Das Hochwasser hält Waltrop weiter in Atem. Vor allem Feuerwehr und Technisches Hilfswerk (THW). Ganz besonders aber auch das Ehepaar Exner. Jürgen Exner (74) und seiner Frau Regina gehört das östlichste Haus auf der zum Teil schon überfluteten Borker Straße. Am Dienstagabend (26.12.) türmen 35 Feuerwehrleute und 15 Einsatzkräfte des THW einen Damm aus 1500 Sandsäcken an der Seite des Hauses auf, die der Lippe zugewandt ist. Auf rund zwei Meter bis zum Wasser schätzt die Feuerwehr den Abstand am späten Dienstag ein. Keine 24 Stunden später hat die Distanz sich noch mal ganz deutlich verringert.
Feuerwehr musste ein zweites Mal kommen
Am Abend zuvor hatte sich Exner noch verhältnismäßig entspannt gezeigt. Seit 1994 wohnen er und seine Frau in dem Haus. Ja, er würde etwas schlechter schlafen als sonst, räumt er dieser Redaktion gegenüber ein. Mehrmals in der Nacht würde er aufstehen, um nach den Pumpen im Keller zu schauen, die während des Dauerregens der letzten Tage pausenlos laufen würden. Solche Pumpen hätten alle in der Nachbarschaft. Ohne würde es hier gar nicht gehen, das habe er auf die harte Tour lernen müssen.
Am Mittwochabend (27.12.) sind die Geräte aber überfordert: Das Grundwasser stehe inzwischen im Keller, erklärt der 74-Jährige in einer freien Minute am Telefon. „Heute Morgen war die Feuerwehr noch mal da“, sagt Exner. „Es ist schlimm, aber nicht katastrophal. Die Feuerwehrleute haben eine zusätzliche Sandsperre im Keller gelegt.“ So soll verhindert werden, dass das Wasser in sämtliche Räume im Untergeschoss fließt.

Kreis hat 10.000 Sandsäcke befüllen lassen
„Der Gesamteinsatz obliegt jetzt dem Kreis“, hatte Waltrops Feuerwehr-Sprecher Jochen Möcklinghoff am Dienstagabend während des Baus der Barriere aus Sandsäcken mitgeteilt. Und das sei durchaus zu begrüßen, denn der Koordinationsradius sei ja doch groß: Neben Waltrop liegen im Kreis Recklinghausen außerdem Datteln, Haltern am See und Dorsten an der Lippe. Für das THW sei das Hochwasser bereits eine Landeslage, erklärt vor Ort Georg Sehrbrock, beim Hilfswerk für die Pressearbeit zuständig.
Beim THW in Recklinghausen hat die Kreisverwaltung eine Anlage zum Befüllen von Sandsäcken in Betrieb genommen. 10.000 Sandsäcke, erklärt Möcklinghoff, sollen präpariert werden, um im Fall der Fälle unverzüglich zur Verfügung zu stehen. (Das THW stellt obendrein auch eine mobile Messstation zur Verfügung, um die Wasserstände leichter kontrollieren zu können.) Die ersten 1500 Säcke sind am Dienstagabend zur Borker Straße gefahren worden.

Seit Montagnachmittag hatten Feuerwehr, Ver- und Entsorgungsbetrieb Waltrop (V+E) und THW die Situation vor dem Haus der Exners an der Borker Straße beobachtet. Schließlich hatte der Stab für außergewöhnliche Ereignisse, dem auch der beim Einsatz ebenfalls anwesende Bürgermeister Marcel Mittelbach angehört, entschieden, das Heim des Ehepaars vor den heran kriechenden Wassermassen der Lippe zu schützen. Das Nass hat den knapp 20 Meter langen und rund 60 Zentimeter hohen Wall aus Sandsäcken am frühen Mittwochnachmittag zwar noch nicht erreicht. Aber es ist doch deutlich sichtbar näher gekommen.

„Ich bin froh, dass die Leute hier sind“
Entsprechend kurz angebunden ist verständlicherweise auch Jürgen Exner. 2003 habe es zuletzt eine vergleichbare Situation gegeben, die allerdings nicht ganz so bedrohlich gewesen sei. „Ich bin froh, dass die Leute hier sind“, sagt er, während die rund 50 Einsatzkräfte sich die 1500 Sandsäcke weiterreichen und Stück für Stück die Mauer aus Sandsäcken entsteht. „Wenn das Wasser von der Wiese ins Haus läuft, dann hätte ich die falschen Karten gezogen“, kommentiert der 74-Jährige den Umständen entsprechend locker die Situation. Direkt am Haus ist das Rauschen des Wassers im Stimmengewirr der Feuerwehr- und THW-Leute nicht zu hören. Aber vor dem Haus der Exners lässt sich das Hochwasser nicht verleugnen: Es fließt geräuschvoll von Norden nach Süden über die Borker Straße. Waltrop bleibt Hochwasser-Gebiet.

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