Als beim Sonnenuntergang hinter dem Billerbecker Dom am Freitag (23. 7.) die Helferinnen und Helfer die Spenden aus der Kirche entgegennahmen, staunten sie sie. Der dreiste Diebstahl lag da bereits einige Stunden zurück. © picture-alliance / dpa
Billerbeck
Spenden für Flutopfer gestohlen vor den Augen des Pfarrers: „Sauerei“
„Verwerflich“: Wenn Polizeisprecher, die täglich über Straftaten berichten, solche Ausdrücke benutzen, lässt das aufhorchen. Der Billerbecker Pfarrer finden noch deutlichere Worte.
Das Schicksal der Flutopfer bewegt die Menschen im ganzen Land, auch im münsterländischen Billerbeck. Die dort von einem Bürger kurzfristig auf die Beine gestellte Hilfsaktion „Billerbeck hilft“ hatte in der Kleinstadt ein Riesenecho erfahren, auch in der katholischen Kirchengemeinde. Sie hatte in der Propsteikirche St. Ludgerus, dem sogenannten Ludgerus-Dom, Geld gesammelt für Menschen, die alles verloren haben. Diese Spenden-Boxen haben am Freitag (23. 7.) aber nicht nur die angelockt, die tatsächlich helfen wollten.
Hans-Bernd Serries, der Pfarrer der Gemeinde, hat die Szenerie noch genau vor Augen. „An beiden Eingängen haben wir in der Kirche die Spendenboxen stehen“: stabile, von einem örtlichen Schreiner gefertigte und mit robusten Schlössern gesicherte Behälter. „Als ich am Freitagnachmittag durch die eine Tür hineinkam in die Kirche, sah ich auf der anderen Seite einen Mann vor der anderen Box knien“.
Täter schmeißt Geldnoten auf den Boden
„Was machen Sie da“, ruft Serries. Der schmächtige Mann hebt den kurzgeschorenen Kopf. Spätestens da erkennt der Pfarrer, dass seine erste Befürchtung stimmt. Dieser Kirchenbesucher kniet nicht etwa zum Gebet, sondern, um sich an der Spendenbox schaffen zu machen. In einer Hand hält er noch ein Werkzeug, mit der anderen stopft er sich Banknoten in die Tasche seiner blauen Jacke.
Serries ist inzwischen fast bei ihm angekommen. „Was haben Sie da? Legen Sie das zurück.“ Ob es diese mahnenden Worte des Pfarrers sind oder die Einsicht, dass ihm nicht mehr viel Zeit zur Flucht bleibt? Fest steht: Der schmächtige Mann schnellt hoch, schmeißt Serries die letzten Scheine, die er gerade noch in der Hand hatte, entgegen - 400 Euro, wie sich später herausstellen wird - und rennt aus der Kirche.
Der Billerbecker Dom - ein beliebtes Ziel sowohl bei Wallfahrern als auch bei Ausflüglern und Fahrradtouristen - ist normalerweise immer gut besucht: erst recht an Markttagen. Doch ausgerechnet an diesem Freitag gegen 15 Uhr ist außer Serries und dem Dieb niemand anderes im Gotteshaus. Niemand, der hätte helfen können, dem Flüchtigen den Weg abzuschneiden.
Spendenflut geht nach der Flucht weiter
Mit wie viel Spendengeld ihm die Flucht gelang, ist ungewiss. Vermutlich hatte er die erste Spendenbox bereits komplett geleert. Das lassen Hebelspuren an Schloss und Holzkiste vermuten. Dass auch in der zweiten Box mehr als die zurückgelassenen 400 Euro waren, hält Serries für wahrscheinlich angesichts der „riesigen Spendenbereitschaft hier“. Von dem Vorfall bis zur offiziellen Leerung der Spendenboxen am Abend, pünktlich zu einem Gedenkgottesdienst für die Flutopfer, vergingen knapp vier Stunden. „In dieser Zeit haben die Menschen noch 1900 Euro gespendet“ - dieses Mal unter dem wachsamen Blick von Gemeindemitgliedern, die die beschädigten Boxen bewachten.
Ein „verwerfliches Verhalten“ sei das gewesen, schreibt die Kreispolizei Coesfeld am Samstagmorgen in ihrem Bericht. Pfarrer Serries findet noch deutlichere Worte: „Das war eine große Sauerei“. Umso mehr freut er sich, dass sich am Morgen nach dem dreisten Diebstahl ein vollgepackter Hilfskonvoi auf den Weg machen konnte in die Katastrophenregion: Mit vielen Sachspenden, aber auch mit Bargeld. Das Bistum Münster, zu dem die Kirchengemeinde Billerbeck gehört, hat außerdem 250.000 Euro für die Flutopfer gespendet.
Polizei sucht den Täter
Die Polizei Coesfeld sucht indes weiter nach dem Täter: Er soll zwischen 35 und 40 Jahre alt und 1,70 bis 1,75 Meter groß sein. Zeugen, die sachdienliche Hinweise geben können, sollen sich melden unter Tel. (02541)140.
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