Die Straße zwischen Olfen und Selm war voll an diesem 29. Juni 1934. Alles wartete auf Adolf Hitler, den Diktator des Deutschen Reichs. Die Absperrungen reichten kaum aus, die Zuschauermassen im Zaum zu halten. So berichtete es zumindest die Münstersche Zeitung in einem Bericht über Hitlers Besuch.
1933 hatten die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht übernommen. Die Nazis errichteten in kürzester Zeit eine Diktatur, schalteten die Presse, die Gewerkschaften und andere politische Parteien aus. Kommunisten, Juden, Sozialdemokraten und andere, die nicht in das rassistische Weltbild der Nazis passten, wurden verfolgt oder ermordet.
Der Reichsarbeitsdienst und die „Zähmung der Stever“
Hitler besuchte 1934 ein Lager des Reichsarbeitsdiensts (RAD) in Olfen. Das Lager wurde im Dezember 1933 eröffnet. Der Reichsarbeitsdienst diente ursprünglich der Bewältigung der Arbeitslosigkeit im Deutschen Reich, wie das Deutsche Historische Museum auf seiner Webseite betont. „Der RAD hatte den Auftrag, gemeinnützige Projekte zu unterstützen. Die männlichen Angehörigen halfen besonders bei Entwässerungsarbeiten und beim Bau der Autobahnen.“ Der RAD war dem Reichsinnenministerium angegliedert. Leiter des RAD war übrigens „Reichsarbeitsführer“ Konstantin Hierl. Der begleitete Hitler auch bei seinem Besuch in Olfen. Ebenso wie Robert Ley, Chef der deutschen Arbeitsfront (DAF).

Doch warum hatte der Reichsarbeitsdienst ein Lager in Olfen errichtet? Bereits 1932 begannen Ausbauarbeiten an der Stever im Bereich der zweiten Fahrt des Dortmund-Ems-Kanals, erklärt der Historiker Bernd Walter in seinem kürzlich erschienenen Buch über die Kreise Coesfeld und Lüdinghausen zur Zeit des Nationalsozialismus. Beiderseits der Stever sorgten regelmäßige Überflutungen für Probleme. Es gab Verwüstungen, sowie feuchte und „versäuerte“ Böden. „Die Wasser- und Bodenverbände versuchten durch wasserwirtschaftliche Maßnahmen die Bodenfruchtbarkeit und Bodenerträge zu steigern“, erklärt Walter. Und die Arbeitsbeschaffungsprogramme der Nationalsozialisten sollten dabei helfen, systematische Flussregulierungen vorzunehmen.
Freiwillige des Lagers, das rund 400 Mann fasste, bauten damals etwa auch eine der neuen Steverbrücken, wie der Reichsarbeitsdienst in einer Festschrift zur Einweihung des Lagers im Dezember 1933 betonte. Ab 1934 sollte schließlich die gesamte Stever südlich der Stadt Lüdinghausen ausgebaut werden.

Hitler besuchte mehrere Orte in Westdeutschland
Bevor Adolf Hitler nach Olfen kam, besuchte er die Lüner Buddenburg. Dort gab es seit 1933 eine Feldmeisterschule des Freiwilligen Arbeitsdiensts – eine Vorläuferorganisation des Reichsarbeitsdiensts, gegründet bereits in Zeiten der Weimarer Republik. Um 12 Uhr fuhr Hitlers Wagen in Olfen vor. „Der Himmel hatte sich aufgeklart, das typische Hitler-Wetter stellte sich ein“, schrieb die Münstersche Zeitung.
„Plötzlich kam Bewegung in die Menge“, berichtet die Zeitung weiter. „Stürmisches Sieg-Heil kündete die Ankunft des Führers an.“ Hitlers Ankunft schien die Olfener in Ekstase zu versetzen. So hätten die Mitarbeiter des Reichsarbeitsdienstes Mühe gehabt, die Menge in Schach zu halten. „Alle Arme flogen empor zum Deutschen Gruß. Aus allen Kehlen dröhnte der Heilruf.“

Hitler brach Besuch ab, um Entmachtung der SA beizuwohnen
Hitler brach seinen Besuch in Westdeutschland jedoch ab, weiß Johannes Leushacke, stellvertretender Vorsitzender des Olfener Heimatvereins. „Hitler flog nach München“, erklärt er weiter. Um dort die Ermordung von SA-Führer Ernst Röhm zu begutachten. „Vermutlich, weil Röhm sein einziger Duzfreund war und Hitler persönlich in der Nähe sein wollte.“ Was war geschehen? Hitler wollte die Sturmabteilung, die ihm an die Macht verholfen hat, jetzt loswerden. Denn Röhm plante, aus der SA eine „Volksmiliz“ zu formen, zum Missfallen der Reichswehr. Hitler war jedoch auf die Unterstützung der Reichswehr angewiesen, um seinen geplanten Krieg in die Tat umzusetzen, erklärt das Deutsche Historische Museum auf seiner Homepage. Adolf Hitler verhaftete Röhm in einer Villa am Tegernsee persönlich, soll ihn mit vorgehaltener Waffe als „Verräter“ bezeichnet haben.
Viele Opfer des Nationalsozialismus, auch in Olfen
Am Ende der Nazi-Herrschaft lag Olfen in Trümmern. Viele Menschen starben durch die Hand der Nationalsozialisten. Eine jüdische Gemeinschaft hatte es in der Steverstadt schon seit den 1920er-Jahren nicht mehr gegeben, wie Gertrud Althoff in ihrem Buch über die Geschichte der Juden in Olfen betonte. Die letzten Juden, die Familie Simons, verließen damals die Stadt. Erich Simons, sowie mindestens acht weitere in Olfen geborene Juden wurden später von den Nationalsozialisten ermordet.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel ist zum ersten Mal am 1. September 2024 erschienen, wir haben ihn nun erneut veröffentlicht.