
Geflohen vor dem Krieg in ihrer Heimat, vorerst gestrandet in Seppenrade: Geflüchtete aus der Ukraine warten im Josefshaus auf ihren Aufenthaltstitel aus Olfen. Sie sind frustriert. © Jessica Hauck
Warten und Frust: Olfener Flüchtlingen fehlen Papiere von Stadt Olfen
Knappe Unterkünfte
Die Nerven liegen zunehmend blank: Rund 70 der Stadt Olfen zugewiesene ukrainische Geflüchtete warten derzeit in Seppenrade auf wichtige Papiere. Auch die Kinder schaffen es nicht zur Schule.
Die Stimmung schwankt zwischen Verzweiflung und Hilflosigkeit, die Nerven liegen auf jeden Fall blank: Im Josefshaus in Seppenrade, in dem alle Kreis-Coesfeld-Kommunen ihnen zugewiesene Flüchtlinge kurzzeitig unterbringen können, wenn lokale Wohnungen voll sind, warten derzeit rund 70 Geflüchtete aus der Ukraine, wie es mit ihnen weitergeht. Sie wollen Sprachkurse besuchen, eine Arbeit suchen, die Kinder zur Schule schicken - doch dafür fehlen die nötigen Papiere.
Viele sind schon seit August der Stadt Olfen zugewiesen, warten also seit rund zwei Monaten in Seppenrade. Die Leute sind zunehmend frustriert, übersetzt Karen Bagratyan aus dem Russischen. Er arbeitet beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in Dorsten, wohnt in Marl und hilft den Geflüchteten im Josefshaus ehrenamtlich als Dolmetscher. „Die Leute können hier nichts machen“, beschreibt Bagratyan die Lage. Es fehle ihnen eine Registrierung.
Mehrere Gespräche brachten nicht den erhofften Erfolg
Ein Problem, das nur bei den Olfen zugewiesenen Flüchtlingen besteht, sagt Bagratyan. Die anderen Kommunen des Kreises Coesfeld schafften die Registrierung deutlich schneller, sagt der Übersetzer. Gerade erst sei ein Mann aus Schmallenberg im Sauerland mit seiner Familie im Josefshaus zusammengeführt worden. Nach einer Woche habe die ganze Familie von der Stadt Dülmen die nötigen Papiere bekommen.
Karen Bagratyan habe bereits mehrere Gespräche mit der Ausländerbehörde des Kreises Coesfeld und der Stadt Olfen geführt, um zu erfahren, warum die Flüchtlinge aus Olfen im Josefshaus nur warten können. Es fehlt die Registrierung, sagt Karen Bagratyan. In Coesfeld habe er als Auskunft bekommen, es fehle eine Meldeadresse. Aus der Stadt Olfen habe er verschiedene Auskünfte bekommen, woran es hapert. Man sei dabei, eine Lösung zu erarbeiten. „Die Antwort hören wir seit Monaten“, sagt der Dolmetscher. „Die Leute warten nur, so geht es nicht“, beschwert sich Bagratyan. Er habe etwa 20 Arbeitsstellen ermittelt, für die keine Deutschkenntnisse nötig sind. Doch ohne Aufenthaltstitel können die Geflüchteten nicht arbeiten. Auch ein Sozialticket bekommen sie so nicht, auch keine Krankenversicherung, und die Kinder gehen nicht zur Schule.

Karen Bagratyan (rechts) spricht russisch und hilft den Geflüchteten in Seppenrade ehrenamtlich bei der Verständigung. Er sagt: Die Leute sind verzweifelt. © Jessica Hauck
Das Problem ist in der Stadtverwaltung Olfen bekannt. Das Problem sei, dass die Stadt derzeit so viele Flüchtlingszuweisungen erhalte, dass die Unterbringungsmöglichkeiten vor Ort erschöpft seien, sagt Stefanie Benting, Fachbereichsleiterin Arbeit, Soziales und Integration der Stadt Olfen. Dadurch konnten die Geflüchteten nicht in Olfen angemeldet werden und somit konnte auch kein Aufenthaltstitel erteilt werden, erklärt Benting.
Stadt Olfen: Geflüchtete können „in absehbarer Zeit“ umziehen
Doch das soll sich zeitnah ändern. Derzeit bereite die Stadt eine Unterkunft vor, sodass die Geflüchteten aus der Ukraine „in absehbarer Zeit“ aus dem Josefshaus nach Olfen umziehen können. Das schaffe dann die melderechtlichen Voraussetzungen, dass die Ausländerbehörde des Kreises Coesfeld den Menschen den Aufenthaltstitel erteilen könne. „Wir mussten intern klären, wie wir die Leute anmelden können“, erklärt Stefanie Benting die Wartezeit. An der Adresse des Josefshauses in Seppenrade habe die Stadt die Olfen zugewiesenen Flüchtlinge nicht anmelden können.

Das Josefshaus in Seppenrade gehörte einmal zu einem Kloster. 2015 (Archivbild) wurde es zu einer Unterkunft für unbegleitete Jugendliche, meist aus Syrien und Afghanistan, umgebaut. Inzwischen ist es eine Unterkunft für alle Kommunen des Kreises Coesfeld. Sie können dort kurzfristig Geflüchtete unterbringen, bis sie in den Städten und Gemeinden selbst eine Unterkunft bekommen. © Tobias Weckenbrock (Archiv)
Und ohne Adresse und damit ohne Meldeanschrift habe die Ausländerbehörde des Kreises Coesfeld keinen Aufenthaltstitel ausstellen können, bestätigt ein Sprecher des Kreises Coesfeld. Wenn die Geflüchteten dann den Aufenthaltstitel bekommen, erhalten sie auch Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, statt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Dafür ist dann das Jobcenter zuständig. Sie können sich dann auch eine Arbeitsstelle suchen.
Trotz Schulpflicht: Kein Schulbus für Grundschüler
Benting bestätigt auch, dass die Kinder, die im Josefshaus wohnen, ab dem Tag ihrer Zuweisung nach Olfen schulpflichtig sind - auch ohne Aufenthaltstitel. Die Grundschule warte auch auf die Kinder. Doch es gebe keinen Schulbus, der sie aus Seppenrade nach Olfen bringen würde. „Das ist eine missliche Lage, keine Frage“, bestätigt Stefanie Benting von der Stadt Olfen. Deshalb sollen in einigen Tagen vorrangig die Familien mit schulpflichtigen Kindern aus dem Josefshaus nach Olfen umziehen. Die weiterführenden Schulen in Lüdinghausen seien aus Seppenrade zu erreichen.
Die Lage für die Stadt bleibt angespannt. Derzeit kämen nicht nur viele Geflüchtete aus der Ukraine nach Olfen. Auch aus anderen Ländern steigen seit einiger Zeit die Zuweisungen wieder. Dass Olfen ein Problem mit der Unterbringung hat, weiß auch der Kreis Coesfeld. Etwa eine Woche, bevor die Personen aus den Landesunterkünften nach Olfen kommen, erhalte die Stadt die Zuweisungsankündigung, schildert ein Sprecher des Kreises.
Seit rund zehn Jahren im Lokaljournalismus zu Hause – erst am Niederrhein, dann im Ruhrgebiet und Münsterland. Beschäftigt sich am liebsten mit menschlichen und lokalpolitischen Geschichten.
