Der Kauf der ehemaligen Gaststätte Heidekrug sowie der dazugehörigen Grundstücke und Gebäude durch die Stadt Olfen sorgte im vergangenen Jahr für viel Wirbel. Auslöser war die Haushaltsrede der Grünen-Fraktion im März, in der erstmals Kritik an der Höhe des Kaufpreises geäußert wurde, den die Stadt bis dahin geheim gehalten hatte. Genau diese Rede soll jetzt noch – unmittelbar vor den diesjährigen Reden zum Haushalt – ein Nachspiel im Rat am Dienstag (25.2.) haben.
Bürgermeister Wilhelm Sendermann wirft Grünen-Sprecherin Katja Meyer einen „Verstoß gegen Verschwiegenheitspflichten“ in ihrer Funktion als Ratsmitglied vor. Meyer hatte kritisiert, dass der Kaufvertrag zu einem „deutlich höheren Preis, als der Heidekrug nach den erstellten Gutachten wert war“, abgeschlossen wurde – und sprach von einem „sechsstelligen“ Betrag, der zu viel vereinbart worden sei.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2024 forderte der Bürgermeister sie zu einer Stellungnahme auf. „Sie sind Mitglied des Rates der Stadt Olfen und haben mit Ihren Ausführungen zum Haushalt 2024 zu Abweichungen von begutachteten Immobilienwerten und mit Ihren konkreten Aussagen zur Größenordnung dieser Abweichung und zur Größenordnung des für den Heidekrug entrichteten Preises Informationen aus der nicht-öffentlichen Sitzung bzw. aus den dazu erstellten, ebenfalls der Geheimhaltungspflicht unterliegenden Unterlagen, verwendet“, so der damalige Hinweis an Katja Meyer.
Auch über mögliche Konsequenzen klärte das Schreiben bereits auf. Der Rat könne ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250 Euro verhängen – bei wiederholten Verstößen bis zu 500 Euro. Bei einem „erstmaligen, nicht so gravierenden“ Verstoß sei auch lediglich eine Abmahnung oder Missbilligung durch den Rat denkbar.
Summe „hinreichend unkonkret“
In ihrer Antwort an den Bürgermeister begründete Katja Meyer, warum die Vorwürfe aus Sicht der Grünen-Fraktion haltlos seien. Allem voran: Eine „sechsstellige Summe“ beziffere eine Bandbreite von 100.000 bis 999.999 und sei somit hinreichend unkonkret und somit nicht geeignet für einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit.
Allgemein habe ihre Fraktion „sehr sorgfältig darauf geachtet, dass wir keine sensiblen und schützenswerten Informationen in der Öffentlichkeit nennen“, so Meyer. Sie erklärt weiter: „Dass allein schon das bloße Entscheidungsprocedere in einer nichtöffentlichen Sitzung der Geheimhaltung unterliegen könnte, war uns an dieser Stelle nicht bewusst. Wenn wir hier einen Fehler begangen haben, dann war das nicht beabsichtigt und lediglich der komplexen Thematik geschuldet“.
Erschwert habe die Oppositionsarbeit der Umstand, dass Unterlagen zur Meinungsbildung zum Heidekrug-Kauf für die Grünen-Fraktion nur nach persönlichem Termin im Rathaus einsehbar gewesen seien.
Unbefangene Debatte sichern
Die Stadtverwaltung bleibt bei ihrer Einschätzung: „Auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme von Frau Meyer liegt ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht vor.“ Da der Redebeitrag nur Informationen aus nichtöffentlichen Sitzungen und Unterlagen zum Gegenstand gehabt habe, ohne nähere Inhalte oder einen Kaufpreis zu benennen, liege jedoch ein eher geringfügiger Verstoß vor. „Zur Erreichung des mit der Ordnungsmaßnahme verfolgten Ziels der Disziplinierung und der Durchsetzung der Verschwiegenheitspflicht wird daher eine Missbilligung als ausreichend angesehen“, schreibt die Stadt in ihrem Beschlussvorschlag für die Ratssitzung am 25. Februar.

Diese Missbilligung werde dem Zweck gerecht, eine offene und unbefangene Debatte in der nichtöffentlichen Sitzung abzusichern und den Schutz von Daten, deren Mitteilung dem Gemeinwohl oder einem schutzwürdigen Interesse einzelner Personen zuwiderlaufen würde, zu gewährleisten.
Informationsinteresse überwiegt
„Die Geheimhaltungspflicht ist weit gefasst in dem Sinne zu verstehen, dass ihr alle in nichtöffentlicher Sitzung beratenen und beschlossenen Inhalte unterfallen“, ordnet die Stadt juristisch ein. Nichtsdestotrotz stellte das Verwaltungsgericht Münster im Falle des Heidekrug-Kaufs am 21. Juni 2024 auf Antrag dieser Zeitung fest, dass das öffentliche Informationsinteresse in Bezug auf Kaufpreis und Gutachterwerte die Interessen einer Geheimhaltung überwiegt – und forderte eine Offenlegung der Summen. „Bei Fragen nach der Verwendung von Steuermitteln besteht ein gesteigertes öffentliches Interesse“, merkten die Richter seinerzeit an.
Laut Beschluss des Rates zahlte die Stadtverwaltung insgesamt 1,2 Millionen Euro für die „Gaststätte mit Wohnungen, den dazugehörigen Wirtschaftsgebäuden und den landwirtschaftlichen Gebäude- und Ackerflächen“. Darin enthalten: 100.000 Euro für das bewegliche Inventar – die von den Grünen bemängelte sechsstellige Summe, die über den Wert aus den Gutachten hinausging.
Veröffentlichung der Beschlüsse
Für den Rat könnte das Thema im Falle einer Missbilligung aber noch nicht abgeschlossen sein. „Das bietet uns die Grundlage, weitere rechtliche Schritte und Prüfungen einzuleiten, die wir an dieser Stelle aufgrund der Grundsätzlichkeit für durchaus angezeigt halten“, kündigte Katja Meyer für ihre Fraktion bereits im Oktober an.
Dabei hätte sich die Stadtverwaltung so manchen Ärger womöglich ersparen können, wenn sie die Möglichkeiten der Geschäftsordnung für den Rat der Stadt Olfen genutzt hätte. Im Regelwerk für die politische Arbeit ist festgehalten, dass die Öffentlichkeit über den „wesentlichen Inhalt“ der Ratsbeschlüsse zu informieren ist – auch zu Entscheidungen in nichtöffentlicher Sitzung.
„Dies kann dadurch geschehen, dass der Bürgermeister/die Bürgermeisterin den Wortlaut eines vom Rat gefassten Beschlusses in öffentlicher Sitzung verliest und ihn erforderlichenfalls außerdem im unmittelbaren Anschluss an die Sitzung der örtlichen Presse zugänglich macht“, konkretisieren die städtischen Richtlinien das mögliche Vorgehen. Beides war nach dem Beschluss zum Heidekrug-Kauf nicht geschehen.
Vermietung statt Verkauf
Die Stadtverwaltung verfolgte mit dem Grundstückskauf an der Kökelsumer Straße vor allem das Ziel, mit ökologischen Ausgleichsflächen die Erweiterung der Steverauen voranzutreiben. Auch wurden auf dem Gelände von der Stadt zeitweise Geflüchtete untergebracht. Nachdem die Verwaltung auf der Suche nach einem Käufer für die ehemalige Gaststätte samt Wohngebäude nicht fündig wurde, gab sie vergangenen September bekannt, dass ein Verkauf kurzfristig nicht mehr geplant ist: Ein Olfener Unternehmen mietete dort Wohnraum für seine Mitarbeiter an. Die Stadt versprach sich durch die Mieteinnahmen – abzüglich des Investitionsaufwandes – eine zusätzliche Entlastung des Haushalts in Höhe von 40.000 Euro. Der Mietvertrag ist vorerst auf zwei Jahre befristet.