Ein Herzblut-Schalker feiert Jubiläum Zeugwart Enrico Heil ist seit 25 Jahren im Einsatz

Ein Herzblut-Schalker feiert Jubiläum
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Er ist für das Heiligtum der Schalker Kicker verantwortlich - die Ausrüstung. Am 1. Juli ist Enrico Heil seit 25 Jahren Zeugwart des FC Schalke 04. Bei jedem Training, bei jedem Spiel, bei jedem Wetter steht der gebürtige Pforzheimer Gewehr bei Fuß. Mehr als zwei Stunden vor der ersten Trainingseinheit des Tages bereitet der 46-Jährige alles vor. Die Arbeit für einen 25-Mann-Kader und deren insgesamt mehrere Tonnen wiegenden Wäsche und Ausrüstung bedarf einiges an Organisation.

Erreichen Fährmann und Co. ihre Trainingskabine auf dem Vereinsgelände, liegt nämlich bereits alles zum Anziehen parat: Jeder Platz in der Kabine ist von der Unterhose, über das Handtuch, bis hin zur kompletten Trainingsausstattung eingedeckt. Frisch gewaschen, versteht sich. Und auch die Sonderwünsche einzelner Spieler, die es auch regelmäßig gibt, hat Enrico Heil natürlich berücksichtigt.

Dass durch seine Adern königsblaues Blut fließt, merkt jeder Spieler, der einmal für Schalke 04 gespielt hat, ganz schnell. Wie Enrico Heil zu seinem Job kam, welchem Trainer er besonders viel zu verdanken hat, und was er von der neuen Saison erwartet, verrät er im Interview.

Wie planen Sie den 1. Juli 2023, wenn Ihr Dienstjubiläum ansteht: 25 Jahre Zeugwart des FC Schalke 04?

Enrico Heil: Das wird ein normaler Arbeitstag mit einem Testspiel am Nachmittag in Spelle.

Gönnen Sie sich keinen Blick zurück?

Doch, wahrscheinlich schon am Freitagabend. Da werde ich sicher Revue passieren lassen, was ich in den vergangenen 25 Jahren auf Schalke alles so erlebt habe.

Ihren Job haben Sie einer Schalker Legende zu verdanken - Rudi Assauer.

Das stimmt. Ich war damals Schalke-Fan und bei den meisten Spielen dabei. Da habe ich Rudi Assauer, „Charly“ Neumann und den damaligen Physiotherapeuten Gerard Kuipers kennengelernt. Bei einem Bier an einem Abend habe ich gesagt: Ich will für Schalke 04 arbeiten, egal in welcher Position. Da hat Gerard gesagt: Bewirb Dich doch einfach!

Und dann?

Das habe ich meinen Freunden erzählt, die alle mit dem Kopf geschüttelt haben. Ja, genau - Schalke wartet auf Dich. So waren die ironischen Reaktionen. Ich habe nicht nachgelassen und beim Club nachgebohrt. Dann spielte Schalke Ende April 1998 in Karlsruhe in meiner badischen Heimat. Ich traf Rudi Assauer am Stadion und er sagte zum damaligen 2. Vorsitzenden Josef Schnusenberg: Jupp, das ist der Enrico. Er wird am 1. Juli unser zweiter Zeugwart. So bin ich zum FC Schalke 04 gekommen.

Und was haben Sie als Referenzen mitgebracht?

Ich war fußballbekloppt. Sie kennen doch Rudi Assauer. Das reichte ihm, wobei er noch ergänzte: Bau keinen Mist, dann behältst Du den Job auch. So durfte ich an der Seite von „Flori“ Simon (1. Zeugwart, Anmerkung der Redaktion) beginnen. Ich bin schließlich Ende Juni von meiner Geburtsstadt Pforzheim nach Gelsenkirchen übergesiedelt und „Flori“ hat mich einige Tage eingearbeitet, damit ich gut vorbereitet war.

Wie verliefen die ersten Arbeitstage?

Ich war damals 21 Jahre alt, sodass es für mich eine große Umstellung war, am Samstag und Sonntag meistens arbeiten zu müssen. Darüber hatte ich mir vorher keine Gedanken gemacht. Mit Feiern oder Ausgehen war da nicht viel. Aber die Arbeit hat mir von Anfang an Riesenspaß gemacht.

Was haben Sie am ersten Tag genau gemacht?

Ich weiß noch, dass ich an der alten Geschäftsstelle Waren von Adidas entgegengenommen habe. Mengenmäßig war das ungefähr ein Drittel von dem, was wir heutzutage aus Herzogenaurach geliefert bekommen. Da hatte ich Sachen in der Hand, an die man als Fan sonst nicht herankam. Das war schon sehr beeindruckend.

Wie sah denn Ihre Lebensplanung aus, wenn es mit dem Job auf Schalke nicht geklappt hätte?

Ich hatte eine Lehre als Verwaltungsangestellter abgeschlossen und war dann im Zivildienst. Wenn es mit Schalke nicht geklappt hätte, wäre ich wohl heute Beamter. Aber damals wollte ich unbedingt für Schalke arbeiten. Die andere Möglichkeit war mir zu langweilig.

Ihr erster Trainer mit dem Sie auf Schalke zusammenagearbeitet haben, war Huub Stevens. Nicht so einfach...

Das denkt man, aber es stimmt nicht. Er hat mir sehr geholfen und viele wertvolle Ratschläge gegeben. Huub war für mich fast wie ein zweiter Vater. Wenn mal kleine Fehler passiert sind, hat er nicht draufgehauen.

War Stevens Ihr Lieblingstrainer?

Das kann man so sagen. Aber ich bin auch mit fast allen anderen sehr gut klargekommen.

Fast? Wie war es mit Felix Magath?

Auch unter ihm war die Zusammenarbeit gut. Das Problem für uns Zeugwarte war nur, du konntest nicht planen. Er entschied immer von Tag zu Tag, deshalb war der Stress für uns teilweise enorm. Wenn ich die Namen der Schalker Trainer in meiner Zeit Revue passieren lasse, kam ich mit denen besonders gut aus, die hier weniger Erfolge hatten. Über einen Jupp Heynckes oder Markus Weinzierl werden Sie von mir nie ein schlechtes Wort hören. Wenn du von einem Coach wie Heynckes gelobt wirst, das ist für mich etwas ganz besonderes gewesen.

Wie muss ich mir einen Arbeitstag als Zeugwart eines Bundesligisten vorstellen?

Das kommt darauf an, wie viele Trainingseinheiten am Tag absolviert werden. Wir sind mindestens zwei Stunden vor dem Trainingsstart vor Ort. Wenn am Nachmittag noch einmal trainiert wird, ist man den ganzen Tag auf der Anlage. Meistens wird am Abend dann schon der nächste Trainingstag vorbereitet und die Trikots in die Kabine gelegt.

Hatten Sie mal Ärger wegen eines gravierenden Fehlers?

Toi, toi, toi, davon bin ich bisher verschont geblieben. Ich kann mich nur an eine Sache erinnern, aber das ist schon lange her. Anfang der Jahrtausendwende fehlte mal ein Schuh eines Spielers. Zum Glück reichte die Zeit, um ihn noch nachzuliefern. Da bin ich ein bisschen ins Schwitzen geraten (lacht).

Mit Holger Blumenstein, dem zweiten Zeugwart, sollen Sie sich mittlerweile ohne Worte vestehen.

Das stimmt. Wir sind ein eingespieltes Duo. Holger hat 2012 auf der Poststelle begonnen und ist dann 2014 Zeugwart geworden. Vertrauen ist in unserem Job wichtig. Wir verstehen uns sehr gut.

Sind Sie sauer auf Trainer Thomas Reis, weil Sie nicht mehr jedes Spiel vom Spielfeldrand aus verfolgen dürfen?

Absolut nicht. Das ist ja nichts persönliches, sondern der Trainer hat so entschieden, damit am Spielfeldrand nicht zu viel Unruhe herrscht. Jetzt wechseln Holger und ich uns ab. Aber ich muss zugeben, als ich das erste Mal von der Tribüne ein Spiel unserer Mannschaft verfolgt habe, war das schon ungewohnt.

Was waren bisher Ihre schönstes Erlebnisse auf Schalke?

Die Pokalsiege. Dass die Saison 2001 nach der so knapp verpassten Meisterschaft der Herzen mit dem Pokalsieg einen noch etwas versöhnlichen Ausgang nahm, hat mich sehr gefreut.

Und die größten Enttäuschungen?

Die Abstiege. In Leipzig saß ich auf der Bank. Ich habe bis zum Ende gehofft, dass wir es noch schaffen, das war sehr bitter. Beim Abstieg in Bielefeld war ich nicht dabei, das Spiel hat Holger begleitet.

Waren Sie schon immer Schalke-Fan?

Ganz ehrlich: Pierre Littbarski oder „Toni“ Schumacher - das waren die Helden meiner Kindheit. Deshalb habe ich zunächst mit dem 1. FC Köln sympathisiert. 1990 waren viele Schalke-Fans in Karlsruhe. Mit ihnen bin ich ins Gespräch gekommen. Ihre Erzählungen haben mir so gut gefallen, dass wenig später das Auswärtsspiel von Schalke in Freiburg besucht habe. Da haben mich Mannschaft und Verein so sehr beeindruckt, dass die Schalke-Anhänger wurde. Mein erstes Spiel im Parkstadion war noch zu Zweitligazeiten der 1:0-Erfolg gegen Darmstadt. Torschütze Borodjuk. Schalke war zwar schon zuvor durch den Sieg gegen Fortuna Köln aufgestiegen, aber erst nach dem Erfolg gegen Darmstadt fand die Aufstiegsfeier im Parkstadion statt. Das war mega.

Waren Sie auch beim ersten Bundesligaspiel nach diesem Aufstieg im Parkstadion gegen den HSV dabei?

Natürlich. An einem Samstag bin ich mit 13 Jahren mit dem Zug früh am Morgen extra von Karlsruhe nach Gelsenkirchen gefahren.

Ohne familiäre Begleitung?

Doch. Mit meiner Schwester. Sie war damals elf. (lacht)

Aber die Eltern wussten wenigstens Bescheid?

Klar. Wir haben beide versprochen, dass wir aufpassen und uns anständig benehmen. Daran haben wir uns natürlich gehalten. Was ich inzwischen aber noch verraten kann: An einem anderen Tag haben wir sogar mal die Schule geschwänzt.

Sie haben nicht nur viele Trainer, sondern noch mehr Spieler kennengelernt. Zu wem gibt es noch Kontakt?

Jiri Nemec, Uwe Scherr und natürlich noch intensiver zu Gerald Asamoah und Mike Büskens. Das war auch schon vor ihrer aktuellen Tätigkeit auf Schalke der Fall. Wenn ein Spieler wie Michael Frey sogar ein Bild für mich und Holger malt, freut mich das auch ganz besonders.

Und wie war der Draht zu Weltstars wie Raul?

Großartig, denn diese Spieler sind ganz anders, als sie manchmal in der Öffentlichkeit dargestellt werden. Nach 25 Jahren Arbeit für Schalke kann ich sagen, Spieler wie Raul sind die pflegeleichtesten. Sie stellen keine Ansprüche und wollen nicht anders behandelt werden.

Zum Schluss: Was erwarten Sie von der neuen Saison?

Dass wir von Anfang an oben mitspielen und am Ende der Saison dorthin zurückkehren, wo der FC Schalke 04 hingehört.

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