Die Debatte um den Kauf des Heidekrug-Grundstücks durch die Stadt Olfen fand im Sommer ihren Höhepunkt, als die Verwaltung ein Jahr nach Erwerb den Kaufpreis nannte – auf Anordnung des Verwaltungsgerichts. Für die Verwaltung ist das Thema aber noch nicht erledigt. Ein Brief von Bürgermeister Wilhelm Sendermann an Grünen-Ratsfrau Katja Meyer deutet an, dass das politische Jahr in Olfen wenig versöhnlich enden könnte. Am 17. Dezember kommt der Rat zu seiner letzten Sitzung vor dem Jahreswechsel zusammen. Dann könnte auch das Thema Heidekrug wieder auf der Tagesordnung stehen. Es steht ein möglicher Verstoß gegen Verschwiegenheitspflichten während der Haushaltsreden im März im Raum.
„Sie sind Mitglied des Rates der Stadt Olfen und haben mit ihren Ausführungen zum Haushalt 2024 zu Abweichungen von begutachteten Immobilienwerten und mit Ihren konkreten Aussagen zur Größenordnung dieser Abweichung und zur Größenordnung des für den Heidekrug entrichteten Preises Informationen aus der nicht-öffentlichen Sitzung beziehungsweise aus den dazu erstellten, ebenfalls der Geheimhaltungspflicht unterliegenden Unterlagen, verwendet“, so der Vorwurf des Bürgermeisters an Katja Meyer. Da die verwendeten Informationen zum Zeitpunkt der Haushaltsrede nicht auf andere, allgemein zugängliche Weise verfügbar gewesen seien, liege ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht vor. Daran ändere auch nichts, dass die Abweichungen von Gutachterwerten nur umschrieben und nicht konkret beziffert wurden.
Gesetzliche Geheimhaltung
Was unter die Verschwiegenheitspflicht der Ratsmitglieder fällt, regelt die Gemeindeordnung. Dort heißt es: „Der zu ehrenamtlichen Tätigkeit oder in ein Ehrenamt Berufene hat über die ihm dabei bekannt gewordenen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich, besonders vorgeschrieben, vom Rat beschlossen oder vom Bürgermeister angeordnet ist, Verschwiegenheit zu wahren.“ Ihrer Natur nach geheim sind insbesondere Angelegenheiten, deren Mitteilung an andere dem Gemeinwohl oder dem berechtigten Interesse einzelner Personen zuwiderlaufen würde. „Als geheimhaltungsbedürftig sind zudem alle Angelegenheiten zu betrachten, die in nicht-öffentlicher Sitzung beraten wurden“, ergänzt Sendermann.
Sanktionierung möglich
Der Rat kann Verstöße seiner Mitglieder mit bis zu 250 Euro sanktionieren, im Wiederholungsfall sogar mit 500 Euro. „Als weniger einschneidende Maßnahme gegenüber dem Ordnungsgeld kommt eine Abmahnung beziehungsweise Missbilligung durch den Rat in Betracht“, ist in dem Brief der Verwaltung zu lesen. Das könne bei einem erstmaligen, nicht so gravierenden Verstoß geboten sein.
Vor „einer denkbaren Sanktion durch den Rat“ erhielt Katja Meyer mit dem Schreiben die Möglichkeit, sich schriftlich zum Fall zu äußern – was die Ratsvertreterin auch tat.
Dem Vorwurf, dass zum Kaufpreis konkrete Aussagen getroffen worden seien, widerspricht Meyer. „Eine ‚sechsstellige Summe‘ beziffert eine Bandbreite von 100.000 bis 999.999 Euro und ist somit hinreichend unkonkret“, so die Einschätzung der Grünen-Fraktionschefin.
Komplexe Thematik
Weiter schreibt Katja Meyer in ihrer vierseitigen Stellungnahme: „Wir haben sehr sorgfältig darauf geachtet, dass wir keine sensiblen und schützenswerten Informationen in der Öffentlichkeit nennen. Dass allein schon das bloße Entscheidungsprocedere in einer nichtöffentlichen Sitzung der Geheimhaltung unterliegen könnte, war uns an dieser Stelle nicht bewusst.“ Wenn hier ein Fehler begangen worden sei, wäre das nicht beabsichtigt gewesen und lediglich der komplexen Thematik geschuldet. Die Ratsfrau stellt noch einmal klar: „Wir bekamen seinerzeit als Grüne Ratsfraktion eine Beschlussvorlage zur Abstimmung, der das aus unserer Sicht absolut Wesentliche (das Wertgutachten, auf das Bezug genommen wurde) nicht beigefügt war.“ Einer Bitte um nachträgliche Zusendung sei nicht nachgekommen worden, sodass nur eine Einsichtnahme nach Terminvereinbarung im Rathaus möglich war.
Informationen vorenthalten
„Mit diesem Verhalten haben Sie den Eindruck hinterlassen, dass dem Rat wichtige Informationen für eine Entscheidung vorenthalten werden sollten. Wenn dann noch die Kauf- und Gutachterwerte sehr stark voneinander abweichen, verstärkt das diesen Eindruck deutlich und hinterlässt einen üblen Beigeschmack“, wirft Katja Meyer dem Bürgermeister vor. Zum aktuellen Verfahren heißt es in der Antwort an Wilhelm Sendermann: „Wir haben Ihre Kritik zur Kenntnis genommen. Es bedarf aus unserer Sicht in dieser Angelegenheit keine weiterführenden Schritte.“
Wegen der Mehrheitsverhältnisse im höchsten politischen Gremium in Olfen stellt Meyer fest: „Wenn Sie diesen Vorgang in den Rat geben, wird dieser vermutlich bestätigt. Das bietet uns die Grundlage, weitere rechtliche Schritte und Prüfungen einzuleiten, die wir an dieser Stelle aufgrund der Grundsätzlichkeit für durchaus angezeigt halten.“ Der Fall könnte dann ein Nachspiel vor dem Verwaltungsgericht haben.
Spendensammlung geplant
Bei ihrem traditionellen Nikolausgrillen am 6. Dezember planen die Grünen nun, Spenden für den Arbeitskreis Asyl zu sammeln. Dafür soll mindestens die gleiche Summe zusammenkommen, wie Ordnungsgeld bei einer möglichen Sanktionierung vor dem Rat fällig wird. Auf ihrer Internetseite schreiben die Grünen dazu: „Dass Transparenz und eine funktionierende Demokratie ihren Preis haben, war uns natürlich bewusst. Dass dieser nun in Euros zu entrichten ist, überrascht. Aber wenn wir einen Preis dafür zahlen sollen, dass wir die Intransparenz im Rathaus kritisieren, dann werden wir dies natürlich tun.“