Überraschung im Olfener Erpresser-Prozess Angeklagter auf freiem Fuß aber wohl mit neuer Anklage

Überraschung im Erpresser-Prozess: Angeklagter auf freiem Fuß aber mit neuer Anklage
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Mit einer Überraschung endete am Freitag (2.2) der Olfener Erpressungs-Prozess am Landgericht Münster. Der Angeklagte aus Bochum bleibt auf freiem Fuß. Die Große Strafkammer verurteilte den 35-Jährigen zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten und legte ihm 200 Arbeitsstunden auf. Dieses milde Urteil begründete die Kammer mit den widersprüchlichen und verworrenen Aussagen des Hauptbelastungszeugen, einem Olfener Fahrlehrer.

Der Olfener hatte den Bochumer angezeigt und dem Mann vorgeworfen, ihm bei mehreren Treffen in Olfen, Bochum und Dortmund insgesamt 6000 Euro abgepresst zu haben. Unter anderem mit Waffengewalt und der Drohung, ihm und seinen Kindern etwas anzutun.

Darauf stützte die Staatsanwaltschaft ihre Anklage einer besonders schweren räuberischen Erpressung. Diese Vorwürfe sah die Staatsanwältin auch gestern in ihrem Plädoyer als erwiesen an. Sie beantragte eine Gesamtstrafe von viereinhalb Jahren Haft unter Einbeziehung früherer, noch nicht vollstreckter Urteile. Die Erpressungsversion des Fahrlehrers, so die Anklägerin, sei auch deshalb glaubwürdig, weil er sich in einem Punkt sogar selbst belastet hatte. Dabei ging es um den Ausgangspunkt der ganzen Sache.

Räuberische Erpressung vom Tisch

Der Fahrlehrer hatte von einer Bekannten 3000 Euro genommen, um ihr damit eine positive, aber gefälschte MPU-Bescheinigung zu besorgen. Das schlug fehl. Der Angeklagte erfuhr davon und nahm dies zum Anlass, sich das Geld von dem Olfener zurückzuholen. Angeblich mit Wissen der Frau, was aber nicht stimmte. Das räumte der Angeklagte ein. Allerdings habe er nur 1500 Euro bekommen und auch nicht mit Gewalt oder gar einer Pistole gedroht.

Nur auf dieses Teilgeständnis stützte das Gericht seine Verurteilung. Damit war die räuberische Erpressung vom Tisch. Übrig blieben ein Erpressungsversuch und ein Betrug. Es könnte durchaus so gewesen sein wie angeklagt, stellte der vorsitzende Richter fest. Zweifelsfrei habe das die Beweisaufnahme aber nicht ergeben. Daher sei der Angeklagte in den wesentlichen Punkten freizusprechen. Der Verteidiger des Bochumers forderte sogar einen kompletten Freispruch für seinen Mandanten.

Weitere Anklage für Bochumer

Nicht zu urteilen hatte die Kammer am Freitag über eine weitere mutmaßliche Erpressung des Angeklagten gegenüber einem Selmer Fahrschulbesitzer, der früher Chef des Olfener Fahrlehrers war. Dabei ging es um eine Quittung über 4000 Euro, die der Selmer Fahrlehrer dem Angeklagten nach massiven Drohungen unterschrieben haben soll. Mit oder ohne Wissen des Olfeners, der dem Selmer genau diese 4000 Euro schuldete.

Dieser Vorwurf kam aber erst im Lauf des Prozesses zutage und war deshalb nicht Teil der Anklage. Im Zeugenstand hatte der völlig verängstigte Selmer den Angeklagten nicht als seinen Erpresser identifiziert. Der Bochumer selbst hatte die Nötigung des Selmers aber eingeräumt, wenn auch ohne Waffe. Die Staatsanwaltschaft will diesen Fall nun zur Anklage bringen. Für den Bochumer ist die Sache also noch nicht ausgestanden.

Meister aus dem Ruhrgebiet

In die Gesamtstrafe im Olfener Erpressungsprozess bezog die Strafkammer am Freitag auch ein Betrugsurteil des Berliner Amtsgerichts Tiergarten mit ein. Im Stile des Hauptmanns von Köpenick hatte sich der Bochumer Angeklagte in der Hauptstadt als Meister aus dem Ruhrgebiet ausgegeben. Genauer gesagt als Meister der Orthopädietechnik. Damit erschlich er sich im Jahr 2020 eine leitende Stellung in einem Berliner Unternehmen. Samt Dienstwagen und Diensthandy.

Den Job trat er nie an, kassierte aber über 13.000 Euro Gehalt. Die Qualifikation hatte er nie erworben. Das Handy gab er nicht zurück. Und den Dienstwagen fand der geprellte Betrieb später im brandenburgischen Städtchen Teltow wieder. Dafür verurteilte das Berliner Gericht den Bochumer zu 200 Tagessätzen à 15 Euro. Daneben umfasste sein Vorstrafenregister bis Freitag (2.2) weitere 13 Einträge. Unter anderem wegen Nötigungen, Drohungen, Betrug, Drogen, gefährlicher Körperverletzung, Fahren ohne Führerschein, Trunkenheit im Verkehr und Hausfriedensbruch.

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