Zu sehen ist noch nichts vom Hotelquartier unweit des berühmten Schlosses Nordkirchen. Zu hören darüber auch nur wenig. In der jüngsten öffentlichen Sitzung hat es Bürgermeister Dietmar Bergmann bei der Feststellung belassen, dass „wir in den vergangenen Wochen intensive Gespräche mit allen Beteiligten geführt haben“. Keines davon habe dabei Anlass zu dem Eindruck gegeben, das seit 2016 verfolgte Bauvorhaben sei gefährdet. Auf Nachfragen der Redaktion hat sich die Gemeindeverwaltung jetzt ausführlicher geäußert - auch über einen Millionenbetrag, den die Gemeinde den Grundstückseigentümern zur Verfügung gestellt hat.
Es geht um 4 Millionen Euro: eine Summe, „die sich am Wert des Grundstücks bemessen hat“, wie Bürgermeister Dietmar Bergmann sagt. Gemeint ist das sechs Fußballfelder große Grundstück zwischen der Schloßstraße und der Straße Am Gorbach: dort, wo neben einem 120-Zimmer-Hotel und einem Hallenbad, 200 Wohnungen - darunter Service-Wohnungen -, ein medizinisches Zentrum mit Praxen, ein Schulbau für die Oberstufe der Gesamtschule und eine Kita entstehen sollen. Die Gemeinde Nordkirchen war nicht Eigentümerin dieser Fläche und ist das auch jetzt nicht.
Vielmehr hatte die Arenberg Meppen GmbH die Fläche an die Am Gorbach Grundbesitz & Immobilien GmbH verkauft, ein Unternehmen, das Thorsten Schütte, der Geschäftsführer der Hamburger Premero Immobilien GmbH, gegründet hatte. Der Gemeinde Nordkirchen sei es vom Beginn an wichtig gewesen, „den Zugriff auf das betreffende Grundstück nicht zu verlieren“, sagt Bergmann. Daher sei beim Kauf des Grundstücks mit der Am Gorbach Grundbesitz & Immobilien GmbH eine Genussrechtsvereinbarung in Höhe der 4 Millionen Euro abgeschlossen worden. „Diese wurde zugunsten der Gemeinde grundbuchlich gesichert“, wie er ergänzt. „Hierüber ist ohne die Gemeinde eine Weiterveräußerung des Grundstückes nicht möglich.“
Was ist ein Genussschein?
Allgemein gilt: Über Genussscheine können sich Unternehmen Geld von Anlegern leihen, ohne sie direkt an der Gesellschaft zu beteiligen. Die Papiere sind eine Mischform aus Aktien und Anleihen. Die Spielräume für ihre Ausgestaltung sind groß. Grundsätzlich sichert das Unternehmen dem Anleger - in diesem Fall also der Gemeinde - eine Verzinsung seines eingesetzten Kapitals und eine Rückzahlung zu. Dafür kann ein Termin festgesetzt werden, muss aber nicht. Das Risiko: Genussscheingläubiger gelten als nachrangige Gläubiger. Bei einer Insolvenz werden daher die Forderungen anderer Gläubiger zuerst bedient.
Ein Totalausfall der Investments ist daher möglich.
Ob beim Nordkirchener 4-Millionen-Genussschein ein Termin festgesetzt wurde, lässt sich nur vermuten. Denn seit einiger Zeit findet sich auf Initiative aus der Politik der Genussschein immer wieder auf der Tagesordnung des nichtöffentlichen Teils jeder Haupt- und Finanzausschusssitzung. „Fälligkeit der Rückzahlung aus der Genussrechtsvereinbarung mit der Am Gorbach Grundbesitz & Immobilien GmbH“, heißt es dort regelmäßig. Da es um Vertragsinhalte und die geschützten Interessen des Vertragspartners, also der neuen Eigentümerin des Grundstücks in Nordkirchener 1a-Lage, geht, bleibt die Öffentlichkeit dabei ausgeschlossen. Aus dem gleichen Grund gibt das Rathaus auch keine weiteren Details zur Ausgestaltung des Vertrags preis. Die lassen sich auch nicht im aktuellen Gemeindehaushalt finden - zumindest nicht auf den ersten Blick.
Details sind nichtöffentlich
Dietmar Bergmann erklärt, warum: „Der Haushaltsplan stellt die jährlichen Belastungen dar. Da es sich bei der Genussrechtsvereinbarung um eine Geldanlage handelt, findet sich diese im Haushaltsplan nicht als Einzelposten wieder, sondern in der Bilanz der Gemeinde.“ Immerhin: Im Anhang zum Haushalt 2023 sei die Bilanz als summierter Posten zu finden. Allerdings seien in dieser Summe auch viele andere Forderungen enthalten.
Der vereinbarte Schutz von Vertragsinhalten lässt die Gemeinde auch über Zahlungsverpflichtungen und andere Details schweigen, die Inhalt des sogenannten vorhabenbezogenen Bebauungsplans sein werden, der festlegt, was gebaut werden soll. Und selbst wenn Bergmann darüber sprechen dürfte: Bislang stehen die Details noch gar nicht fest. Sie seien ja gerade Inhalt der aktuell laufenden Gespräche.

Auf Nachfrage bestätigt Bergmann, dass dabei Eigentümer und Investor mit am Tisch sitzen, also die Am Gorbach Grundbesitz & Immobilien GmbH sowie die IGP Advantag und die IGP med aus Berlin. Die zwischenzeitlich insolvent gewordene Convivo-Gruppe - in ihrem Fall ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft wegen Betrugs - ist nicht mehr dabei. Sie sollte sich insbesondere um das geplante Service-Wohnen kümmern. Ob dafür inzwischen Ersatz gefunden ist, lässt Bergmann offen: „Der Investor stellt nach seinem Ermessen die Projektpartner zusammen. Unsere Aufgabe ist es, die Planungsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen.“
Schwerer als der Ausstieg von Convivo hatten ihn und die Mehrheit der Projektbefürworter im Gemeinderat allerdings ein anderer Wechsel getroffen: der überraschende Ausstieg des Landes NRW 2022. Das Finanzministerium hatte ursprünglich eine Fortbildungsakademie geplant. Erst nachdem daraus in Folge einer Sparmaßnahme nichts würde, kamen Wohnbebauung und Praxen ins Spiel - und mussten Flächennutzungsplan und Bebauungsplan entsprechend geändert werden. Nach der frühzeitigen Bürger- und Behördenbeteiligung stockt derzeit die erneute öffentliche Auslegung der Pläne.
„Muss wirtschaftlich sein“
Ursprünglich hatte die Gemeinde einen Termin im Januar in Aussicht gestellt. Dass daraus nichts geworden ist und bislang auch kein anderer Termin im Gespräch ist, „liegt allein daran, dass noch Gespräche zwischen potenziellen Investoren und Betreibern geführt werden und die Gemeinde ihrerseits noch verbindliche Kalkulationsgrundlagen für das notwendige Schulgebäude und das geplante Schwimmbad erwartet“, so Bergmann. Denn das sei wichtig bei allem Wollen: „Schule und Hallenbad als Projekte der Gemeinde müssen auch zu für die Gemeinde wirtschaftlich vertretbaren Konditionen gebaut und betrieben werden können.“
Bei einem vorhabenbezogene Bebauungsplan trägt der Vorhabenträger in der Regel alle Kosten. In Nordkirchen gibt es Ausnahmen von dieser Regel: Die Kosten für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen eines Hallenbades und des Schulgebäudes liegen bei der Gemeinde Nordkirchen. „Selbstverständlich“, wie der Bürgermeister betont. Schließlich wolle die Gemeinde die Gebäude später auch nutzen. Aber auch die baurechtlich notwendigen Gutachten hat die Gemeinde beauftragt und finanziert. „Zunächst“, fügt Bergmann hinzu. Denn „die komplette Refinanzierung erfolgt über die Erhebung von Erschließungskosten vom Grundstückeigentümer“. Das sei so in Nordkirchen so üblich.
Kritik des Denkmalschutzes
Die Fundamentalkritik der Denkmalschutzbehörde in Münster ist kaum noch Thema in Nordkirchen. Die Fachleute des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe hatten „erhebliche Bedenken“ wegen der Lage des Quartiers geäußert. Bei der Bebauung des Grundstücks handele es sich um einen erheblichen Eingriff „in die überlieferten bau- und gartenkulturellen Werte und die Gartenschöpfung des international renommierten Gartenarchitekten Achille Duchene“. Die Mehrheit des Rates und die Verwaltung sahen das aber anders. Sie versprechen sich davon nicht nur eine hochwertige Bebauung, sondern auch „Wirtschaftsförderung und die Belebung der Geschäftswelt“, wie es der Bürgermeister auch in seiner Haushaltsrede ausdrückte.

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