Im Oktober 2019 gab es für das Dattelner Teilstück der B 474n den symbolischen ersten Spatenstich. Dafür war eigens Hendrik Wüst, damals Verkehrsminister und heute NRW-Ministerpräsident, nach Datteln gefahren. 2024, so die ursprüngliche Planung, sollte die Straße, Kritiker sprechen despektierlich vom Dattelner Stummel, fertig sein. Daraus wird nichts. Das Baustellenschild an der B 235, das noch den Termin der Fertigstellung für 2024 ankündigte, ist seit kurzem verschwunden. Wann die drei Kilometer lange, neue Verbindung von der B 235 in Datteln bis zur L 609 (Münsterstraße) in Waltrop befahrbar sein wird, dazu wollte Petra Vesper von der Pressestelle von Straßen.NRW, auf Anfrage keine konkreten Angaben machen.

In den letzten Wochen erreichten unsere Redaktion mehrere Anfragen von Lesern, die ihr Unverständnis darüber äußerten, dass auf der Baustelle kein Baufortschritt zu sehen ist. Ein Leser wundert sich, dass im gesamten Bereich kein Radweg berücksichtigt wurde. „In der heutigen Zeit werden doch überall Radwege oft mit großem Aufwand an vorhandenen Straßen ergänzt. Warum hier nicht sofort beim Neubau der Umgehungsstraße“, so der Leser in einer E-Mail an unsere Redaktion.
Arbeiten auf ersten Blick nicht immer ersichtlich
Dazu nimmt Petra Vesper von Straßen.NRW so Stellung: „Die Aussage, dass es auf der Baustelle Stillstand gibt, ist so nicht korrekt. Die Arbeiten erfolgen abschnittsweise und sind für Verkehrsteilnehmende daher manchmal nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich. So werden aktuell zum Beispiel Kabel für den Anschluss der Ampelanlagen verlegt. In Kürze werden zudem an den Kreuzungen die für die Verkehrsfreigabe notwendigen Fahrbahnmarkierungen aufgebracht. Die endgültigen Fahrbahnmarkierungen erfolgen dann aus Gründen der Dauerhaftigkeit und Gewährleistung im Frühjahr. Weitere Arbeiten, die noch ausstehen, sind unter anderem das Aufstellen der Beschilderung, die Herstellung der Schutzeinrichtungen, Teile der Fledermausüberflughilfen sowie Asphaltarbeiten.“
Planungen begannen vor 30 Jahren
Den fehlenden Radweg begründet die Straßenbaubehörde mit den langen Planungen für das Straßenbauprojekt. „Die Planungen für die B 474n begannen im Jahre 1994. Der Planfeststellungsbeschluss ist im Jahre 2009 erfolgt und ist nach einem langen Gerichtsverfahren seit 2018 bestandskräftig. Ist der Plan für ein Bauvorhaben festgestellt, dann ist das Projekt genehmigt und es kann mit den Planungen für die Umsetzung begonnen werden. Es besteht also Baurecht. An dieses ist Straßen.NRW bei der Ausführungsplanung und dem Bau der Umgehungsstraße auch gebunden. Der Bedarf für einen straßenbegleitenden Radweg muss bereits im Vorfeld ermittelt und bei der Planfeststellung berücksichtigt werden. Für die B474n gab es keinen solchen Planungsauftrag, er wurde folglich nicht geplant, nicht planfestgestellt und es gibt dafür kein Baurecht. Straßen.NRW kann also eine geplante Umgehungsstraße nicht ‚mal eben‘ durch einen Radweg ergänzen. Das würde gegen geltendes Recht verstoßen“, so Petra Vesper.
Petra Vesper verweist auf die B 235, wo zwischen Olfen und Datteln ein kombinierter Geh-und Radweg geplant und umgesetzt worden sei. Gleiches gelte für den Kreuzungsbereich der Münsterstraße (L 609) mit der neuen B 474n. Zudem sei das Teilstück der B 474n über die Kanalbrücke mit Rampen geringer Neigung an das nachgeordnete Wegenetz für Radfahrer angeschlossen worden. Somit würden im Zuge des Neubaus der B 474n die kreuzenden Geh- und Radwegverbindungen neu bzw. wiederhergestellt. Der Radverkehr könne weiterhin die bestehenden Ortsdurchfahrten nutzen.
Probleme mit der Überflughilfe
Dass die Straße nicht wie geplant 2024 freigegeben werden kann, liegt unter anderem an den Fledermausüberflughilfen. Da gab es laut Straßen.NRW Schwierigkeiten bei der baulichen Umsetzung. Deshalb war eine neue Ausschreibung der Maßnahme nötig. Die Zustimmung, unter anderem für diesen Vertrag, in Form einer Kostenfortschreibung durch den Bund stehe noch aus. Erst danach können die noch ausstehenden Arbeiten vergeben werden. Unter anderem dadurch hätten sich Verzögerungen für den gesamten Bauablauf ergeben, sodass ein Abschluss der Maßnahme erst im kommenden Jahr erfolgen könne. Petra Vesper: „Die Fertigstellung ist nicht zuletzt auch abhängig von Wetter, Materiallieferungen sowie Kapazitäten beim Landesbetrieb Straßen.NRW und den ausführenden Fachfirmen, sodass ein genaues Datum derzeit nicht genannt werden kann“, erläutert die Pressesprecherin.

Die B 474n soll, so lautete damals die Begründung der Befürworter, für eine Entlastung auf den beiden stark befahrenen Ortsdurchfahrten in Datteln und Waltrop sorgen. Ihre volle Wirkung wird die zwölf Kilometer lange B 474n allerdings erst dann entfalten, wenn auch das deutlich längere Waltroper Teilstück bis zur A 45 gebaut ist. Bis dahin wird es aber noch Jahre dauern, wenn die zu erwartenden Klagen gegen dieses Teilstück das Projekt auf Waltroper Stadtgebiet nicht sogar ganz zum Erliegen bringen.
Entlastung vor allem auf Ost- und Südring
Im Verlauf des bisherigen Planungsprozesses zwischen 1996 und 2020 wurden mehrere Verkehrsuntersuchungen durchgeführt. Mit dem Neubau der B 474n im Abschnitt der Ortsumgehung Datteln könne bereits eine Teilentlastung für den Kernbereich von Datteln erreicht werden, betont Petra Vesper. Die Entlastungswirkung der B 474n betreffe im Wesentlichen die B 235. Hierbei sind laut Straßen.NRW die stärksten Entlastungen in der nördlichen Ortsdurchfahrt Datteln zu erwarten, also auf dem Ost- und Südring. Sie liegt nach Prognosen von Straßen.NRW bei einer Größenordnung von 5400 bis 8100 Kfz-Fahrten pro Tag, was einer prozentualen Entlastung von 35 bis 45 Prozent entspräche. Das Dattelner Teilstück der B 474n weist laut Prognose für das Jahr 2030 eine Verkehrsbelastung von rund 7200 Fahrzeugen/Tag auf - ohne die Ortsdurchfahrt Waltrop. Der Durchgangsverkehr könne hier nahezu komplett auf die Ortsumgehung verlagert werden, während der auf die Ortsmitte bezogene Quell- und Zielverkehr weiterhin die Ortsdurchfahrt nutzen werde, so Vesper weiter. Die regionalen Entlastungseffekte werden sich folglich erst mit der Realisierung der durchgehenden B 474n von der B 235 in Datteln bis zum Autobahnkreuz der A 45 ergeben.
35 Mio. Euro Baukosten werden nicht ausreichen
Die Gesamtkosten für den Bereich Datteln der B 474n wurden ursprünglich auf 35 Mio. Euro kalkuliert. Petra Vesper: „Eine Kostensteigerung ist absehbar. Die Gründe sind sowohl die durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg allgemein gestiegenen Bau- und Materialkosten, aber auch Mehrkosten unter anderem durch die Neuausschreibung der Fledermausüberflughilfen. Eine Prognose auf die Gesamtkosten kann aktuell noch nicht gegeben werden, denn diese sind auch abhängig vom Ergebnis des Vergabeverfahrens für die noch ausstehenden Bauleistungen.“