
© Berthold Fehmer
Mit Video: Ein Rundgang durch Schloss Raesfeld - so wohnen Herrschaften
Schloss Raesfeld
Für 1,5 Millionen Euro hat die Gemeinde das Schloss Raesfeld gekauft. Doch sogar viele Raesfelder dürften vom Inneren nur eine ungefähre Vorstellung haben. Zeit für eine Schlossführung.
Jahrzehnte war die Akademie des Handwerks Besitzerin des Schlosses, dessen Geschichte bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht und das Mitte des 17. Jahrhunderts von Reichsgraf Alexander II. von Velen ausgebaut wurde. Die Handwerkskammern ließen die Kriegsschäden am Schloss nach dem Zweiten Weltkrieg reparieren.

Schwarz umrandet sind die Bereiche, die die Gemeinde Raesfeld zum 1. Januar 2022 von Schloss Raesfeld gekauft hat. © Gemeinde Raesfeld
Die Gemeinde Raesfeld kaufte zum 1. Januar 2022 das Schloss für 1,5 Millionen Euro, inklusive 7,4 Hektar Fläche (Waldstück, Weinbergteich, Naturparkhaus, Parkplätze). Der Alltag am Schloss hat sich dadurch nicht geändert. Denn weiterhin belegen die Akademie des Handwerks sowie das Restaurant „Mahl & Meute“ die Räume.
„Jeder Quadratzentimeter wird genutzt“
Fünf Lehrsäle, vier Büros, 14 Gästezimmer, dazu das Restaurant, der Rittersaal, die Zunftstube, zwei Trauzimmer und die Rezeption. „Jeder Quadratzentimeter wird genutzt“, sagt Markus Büsken, Erster Beigeordneter der Gemeinde, und das unterscheide dieses Schloss von vielen anderen. „Viel Potenzial“, sieht Bürgermeister Martin Tesing im Gebäude.
Das Restaurant Mahl & Meute, die Trauzimmer, der Rittersaal: Diese Räumlichkeiten dürften vielen Besuchern bekannt sein. Weniger jedoch die von der Akademie genutzten Räume: Lehrsäle, Seminarräume, Büros oder auch die Gästezimmer.

Der Rittersaal des Schlosses wird weiterhin gastronomisch, aber auch für Veranstaltungen des Kulturkreises genutzt. © Berthold Fehmer
Was bei der Führung durchs Schloss deutlich wird: Es gibt nicht den einen Stil bei der Inneneinrichtung. Die Seminarräume spiegeln mit ihrer Ausstattung die Zeit wieder, in denen sie gestaltet wurden.

Einer von zwei Lehrsälen im Rundturm, der 1960 wieder aufgebaut wurde. © Berthold Fehmer
Das Turmzimmer etwa wurde in den 1960er-Jahren eingerichtet, ein halbrunder Seminarraum im Rundturm, der 1960 wieder aufgebaut wurde - also noch relativ jung ist. „Jeder Raum in diesem Haus ist anders“, sagt Bürgermeister Martin Tesing. Eine Etage darüber, in einem ebenfalls halbrunden Seminarraum, erinnert von der Innenausstattung nur wenig an sein Pendant. Hier lobt Martin Tesing den Parkettboden.

Eine Etage weiter oben sieht die Innenausstattung reichlich anders aus. © Berthold Fehmer
„Akustik und Kosmetik“ wären für Akademieleiterin Ursula Baumeister in diesen Räumlichkeiten als Sanierungsziele auszugeben. „Wenn hier Leute tuscheln, übertönt das manchmal die Referenten.“ Was wohl auch an den hohen Decken liegt. In der Zukunftstube hingegen, die von „Mahl & Meute“ oft für Frühstück oder Mittagessen genutzt wird, ist die Decke nur etwa 2,10 Meter hoch.

So wie in dieser Zeichnung hat das Schloss Raesfeld vor den Kriegsschäden ausgesehen. © Berthold Fehmer
Die Akademie des Handwerks will sich in den kommenden Jahren vom Hauptschloss in die Vorburg zurückziehen. Dort sollen Gästezimmer zu Büros umgestaltet werden. Dann wären Renovierungs- oder Umbaumaßnahmen im Hauptschloss möglich.
Bauausschuss soll gegründet werden
Doch wer entscheidet eigentlich, was wann und wie im Schloss renoviert werden soll? Dafür solle ein Bauausschuss mit Vertretern der Gemeinde und der Akademie gegründet werden, sagt Tesing. Zu beachten sei natürlich bei Baumaßnahmen der Denkmalschutz. Und der werde sich auch mit dem Thema Barrierefreiheit auseinandersetzen.

Nicht der Steinway-Flügel, sondern der Erker dahinter ist für den von der Gemeinde eingeschalteten Sachverständigen die größte Besonderheit am Schloss Raesfeld. © Berthold Fehmer
Stichwort Denkmalschutz. Wohl niemand würde darauf kommen, welchen Raum ein Sachverständiger als erhaltenswertesten Raum im Schloss sieht. Nicht etwa den Rittersaal, sondern dessen Vorraum, wie Markus Büsken berichtet. Der vierteilige Erker, der bei der Führung hinter dem Steinway-Flügel des Kulturkreises fast verschwindet, sei im Velener Schloss bereits eingebaut gewesen, so Büsken. Um 1900 wurde der Erker abgenommen, war bis 1933 wieder am Schloss Velen und gelangte erneut zurück nach Raesfeld.
„Keine Damen und Herren, die hier gelebt haben“
Viele Bilder sind in diesem Vorraum zu sehen, die offenbar adlige Menschen zeigen. Allerdings: „Es sind keine Damen und Herren, die hier gelebt haben“, so Büsken. Faktisch wisse man nicht, wen die Gemälde zeigen: „Wir können sie nicht zuordnen.“

Diese Bilder und weitere Bilder hängen im Vorraum des Ritterssaals. Wer dort abgebildet ist, weiß man nicht. © Berthold Fehmer
Wenn man die vielen Räume sieht, mit ihren teilweise hohen Decken, fragt man sich: Was kostet es eigentlich, so ein Schloss zu heizen? 25.000 Euro Heizkosten habe man im Hauptschloss pro Jahr, sagt Ursula Baumeister, die diese Info allerdings erst nachschauen muss. Erst 2010 sei die Heizungsanlage erneuert und von Öl auf Gas umgestellt worden, so Martin Tesing. Ein Niedrigenergiehaus könne man aus dem Schloss aber nicht machen.

Ein Blick in das Gästezimmer „Köln" mit passendem Bild an der Wand © Berthold Fehmer
Im „Hoteltrakt“ des Schlosses gibt es 14 Zimmer, die auch sehr unterschiedlich aussehen. „Hochwertiges Mobiliar“ sei hier aufgestellt, sagt Baumeister, die in anderen Hotels schon auf IKEA-Möbel gestoßen ist. Für Martin Tesing haben die im Jahr 2000 renovierten Räume (und Badezimmer) nicht unbedingt die höchste Priorität bei der Frage, was die Gemeinde zuerst angehen sollte. „Wir wollen hier kein Vier- oder Fünf-Sterne-Hotel machen.“

Das Kaminzimmer, in dem sich Paare trauen lassen können. © Berthold Fehmer
Heiraten kann man im Schloss im Kaminzimmer und im Verlieszimmer. Etwas beliebter sei das Kaminzimmer, berichtet Büsken.

In diesem Verlies werden keine Gefangenen gemacht. Stattdessen können sich Paare hier trauen lassen. © Berthold Fehmer

Dieser Lehrsaal im Schloss erinnert von seiner Einrichtung eher an die 1970er-Jahre. © Berthold Fehmer
Bei den Lehrsälen in diesem Trakt werde überlegt, zwei kleinere Räume zu einem größeren zu verbinden, so Tesing. Das sei auch aus Denkmalschutz-Sicht möglich, da die Zwischenwand erst später eingezogen wurde.

Auch die Decken im Schloss lohnen einen Blick. © Berthold Fehmer
Für Ursula Baumeister wird in den nächsten Jahren ein Abschied bevorstehen. Der von ihrem Büro. „Mit dem besten Ausblick in Raesfeld“, so Tesing, was man bei der Führung durchs Büro nur bestätigen kann. Baumeister sagt lächelnd, dass sie mit Fotos von diesem Ausblick auch gerne mal Arbeitskollegen geärgert habe. Bleibt die Frage: Wird das Büro die neue Residenz des Bürgermeisters? Tesing lacht: „Sie glauben nicht, wie oft ich das in der letzten Zeit gefragt wurde.“

Martin Tesing und Ursula Baumeister im Büro der Akademieleiterin, das laut Tesing den besten Ausblick von Raesfeld bietet. © Berthold Fehmer
Berthold Fehmer (Jahrgang 1974) stammt aus Kirchhellen (damals noch ohne Bottrop) und wohnt in Dorsten. Seit 2009 ist der dreifache Familienvater Redakteur in der Lokalredaktion Dorsten und dort vor allem mit Themen beschäftigt, die Schermbeck, Raesfeld und Erle bewegen.
