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Unglaubwürdig und lebensfremd: Maria 2.0 fordert Reformen der Kirche
Katholische Kirche
500 Jahre nach Luther hängen wieder Thesen an der Kirchentür - auch in Olfen und Vinnum. Verfasser ist die Frauengruppe Maria 2.0. Sie hat vor Ort einen prominenten Unterstützer.
Kardinal Wölki hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Frauen, die sich am frühen Sonntagabend vorm Hauptportal der Kirche St. Vitus treffen, schütteln nur den Kopf. „Das geht gar nicht“, ist immer wieder zu hören. Gemeint ist nicht nur das Zurückhalten eines unabhängigen Gutachtens über sexuellen Missbrauch im Erzbistum Köln durch den Kirchenmann, sondern auch die Ignoranz angesichts der Kritik an ihm. „Auch Amtsträger müssen offen zu ihren Fehlern stehen“, sagt Brigitte Westrup. Und es läuft vieles falsch in der katholischen Kirche.
7 statt 95 Thesen hängen an der Kirchentür
Davon ist die 2019 in Münster gegründete und inzwischen bundesweit aktive Reform-Bewegung überzeugt, die sich unter anderem für die Zulassung von Frauen zu allen Ämtern der Kirche einsetzt.
Am dunklen Eichenholz der Kirchentür hängen nicht 95 Thesen, wie sie einst Luther verfasst hat. Die Olfenerinnen, die alle Mitglieder der Gruppe Maria 2.0 sind, haben laminierte Din-A-4-Bögen mit nur sieben Thesen aufgehängt. Sie prangern sieben zentrale Missstände in der katholischen Kirche an: Machtmissbrauch, sexuelle Gewalt, eine lebensfremde und diskriminierende Sexualmoral, das Pflichtzölibat, das Männer dazu verleite, Scheinfassaden aufzubauen, Prunk und Unglaubwürdigkeit
Aktion vor der Vollversammlung der Bischöfe
Die Frauen von Maria 2.0 haben bewusst dieses Wochenende für ihre bundesweite Aktion ausgewählt: Die deutschen Bischöfe werden von Dienstag bis Donnerstag (23. bis 25. Februar) eine digitale Vollversammlung abhalten. Längst herrscht auch auf der Leitungsebene der Bistümer keine Einigkeit mehr, wie mit den Problemen umzugehen sei. Die Kritikerinnen aus den Reihen von Maria 2.0 sehen darin eine Chance zu einer breiten, offenen Diskussion mit dem Ziel, die aus ihrer Sicht lange überfälligen Reformen einzuleiten. „Dabei bekommen wir auch von vielen Männern Unterstützung“, sagten die Frauen vor der Olfener Kirchentür. Darunter ist auch ein prominenter Unterstützer.

Seit Samstagabend hängen die Thesen an den Kirchentüren der Gotteshäuser in Olfen und Vinnum. In vielen anderen katholischen Kirchen Deutschlands ebenfalls - aber längst nicht überall. © Sylvia vom Hofe
„Ich habe das Thema heute auch im Gottesdienst angesprochen“, sagt Ulrich Franke, der Pfarrer von Olfen, am Samstagabend. „Nicht alle müssen mit den Thesen einverstanden sein, aber es ist wichtig, sie zu diskutieren.“ Denn dass es „in der Kirche gärt“ sei nicht zu übersehen. „Dem kann man nur begegnen, indem wir die Themen offen ansprechen mit Respekt voreinander“. Eine Kirche mit Rede- oder gar Denkverboten dürfe es nicht geben. Franke macht keinen Hehl daraus, dass es ihm nicht nur ums Reden geht, sondern dass er sich auch Veränderungen wünscht.
Pfarrer Franke: „Ich muss sagen, die haben Recht“
Die Verantwortlichen sexueller Gewalt zur Verantwortung zu ziehen, ihre Taten lückenlos aufzuklären und die Ursachen für die Taten unter dem Dach der Kirche zu bekämpfen, „muss doch eine Selbstverständlichkeit sein“, sagt er. Frauen in der Kirche nicht nur die Arbeit machen zu lassen, sondern sie auch in Ämtern einzubinden, sei ebenfalls überfällig. Und die Forderung, die starre Sexualmoral abzulösen gegen eine „wertschätzende und anerkennende Haltung gegenüber selbstbestimmter und achtsamer Sexualität und Partnerschaft“ sei bereits seit Jahrzehnten überfällig. „Ich muss sagen, die haben recht“, sagt der Pfarrer.
Anders als in Köln würden in Olfen die Menschen zwar zurzeit nicht erdrutschartig austreten, sagt Ulrich Franke. „Das hat sicherlich damit zu tun, dass Münster das Thema Missbrauch konsequenter angeht als Köln.“ Die Vertrauenskrise der katholischen Kirche sei aber auch vor Ort spürbar. Weder ihn noch die Maria 2.0-Gruppe lässt das kalt.
„Die Kirchenleitung hat ihre Glaubwürdigkeit verspielt“, steht unten auf dem Thesenpapier an der Kirchentür. In Olfen, sagen die Frauen, sei das anders. „Wir verstehen uns gut“, bestätigt der Pfarrer.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
