Die Diagnose war Erleichterung und Schock-Moment zugleich, sagt Daniela Dymke. Die Raesfelderin leidet an einem Lipödem. Dabei vermehrt sich das Unterhautfettgewebe, oft sind die Beine betroffen, seltener auch die Arme. Die chronische Krankheit betritt fast nur Frauen.
Rund jede Zehnte sei davon betroffen, berichtet sie. Was die 28-Jährige besonders ärgert: Die Krankenkassen zahlen eine Operation, in der das Fettgewebe abgesaugt wird, nur beim dritten und höchsten Schweregrad der Erkrankung.
Im September habe Daniela Dymke die Diagnose bekommen, aber das Problem der Gewichtszunahme hat sie bereits 2019 bemerkt. Mehr Sport, mehrere Diäten: Das Gewicht blieb. „Ich wollte nicht mehr von Arzt zu Arzt rennen“, sagt die ausgebildete Industriekauffrau. Und so zahlte sie die Untersuchung beim Facharzt selbst und kürzte den Weg so ab.
Vorher war ihr aufgefallen, dass das Treppensteigen wegen der schweren Beine immer anstrengender wurde. Auch ihr Hobby, das Tanzen beim Raesfelder Carnevalsverein (RCV), ist nur noch eingeschränkt möglich. „Man schleppt sich durch den Alltag“, sagt die 28-Jährige. „Was mache ich jetzt?“, habe sie sich gefragt. Sprüche im Alltag und die Unkenntnis mancher Ärzte hinsichtlich dieser Krankheit machten es nicht besser. Hinzu kommen starke Schmerzen in den Beinen. „Das geht irgendwann auch an die Psyche.“
Regelmäßig zur Lymphdrainage
Zwei- bis dreimal pro Woche geht Daniela Dymke seitdem zur Lymphdrainage, jeweils eine Stunde dauert dies. Und sie zieht sich speziell nach Maß angefertigte Strümpfe an. Denn diese Leistungen zahlt ihre Krankenkasse. Die Raesfelderin fällt mit ihrem Verlauf in Kategorie 2. Aber erst ab Stufe 3, wenn das Lipödem bei den betroffenen Frauen nicht mehr zu übersehen ist, kommt die Übernahme der Kosten einer Operation durch die Krankenkasse infrage.
„Das kann doch wohl nicht wahr sein“, schildert sie eine oft gehörte Reaktion aus ihrem Familien- und Freundeskreis. Zumal die Raesfelderin die Voraussetzungen, die für eine Kostenübernahme erfüllt sein müssen, für völlig unrealistisch hält.
Daniela Dymke hat sich für eine OP entschieden und auch schon einen Termin: „Da ist mir ein Stein vom Herzen gefallen.“ Bewusst habe sie sich für eine deutsche Klinik entschieden. Im Ausland werden diese Eingriffe günstiger angeboten, aber auch ihre Hausärztin habe ihr empfohlen, auf Nummer sicher zu gehen, sagt sie. Bis zu 30.000 Euro könnten ihre OPs kosten, rechnet Daniela Dymke vor, denn aus medizinischen Gründen muss das Körperfett in mehreren Schritten entfernt werden.
Eine Summe, die sie ohne weiteres nicht aufbringen kann. Nur: In ihrem Fall kämen mit der bisherigen Behandlung im Lauf der Jahre deutlich höhere Kosten zusammen, ist sie überzeugt. „Das tut gut, keine Frage“, sagt sie über diese Behandlung, die aber keinen dauerhaften Erfolg biete.
Gute Erfolgsaussichten
„Mit Glück hat man dann Ruhe“, schildert die 28-Jährige die Erfolgsaussichten einer OP. Die Chancen stünden gut, dass kein neues Gewebe entsteht. Dymke ist sich der Risiken bewusst: Die Zeit nach der OP werde nicht einfach, ist sie überzeugt. Umso mehr ist sie für die Unterstützung dankbar, die sie durch ihre Familie, im Freundeskreis und ihren Partner erfährt. „Er steht voll dahinter“, freut sie sich.
Von Seiten der Krankenkassen heißt es auf Nachfrage, dass sie sich bei den OP-Kosten an die gesetzlichen Vorgaben halten müssen. „Der Kasse sind die Hände gebunden“, sagt etwa Christian Elspas, Presseferent der Techniker Krankenkasse in Düsseldorf.
Er verweist auf Änderungen, an denen der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) arbeitet. Dies ist das höchste Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen Deutschlands.
Ann Marini, die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit, erklärt auf Nachfrage, dass derzeit die Ergebnisse einer Studie zur Liposuktion (Fettabsaugung) beim Lipödem ausgewertet werden, die der GBA initiiert hat. Damit soll geklärt werden, welchen Nutzen die Methode im Vergleich zur konservativen, an den Symptomen orientierten Behandlung hat. Die Ergebnisse erhält der GBA im Dezember.
Dann soll beraten werden, ob die Fettabsaugung eine reguläre Leistung der gesetzlichen Krankenkassen wird. Mitte des Jahres 2025 soll ein Beschluss dazu erfolgen, teilt Ann Marini weiter mit.
Beschließt der GBA neue Leistungen für die gesetzliche Krankenversicherung im ambulanten Bereich, schließen sich die Verhandlungen über die Vergütung der niedergelassenen Ärzte an. Und hier befürchtet Daniela Dymke, dass es erst in einigen Jahren soweit sein könnte, bis die Kostenübernahme abschließend geklärt ist.
Der GBA bewertet Leistungen für die gesetzliche Krankenversicherung wie zum Beispiel neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden unter Nutzenaspekten (Vorteile, Nachteile, Risiken). Seine Einschätzung erfolgt auf Basis von wissenschaftlichen Studien, teilt Sprecherin Ann Marini mit.
Der GBA hat sich dabei an die Vorgaben des Gesetzgebers zu halten. Dieser definiere im Sozialgesetzbuch, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und notwendig sein sollen.