als die Mannschaft nach der Rückkehr zur Veltins-Arena von mehreren hundert wütenden Chaoten verfolgt und attackiert wurde, Spieler verletzt und deren Autos zum Teil demoliert wurden. Und am Samstag danach erlebte Asamoah erneut, dass Schalke „normal“ offenbar nicht kann.
Aber diesmal lief es in die andere Richtung.
Ausgerechnet in Dortmund zeigte sich Schalke mal wieder von der herrlich unnormalen Seite. Gerald Asamoah war Augenzeuge, als Schalkes U23 im Regionalliga-Derby beim BVB aus einem 0:3-Rückstand in allerletzter Minute noch ein 3:3 machte. Fast wie die Profis unter Domenico Tedesco im Jahr 2017, als es nach dem 0:4-Halbzeitrückstand noch ein 4:4 gab.
Konkurrenz schaut genau hin
Auch wenn solche Grenzerfahrungen des Fußballs natürlich Lust auf mehr machen, ändert das nichts daran, dass sich Schalke zurück nach Normalität sehnt. Von der ist der Verein derzeit meilenweit entfernt. Streng genommen befindet er sich seit der Nacht von Dienstag auf Mittwoch im Ausnahmezustand.
Nach den schweren Ausschreitungen, die bundesweit für Entsetzen sorgten, steigt Schalke am Montag in eine Trainingswoche ein, die wohl zu den seltsamsten der Vereinsgeschichte gehören wird. Und das nicht nur, weil es bereits vier Spieltage vor Schluss keine echte Perspektive mehr für die Mannschaft von Trainer Dimitrios Grammozis gibt – außer der, dass die Konkurrenz natürlich ganz genau hinschauen wird, ob sich die Königsblauen denn nun komplett hängen lassen oder zumindest einen pflichtgemäßen Widerstand leisten, um den Wettbewerb nicht zu verwässern.
Dumpfe Gewalt
Die Vokabel „Ausnahmezustand“ rechtfertigt auch der Umstand, dass der Spielbetrieb für die S04-Profis ab jetzt quasi auf freiwilliger Basis stattfinden soll. Sportvorstand Peter Knäbel hat den Spielern offenbar freigestellt, selbst zu entscheiden, ob sie noch für Schalke auflaufen wollen oder nicht. Mit Mark Uth, Amine Harit und Suat Serdar liebäugeln laut „Bild“ drei Schalker Fußballer, die in der Chaos-Nacht besonders attackiert worden waren, mit der Annahme von Knäbels Angebot, nicht mehr für Schalke spielen zu wollen.
Entscheidungen, die respektiert werden sollten – selbst von Zeitgenossen, die das, was da rund um die Veltins-Arena passiert ist, bislang noch mit einer gewissen Häme („Fang den Uth“) kommentieren. Denn das Anschauen der im Netz kursierenden Video-Sequenzen und das Anhören der Audio-Mitschnitte lassen einem das Blut in den Adern gefrieren.
Fehleinschätzung des Klubs
Schließlich hatten die Jagd-Szenen nichts mit vielleicht noch verständlicher Enttäuschung oder auch Wut über die möglicherweise schlechteste Schalker Mannschaft aller Zeiten zu tun – sondern das war pure, dumpfe Gewalt, die durch nichts zu rechtfertigen oder zu entschuldigen ist.
Szenen eines Abstiegs, die auch Peter Knäbel in einen Ausnahmezustand versetzen. „Da werden auch Frauen von Spielern genau hingeschaut haben“, glaubt Schalkes Sportvorstand und deutet damit an, dass er nun noch mehr Überzeugungsarbeit wird leisten müssen, um Spieler nach Schalke zu lotsen. Denn ein Bewerbungsschreiben für Profis, die vielleicht auch noch andere Angebote haben, waren die Jagd-Szenen nicht. Genauso wenig übrigens für Eltern begabter junger Fußballer, die darüber nachdenken, welchem Verein sie ihr Kind anvertrauen.
Alle Argumente, die man pro Schalke anbringen könnte, zählen im Moment nicht, dazu sind die Ereignisse noch zu frisch: Dass diese Gruppe von Chaoten nicht repräsentativ für den Verein ist oder dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass es ähnliche Attacken auch in anderen Vereinen mit gewaltbereiten Gruppierungen hätte geben können – es ist nun mal auf Schalke passiert und es ist jetzt die Aufgabe des Vereins, das alles irgendwie wieder gerade zu rücken. Mit „Schwamm drüber“ oder Gras über die Sache wachsen lassen wird es nicht getan sein.
Treffen mit der Polizei
Also trifft sich Peter Knäbel am Montag mit Vertreten der Gelsenkirchener Polizei, um die Nacht des Schreckens zu rekonstruieren. Was lief da alles falsch? Vielleicht auch bei der Polizei. Denn es muss zumindest hinterfragt werden, wie die Sache so eskalieren konnte – die Fehleinschätzung, mit den „Fans“ in einen Dialog treten zu können, lag sicherlich bei Schalke, dafür hat sich Knäbel auch bei den Mitarbeitern entschuldigt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine Profi-Truppe gerade in Corona-Zeiten prinzipiell quasi von der Außenwelt abgeschirmt ist, erstaunt trotzdem die plötzliche Nähe zwischen „Fans“ und Spielern ausgerechnet dann, wenn eine Hundertschaft der Polizei präsent ist.
Ausnahmezustand auf Schalke – das Training findet ab Montrag unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen statt. Wann, wo und mit wem trainiert wird, entscheidet sich erst dann nach einer weiteren gemeinsamen Besprechung.
Schalke und Normalität – zwei Planeten, deren Wege sich dringend mal wieder kreuzen sollten.
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